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24.05.08 / Modell oder Mogelpackung? / Berlin verspricht härteres Durchgreifen gegen jugendliche Straftäter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-08 vom 24. Mai 2008

Modell oder Mogelpackung?
Berlin verspricht härteres Durchgreifen gegen jugendliche Straftäter
von Patrick O’Brian

Kaisi A. hat in Berlin mächtig für Schlagzeilen gesorgt. Vor gut zwei Jahren hatte der jetzt 17jährige Libanese mehrere Jugendliche und eine 81jährige ausgeraubt. Letztere wurde dabei verletzt. Dafür gab es ein Jahr und drei Monate Haft – auf Bewährung.

Während der Bewährungszeit raubte er dann auch noch einen Drogeriemarkt aus. Zwar wurde nun das Strafmaß erhöht, und der Gewalttäter sollte in den Jugendknast, aber er bekam erst einmal Haftverschonung.

Inzwischen kam heraus, daß Kaisi A. 2006 noch weitere Überfälle begangen haben soll. Deswegen sollte er Anfang Mai endlich hinter Gitter gebracht werden. Als die Polizei anrückte, um den Intensivtäter abzuholen, wurden die Beamten von mindestens 20 arabisch-türkischen Jugendlichen umzingelt und bedrängt. Erst weitere Beamte und ein Pfeffersprayeinsatz konnten die Lage klären.

Gerade gegen solche gemeingefährlichen Nachwuchskriminellen müßten schnelle Strafen her, sagen alle Experten. Erst wer einmal auf die heiße Herdplatte gefaßt habe, wisse, daß er zukünftig lieber prüfen sollte, ob sie eingeschaltet ist. Kurz: Wenn zwischen Schuld und Sühne zu viel Zeit vergeht, dann ist der erzieherische Charakter der Strafe dahin.

In Berlin vergeht zwischen Tat und Verurteilung eine Zeit von durchschnittlich vier Monaten. Besser wären zwei Wochen lautet eine ehrgeizige Forderung. Aber geht das überhaupt?

Seit ein paar Tagen geistert das Wort vom „Neuköllner Modell“ durch die Stadt. Damit ist ein Pilotversuch aus dem Problemkiez Rollbergviertel in Neukölln gemeint. Seit Januar arbeiten hier vier Jugendrichter daran, um das Kriminalitätsproblem in den Griff zu bekommen.

Der Senat hat in der vergangenen Woche zu einem Gipfeltreffen samt Fototermin geladen. Eine Pressekonferenz aber gab es nicht. Nur ein Bild sollte zeigen, wie die Staatssekretäre und -anwälte, die Richter und der Polizeipräsident beisammen sitzen.

Alles, was an Inhalten nach außen drang, war folgendes: Das Neuköllner Modell soll jetzt im ganzen Bereich der Polizeidirektion 5 angewendet werden. Das heißt, in ganz Neukölln und in Friedsrichshain-Kreuzberg.

Aber was genau ist denn nun das Neuköllner Modell? Telefonisch und ohne große Aktenschieberei sollen Staatsanwalt und Richter bald nach der Tat ein Urteil verhängen. „Betreuende Maßnahmen, Anti-Gewalt-Seminare, soziale Trainingskurse, die sogenannten Sozialstunden, aber auch die Arreste können in dem Verfahren verhängt werden. Und da können wir also in ein, zwei Wochen nach der Tat in geeigneten Fällen zu Ergebnissen kommen.“ Das sagte Kirsten Heisig im Januar, als ihr Modell erstmals der Öffentlichkeit vorgelegt wurde.

Die Neuköllner Jugendrichterin gilt als Erfinderin des Neuköllner Models. Sie hat damals auch klar gemacht, daß das neue Modell natürlich nur bei Ersttätern in Betracht komme, die keine harte Strafe zu erwarten hätten. Es geht also mehr um fehlgeleitete Jugendliche, die zum ersten Mal beim Ladendiebstahl oder Handyklau erwischt worden sind.

Politik und Justiz erwecken allerdings den irreführenden Eindruck, als ließe sich das Neuköllner Modell auch gegen Intensivtäter anwenden. Das riecht verdächtig nach Aktionismus. Plötzlich können die Vorgaben nicht hart genug sein. „Ziel ist es, daß die Strafe auf dem Fuß folgt“, läßt Innensenator Ehrhart Körting (SPD) jetzt zum Thema Neuköllner Modell erklären. Und: Natürlich habe er schon immer das Modell unterstützt.

Eins ist klar: Zur Zeit scheinen drakonische Strafen angebracht, um Mehrfachtätern Einhalt zu gebieten. Es sind Typen wie Taifun, der in der vergangenen Woche in einer Sat1-Talk­show zu sehen war. Er erzählte freimütig, wie er und seine Clique gemeinsam Gleichaltrige berauben („abziehen“). „Dann machen wir unser Geld“, berichtete er freudestrahlend, so als habe er Grund, auf seine Leistung stolz zu sein. Danach berichtete der 13jährige (!) Mohammed: „Ich hab schon 20 oder 30 Anzeigen.“ Das schien ihn aber nicht zu stören.

Das nun breit angepriesene Neuköllner Modell erfaßt Intensivtäter wie Taifun und Mohammed aber eben gerade nicht. Und: Selbst bei den Ersttätern wurde die neue Methode bislang so gut wie gar nicht angewendet. Richterin Kirsten Heisig wurden von der Polizei seit Januar gerade einmal vier Fälle zur Entscheidung vorgelegt. Das erhärtet den Verdacht, daß es sich abermals um nicht mehr als eine Maßnahme zur Beruhigung der Öffentlichkeit handelt. Zumal eine vorschriftsgemäße Bearbeitung eines Falles in 14 Tagen aus Sicht von Juristen eh ausgeschlossen scheint.

Foto: Ein Urteil in zwei Wochen? Experten zweifeln am „Neuköllner Modell“ gegen jugendliche Straftäter.


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