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24.05.08 / Ost-Deutsch (67): Gelände(r)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-08 vom 24. Mai 2008

Ost-Deutsch (67):
Gelände(r)
von Wolf Oschlies

Wörterbücher sind eine feine Sache, obwohl sie manchmal versagen, speziell die aus Osteuropa: Sie hinken zu weit hinter der sprachlichen Entwicklung des Alltags hinterher, sind oft auch sehr „g’schamig“, was gewisse Wortschöpfungen angeht. Da heißt es für den Sprachforscher: Ohren in den Wind stellen, dem Volk aufs Maul schauen und dann erst eigene Schlüsse ziehen.

In meine ausufernde Sammlung von Germanismen in osteuropäischen Sprachen sind jüngst zwei Funde gekommen, deren deutscher Ursprung förmlich ins Auge springt: Zum ersten russisch „gelend“, also deutsch „Gelände“, das vom althochdeutschen „gilenti“ abstammt. Zu Russen kam das Wort vor etwa zehn Jahren – in der Zusammensetzung „gelendvagen“. Gemeint war der „Geländewagen“ einer süddeutschen Nobelfirma, der den Russen so gefiel, daß sie selber welche bauten. Und sie bündig, aber dennoch deutsch nannten, wie die Autozeitschrift „Sa ruljom“ (Hinter dem Steuer) kürzlich erläuterte: „gelendevagen, v narode gelend“ (im Volk: gelend), das ist (wie ich gleich deutsch übersetze) „eine starke, mächtige und zuverlässige Karosse, die einen ebenso starken und zuverlässigen Lenker erfordert“. Unter uns: Mit solchen Adjektiven verbinden Russen sofort deutsche Wertarbeit.

Ganz anders ist es mit dem südslawischen „gelender“ (mazedonisch) oder „gelendar“ (serbisch). Das dahinter steckende deutsche „Geländer“ ist das mittelhochdeutsche „gelenter“ oder „gelanter“, das seinerseits dem untergegangen Substantiv „lander“ (Stangenzaun) entstammt. Bei Mazedoniern lebt das „Geländer“ zum Beispiel in Anzeigen wie „Bravar mesti sigurnosni gelendri“ (Schlosser setzt Sicherheitsgeländer) oder „Israbotka na ogradi i gelendri“ (Ausführung von Zäunen oder Geländerm). Gibt es den Beruf noch bei Deutschen?

Auch Serben halten sich ans Geländer, wie ich unlängst aus einem bescheuerten Witz heraushörte: Dreie sind aus der Irrenanstalt geflohen und kraxeln ein Bahngleis entlang. Der erste findet die „stepeniste“ (Treppen) endlos. Der zweite beschwert sich: „I gelendar je nizak“ (und das Geländer ist zu niedrig). Der dritte tröstet sie: „Nema brige, evo ga stize lift“ – Keine Sorge, schaut doch, da kommt schon der Fahrstuhl.  


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