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24.05.08 / Neu und schon gescheitert / Die Regierungskrise in Pakistan kommt manchen gar nicht ungelegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-08 vom 24. Mai 2008

Neu und schon gescheitert
Die Regierungskrise in Pakistan kommt manchen gar nicht ungelegen
von R. G. Kerschhofer

Daß die pakistanische Regierungs-Koalition eher früher als später platzen würde, konnte man auch ohne prophetische Talente voraussagen. Jetzt, keine zwei Monate nach Amtsantritt von Premierminister Gilani, ist es so weit: Die Minister des kleineren Partners treten aus der Regierung aus. Zu unterschiedlich sind eben die persönlichen und – an zweiter Stelle – die politischen Anliegen der Kontrahenten.

Die stärkste Partei, die Pakistan Peoples Party (PPP), wird de facto von Asif Ali Zardari, dem Witwer der ermordeten früheren Ministerpräsidentin Benazir Bhutto geleitet – auch wenn formell deren gemeinsamer, in London studierender Sohn Bilawal Bhutto Zardari den Parteivorsitz erbte. Zweitstärkste Partei ist der bisherige Regierungspartner PML-N, die „Pakistan Muslim League“ des früheren Regierungschefs Nawaz Scharif. Nicht zu verwechseln mit der PML-Q, der „Pakistan Muslim League“ von Staatspräsident Pervez Muscharraf. Die Bhutto-Partei ist, etwas vereinfacht, die Partei des „alten Feudal-Adels“, die Nawaz-Partei die des „neuen Industrie-Adels“.

Der Bruch hat aber andere Ursachen: Nawaz Scharif hatte im Wahlkampf versprochen, die von Muscharraf abgesetzten Höchst-richter wieder einzusetzen. Diesem Anliegen, das nur mit Zweidrittelmehrheit umgesetzt werden kann, hatte auch Zardari zugestimmt. Im Prinzip. Doch er wollte nur zustimmen, wenn zugleich mittels Verfassungsänderung die Befugnisse der Richter eingeschränkt würden. Warum? Muscharraf hatte – hoffend auf eine Allianz seiner PML-Q mit der PPP – Korruptions-Verfahren gegen Zardari niedergeschlagen, und dieses Dekret könnten die Richter wieder aufheben, falls die Verfassung nicht wie verlangt geändert wird.

Nawaz Scharif wollte dem Verlangen Zardaris nicht nachgeben, weil dies ein Bruch seines Wahlversprechens gewesen wäre. Aber das ist vordergründig: Denn Koalitionen geht man ein, um Wahlversprechen ungestraft brechen zu können. Und die Aufkündigung der Koalition ist auch gar kein echter Gang in die Opposition, denn die PML-N will weiterhin die PPP-Regierung „unterstützen“. Es ist also ein Gang aus der Mitverantwortung mit Blick auf die nächsten – vorgezogenen – Wahlen.

Böse Zungen behaupten, Muscharraf verbringe die meiste Zeit beim Bridge-Spielen, weil seine Gegner einander ohnehin zerfleischen. Andere sagen, er tue nichts anderes, als zu intrigieren und die beiden Wahlsieger gegeneinander aufzuhetzen.

Tatsache ist, daß Muscharraf nur noch begrenzte politische Möglichkeiten hat: Bei den Parlamentswahlen hatte seine Partei eine schwere Niederlage erlitten, und schon im November 2007, einen Tag vor Antritt seiner neuen Amtsperiode, hatte er das Oberkommando über die Streitkräfte abgegeben.

Ein Amtsenthebungsverfahren, das eine Zweidrittelmehrheit erfordert hätte, ist mit dem Zerfall der Koalition jedenfalls vom Tisch.

Die pakistanischen Intrigen haben noch weitere Aspekte, bei denen die Interessen von Mächten fernab der Region eine wichtige Rolle spielen: Einerseits das Verhältnis Pakistans zu den „Taliban“ und zu Afghanistan, andererseits das zu Indien und dem Iran.

Ende April wurde bekannt, daß die Regierung mit den Taliban über ein Friedensabkommen verhandelt. (Auch Muscharraf hatte dies versucht, war aber von den USA zurückgepfiffen worden.) Baitullah Mahsud, einer der wichtigsten Taliban-Anführer in den pakistanischen Stammesgebieten an der afghanischen Grenze, sprach als Vorleistung sogar schon ein „Verbot“ von Terroranschlägen aus – von solchen auf Pakistani, nicht auf Amerikaner und Alliierte in Pakistan oder Afghanistan. Auch den Gegnern des Abkommens kommt die Regierungskrise also nicht ungelegen.

Und vorige Woche, kurz nach der Indien-Reise des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, bei der es um das iranisch-pakistanisch-indische Erdgas-Projekt ging, gab es nach längerer Pause wieder Terroranschläge in Indien. Sie belasten zwangsläufig das indisch-pakistanische Verhältnis, auch wenn das einzige Bekenner-Video von einer bisher unbekannten Islamisten-Gruppe kommt.

Aber wer sind die Drahtzieher? Westliche Politiker und Medien nähren gerne die Fehlmeinung, „El-Kaida“, „die Taliban“ oder „die Islamisten“ seien zentral gesteuerte Organisationen, gar eine Weltverschwörung!

In Wahrheit gibt es viele Gruppen und Grüppchen, und wie überall auf der Welt weiß das dumme Fußvolk nicht unbedingt, welchen Herren die Anführer wirklich dienen ...


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