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24.05.08 / Dürfen wir wieder Deutsch sprechen?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-08 vom 24. Mai 2008

»Moment mal!«
Dürfen wir wieder Deutsch sprechen?
von Klaus Rainer Röhl

Bis vor drei Wochen nannte sich eine Quasselrunde im Internet, die die „FAZ“ eingerichtet hatte, wo ihre Leser über den neuen Roman von Martin Walser möglichst kenntnis- und geistreich diskutieren sollten, schlicht und einfach „Reading Room“. Kein Redakteur oder Leser fand etwas dabei. So wie eben die Auskunft bei der Bahn „Service Point“ und die Toilette „McClean“ heißt. Und der elektronische Stammtisch, an der jeder schüchterne Oberschüler Anschluß an ein hübsches Mädchen sucht und findet, „Chat-Room“ (= Schnatter-Zimmer). Jeden Tag ein neuer englischer oder pseudo-englischer Begriff im Sprachschatz unserer Jugendlichen. In Grimms Wörterbuch gab es noch gute 500000 deutsche Wörter. Heute sind viele davon verkümmert. Verkümmert oder ganz verschwunden wie die aussterbende Tier- und Pflanzenwelt in der sogenannten „Klimakatastrophe“. Artensterben bei der deutschen Sprache. Das ging solange schlecht, bis letzte Woche Frank Schirrmacher, der Feuilleton-Chef der „FAZ“, der jeden Monat eine andere Sau durchs Dorf treibt, eine neue Mode ausrief: „Wieder deutsch sprechen!“ Für die täglich durchschnittlich vier Stunden im Internet herumfingernden (= surfenden) Schüler und Studenten mal was ganz Neues. Häh, Alter? Schirrmacher, der seine ganze Redaktion oft zum Panik-Orchester macht – und dirigiert. Erinnert sei an die ihn stark umtreibende und in Büchern und ellenlangen Diskussionen ausgebreitete Angst vor den immer älter werdenden Deutschen, wohinter wir ganz unfreudianisch auch eine heimliche Angst des ewig jugendlichen Chefs vor dem eigenen Altern vermuten dürfen oder der Feldzug gegen die viel zu dicken Kinder der Unterschicht, deren Eßgewohnheiten in die Reihen der Söhne und Töchter aus guten Familien einbrachen („McDonald‘s-Kinder“) und viele ähnlich aufgeregte „Aufreger“ im Blatt. Der „FAZ“-Herausgeber hatte kaum gehört, daß die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts (bis 2002) Jutta Limbach ein Buch geschrieben hatte mit dem unmißverständlichen Titel „Hat Deutsch eine Zukunft?“, als er das Thema auch schon zur „Frage des Tages“ erklärte, sich das Buch zum auszugsweisen Vorabdruck in seinem „Reading Room“ sicherte, der denn auch fast zeitgleich in „Lesesaal“ umbenannt wurde. Als ersten Diskussionsredner holte sich die „FAZ“ – was kann man tun, wenn die Autorin Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts war? – den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof ins Blatt, der am 16. Mai die Debatte mit einem hochkomplizierten Artikel auf deutsch – Juristen-Deutsch freilich – eröffnete, dessen Herkunft aus der altrömischen Rechtssprache er selber nicht leugnen mochte. Schlußfolgerung, nach Abzug aller Floskeln: Sprache ist Herrschaft. „Der Sprachimperialismus ist die weniger auffällige Form, um zu herrschen und zu unterdrücken. Jede Diktatur sucht Herrschaft über die Sprache zu gewinnen, insbesondere die Sprache der Kritik zu unterbinden, den Herrscher zu verherrlichen, den Gegner verächtlich zu machen. Die deutsche Sprache wird eher zaghaft, jedenfalls nicht mit Herrscherwillen verbreitet. Dennoch gelingt es Interessenten immer wieder, einen unerwünschten Sprachgebrauch zu unterdrücken, einen erwünschten als allein richtig einzuführen. Das wichtigste Beispiel bietet das Anliegen, Mann und Frau gleich zu behandeln ...“

Kirchhof zitiert dann die grotesken Versuche, die Gleichwertigkeit der Geschlechter gleichsam grammatikalisch / orthographisch herbeizuschreiben, etwa mit den unseligen „Feminist/Innen“ und ähnlichen Zerrformen, die helfen sollen, alle männlichen Endungen zu vermeiden (= Studierende statt Studenten, also Studierendenschaft statt Studentenschaft), über die wir an dieser Stelle so manche schöne Satire schreiben durften. Lang ist es her, aber die gutbezahlten „Genderbeauftragt/Innen“ haben sich inzwischen astronomisch vermehrt.

Kirchhof fragt, ob es richtig sei, daß „Deutsch zwar die in der EU am weitesten verbreitete Muttersprache ist, sie aber dennoch keine Bedeutung als tatsächlich gesprochene Amtssprache gewinnt, das ist gegenwärtig aber auch auf eine übervorsichtige Zurückhaltung von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zurückzuführen. Die größte Sprachgruppe in der Europäischen Union wird am ehesten in dieser Rechtsgemeinschaft heimisch, wenn sie dort in ihrer Sprache sprechen kann!“

Fein beobachtet. Dabei ist wirklich alles schon oft gesagt worden. 2005 präsentierte die größte der von vielen Millionen gesehenen Fernsehsendungen, der „Musikantenstadl“, ganz überraschend einen neuen deutschen Schlager, der unter kluger Vermeidung des Wörtchens „deutsch“ sehr wirksam gegen die ständig unmotivierten englischsprachigen Schlager protestierte und „Ein Lied in unserer Sprache“ forderte. Es gibt, statistisch mehrfach ermittelt, eine Mehrheit von Hörern, die das dauernde Gedudel und Gestampfe englischsprachiger Songs auf allen Rundfunkkanälen schon lange satt hat und auch gerne und eigentlich lieber deutschsprachige Lieder und Schlager hören möchte. „Ein Lied in unserer Sprache!“ wurde ein Riesenerfolg. Gut zu wissen für eine Bundeskanzlerin Merkel, die einmal eine Diskussion über den Patriotismus versprochen hatte. Es gibt auch Leute, die, ohne Nationalisten zu sein, gerne die Nationalhymne singen, und mit Freude lesen wir in der „Bild“-Zeitung, daß Angela Merkel dazugehört. Aber Vorsicht mit dem Deutschsprechen! Es gibt doch auch die sogenannten „rechten Stimmungen“ im Lande, und wenigstens die CSU in Bayern berücksichtigt das. Sie weiß sehr gut, daß, wenn sich die rechtskonservativen Wähler nicht in der Union heimisch fühlen können, früher oder später radikale und extremistische Parteien Zulauf haben. Ein Vorgang, den wir auf dem linken Spektrum gerade beobachten konnten.

Die Programm-Kommission der CDU hat vor einem Jahr, im Mai 2007, ein Papier beschlossen. Dieses Papier, unter Vorsitz des CDU-Generalsekretärs Pofalla ausgearbeitet, ließ für eine selbstbewußte Nation nichts Gutes hoffen. So wurde der frühere Ansatz, Deutschland sei „kein Einwanderungsland“ gestrichen, zugunsten des bewußt unscharf formulierten „Deutschland ist ein Integrationsland“. Deutschland, ein Integrationsland! Das hört sich ja an wie „Deutschland, ein Wintermärchen“. Zur Nation will sich die CDU nur mit diesem Satz bekennen: „Ohne Patriotismus, ohne die Bereitschaft, in Heimat und Nation Pflichten zu erfüllen, Verantwortung zu übernehmen und Solidarität zu üben, kann kein Staat gedeihen.“ Richtig. Hört sich aber an wie ein Tip für marokkanische Asylbewerber, die einen deutschen Paß beantragt haben und jetzt Fragen beantworten müssen. War das alles über die Nation?

Im nächsten Satz kommt schon wieder die Einmaligkeit der deutschen Verbrechen, die gegen nichts aufzurechnen sei. Liebe Freunde! Wo in Deutschland will irgend jemand irgend etwas aufrechnen? Es ist der Generalverdacht aller Volkserzieher gegen alle Deutschen: „Du bist Hitler!“ Die CDU ist heute endgültig beim Mißtrauen der 68er gegen die Nation angekommen. Der geradezu krankhafte Mangel an nationalem Selbstwertgefühl und jene Unterwürfigkeit und Selbstverkleinerung ist in unserem Land zur Mode geworden. Da gab es eine große Freude und ein Aufatmen, als der neu gewählte Bundespräsident Köhler sagte: „Ich liebe unser Land.“ Es gibt immer noch – nicht auf der Berliner Flaniermeile – viele Menschen, die gern das täten, wozu Willy Brandt die Deutschen im Wahlkampf von 1968 aufforderte: Stolz zu sein auf unser Land. Obwohl es, nach rund sieben Jahren Rot-Grün und drei Jahren Großer Koalition, wenig gibt, worauf man stolz sein kann. Und dennoch lieben wir unser Land, und der größte deutsche Dichter (und Antikommunist) Bertolt Brecht ermunterte uns zu dieser Liebe: „Und das liebste mag’s uns scheinen / So wie anderen Völkern ihrs.“

Besonders falsch ist die Mahnung der falschen Freunde aus den Medien an Angela Merkel, alles zu meiden, was auch nur entfernt nach „rechts“ aussieht. „Immer in der Mitte bleiben“, lautet die Devise. Das liegt daran, daß diese Medien der Ansicht sind, daß die Deutschen ein Volk von weichgespülten Angsthasen seien, die sich nur in der Mitte der Gesellschaft wohl fühlen. Es gibt aber durchaus rechte, konservative Stimmungen, nicht nur in Bayern, jede Befragung zeigt das. Nicht nur in Schützenvereinen, bei Fußballfans und Stammtischbrüdern. Die Liebe zur deutschen Sprache gehört dazu.

Die linken und linksliberalen Medien haben die Union so sehr in die Mitte getrieben, daß es mittelmäßiger und mittelprächtiger gar nicht mehr geht. Ein konservatives Profil wird dabei nicht sichtbar, sichtbar wird nur die Angst, irgendwo anzuecken. Bloß niemand verärgern auf einem schönen sauberen Mittelweg. Haben aber unsere Vorfahren nicht gewußt: „In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod?“ Es ist Gefahr und große Not im Land. Nicht nur der eigenen Sprache droht die Gefahr.

Unser Rat an Kanzlerin Angela: Nicht nur gegen Frauenfeindlichkeit, Minderheitenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit, Einwandererfeindlichkeit auftreten, sondern auch und vor allem gegen Deutschenfeindlichkeit. Etwas mehr Deutschfreundlichkeit würde im Jahre 2008 und bei der Bundestagswahl 2009 gut verstanden werden.

Der Trend geht zur Nation. Überall in Europa. Nun auch bei uns. Schadet uns das? Auch die Debatte im neuen „Lesesaal“ der „FAZ“ ist ein Anzeichen für das neue, gelassene Selbstbewußtsein der Nation.

Mehr von Klaus Rainer Röhl können Sie lesen in seinem Buch „Du bist Deutschland – Notizen aus der europäischen Provinz.“

Foto: Aussterbend: Der Begriff Kleinod wurde 2007 zum schönsten bedrohten Wort der deutschen Sprache gewählt.


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