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24.05.08 / Klamauk statt Tragik / Hörbuch: »Reise nach Tilsit«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-08 vom 24. Mai 2008

Klamauk statt Tragik
Hörbuch: »Reise nach Tilsit«

„Seine Werke brachen Tabus und standen für Emanzipation. Sie sind auch heute noch von eigenartigem, besonderem Reiz. Es wäre bedauerlich, würden sie vergessen. Wie die Sprache dieses Landes. Die bald niemand mehr sprechen wird …“

Diesen Worte über Sudermanns Werk und die Sprache seiner Heimat auf dem Cover der unlängst auf den Markt gelangten CD „Die Reise nach Tilsit“ kann man nur beipflichten.

Insofern muß man es begrüßen, daß Hermann Sudermanns „Reise nach Tilsit“ nun auch als Hörbuch vorliegt. Die CD weist allerdings einige Merkwürdigkeiten auf.

Das fängt schon beim Cover an. Dieses enthält – durchaus wissenswerte – Informationen über die Erzählung, über deren Autor Hermann Sudermann und über den Schauspieler Thomas Kylau, der die „litauische Geschichte“ auf der CD vorliest.

Weniger schön ist jedoch, daß die Leerzeichen in dem Text etwas willkürlich gesetzt scheinen. Es scheint, als hätte man sich nicht einigen können, ob hinter ein Satzzeichen nun ein Leerzeichen gehört oder nicht. Es fehlt auch schon einmal ein Punkt, wofür es an anderer Stelle mitten in einem Wort ein Leerzeichen gibt. Das ist nicht weiter schlimm, wirkt jedoch nicht gerade professionell.

Merkwürdig ist auch die CD selber. Thomas Kylau liest „Die Reise nach Tilsit“ flott und heiter mit hoher Stimme und einer verschmitzten Leichtigkeit vor, als handele es sich um ostpreußische Vertellkes und nicht um ein – wenn auch vielleicht nur kleines – Stück deutschsprachiger Weltliteratur, in der es um nicht weniger geht als Schuld und Versöhnung sowie Liebe und Tod.

Wenn dann die Stellen erreicht werden, wo die weibliche Hauptperson zu Worte kommt, und Thomas Kylau deren weibliches Organ dadurch zu imitieren versucht, daß seine Stimme noch höher wird, stellt sich der Eindruck von Klamauk ein.

Dabei hätte sich diese Untiefe dadurch umschiffen lassen, daß man die Wortwechsel in der Geschichte von anderen Schauspielern entsprechenden Geschlechts vortragen läßt. Diese Lösung hätte zudem noch den Vorteil der Abwechslung besessen und Thomas Kylaus Vortrag aufgelockert. Die Produktionskosten hätten sich durch die Beschäftigung zusätzlicher Schauspieler zwar wohl erhöht, aber so viele Figuren kommen in der Novelle nicht vor und die Investition hätte dem Produkt sicherlich gutgetan.

Merkwürdig ist auch, daß gerade an den entscheidenden Stellen der Novelle Thomas Kylaus Vortrag mit einer dahin plätschernden Gitarrenmusik unterlegt ist, die von einer Art ist, daß man sie eher als Überbrückung in Pausen des Vortrags zwischen einzelnen Kapiteln der Lesung erwartet hätte.

Wer das ostpreußische Idiom so sehr liebt, daß ihm die transportierte Botschaft zweitrangig ist, oder wem die Augen das Lesen schwer machen, der greife zu dieser CD. Den anderen sei empfohlen, lieber das Buch zu lesen, denn die eigene Lektüre wird der Tiefe dieser schönen Novelle eher gerecht.          Manuel Ruoff

„Die Reise nach Tilsit“, CD, beziehbar bei Preußischer Mediendienst, Mendelssohnstraße 12, 04109 Leipzig, Telefon (03 41) 6 04 97 11, E-Mail: o.rieckmann@ preussischer-mediendienst.de, Laufzeit 79 Minuten, 12.95 Euro


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