19.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.05.08 / Wettlauf mit der Zeit / Die halbherzigen Restaurierungsversuche halten mit dem Verfall der Vorkriegsbauten kaum Schritt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-08 vom 24. Mai 2008

Wettlauf mit der Zeit
Die halbherzigen Restaurierungsversuche halten mit dem Verfall der Vorkriegsbauten kaum Schritt
von Jurij Tschernyschew

In letzter Zeit ist es im Königsberger Gebiet in Mode gekommen, Meinungsumfragen durchzuführen, um herauszufinden, welche Sehenswürdigkeiten der Stadt bei den Bewohnern am beliebtesten sind. Die Wahl fällt meistens auf Bauten, die vor dem Krieg gebaut worden sind.

In den letzten Jahren hat in Königsberg ein echter Bauboom stattgefunden. Es wurden Verwaltungsgebäude, Einkaufszentren in unterschiedlichen Architekturformen und -arten gebaut, doch nach Ansicht vieler Bewohner der Pregelmetropole sind sie alle Beispielen Königsberger Architektur nachempfunden. Obwohl die Architekturbauten der Vorkriegszeit nicht nur bei den Königsbergern, sondern auch bei vielen Gästen Aufmerksamkeit und Sympathie auf sich ziehen, hatte man lange Zeit kein Geld für ihre Restaurierung.

Die Beamten, die mit der Entwicklung des Regionaltourismus beschäftigt sind, denken ständig darüber nach, wie man Touristen in das Gebiet locken kann. In den letzten zwei Jahren gab es zahlreiche Projekte, unter anderem die Idee, Bernsteinstückchen von den Stränden des Königsberger Gebiets bei der Ankunft von Touristengruppen zu verteilen. Eine andere Idee bestand darin, Hotels höherer Kategorien mit drei bis fünf Sternen zu bauen. Zur Zeit werden schon einige Fünf-Sterne Hotels gebaut, weitere sind in Planung. Jedoch stehen die meisten davon leer; nicht nur, weil sie zu teuer sind, sondern, weil Gäste fehlen, um diese Hotels zu füllen.

Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn seit langem schon ist das bekannte Hotel „Kaliningrad“ im Sommer nicht ausgelastet und kann in der Nebensaison nur zur Hälfte belegt werden.

Die Praxis zeigt, daß die Touristen, die nach Königsberg kommen, sich am meisten für die historischen Architekturzeugnisse interessieren. Leider gib es nicht mehr viele davon, und die, die es noch gibt, befinden sich durchweg in schlechtem Zustand.

Erst jetzt hat die Regierung endlich Geld für die Restaurierung einiger Gebäude locker gemacht. Unter den historischen Bauten, die restauriert werden sollen, befinden sich bekannte Objekte wie die Königin-Luise-Kirche (heute Puppentheater), die Kirche der Heiligen Familie (heute die Bezirksphilharmonie) und die ehemalige Stadthalle, in der heute das kunsthistorische Museum untergebracht ist.

Eine Teilrestaurierung des Anfang des 20. Jahrhunderts erbauten berühmten Gebäudes des Konzertsaals der Königsberger Philharmonie fand 2006 statt. Damals wurde ein Riß in einer Wand repariert. Diesmal steht eine schwierigere Arbeit bevor. Türmchen und die Fassade müssen wiederhergestellt werden, aber diese Arbeiten werden erst Anfang 2009 stattfinden. Zunächst wurden im Gebäude der Philharmonie moderne Heizungs- und Lüftungssysteme eingebaut.

Vor kurzem wurde mit der Generalüberholung der Königin-Luise-Kirche begonnen, die über 100 Jahre alt ist. Nach dem Krieg wurde das Kirchengebäude erstmals im Jahre 1976 wiederhergestellt. Danach fanden an dem Gebäude keine ernstzunehmenden Reparaturen mehr statt.

Dabei hat sich in den vergangenen 30 Jahren viel Renovierungsbedarf angesammelt. Die Decke des Gebäudes ist verschimmelt, und an einigen Stellen fehlt der Putz. Die Leitung des heute dort untergebrachten Puppentheaters befürchtet sogar, daß die Decke eines Tages auf die Köpfe der Zuschauer stürzen könnte. Um diese Renovierung erfolgreich abschließen zu können, mußte das Theater mindestens für ein Jahr in ein anderes Gebäude umziehen.

Das dritte Architekturdenkmal, in dem Renovierungsarbeiten begonnen haben, ist die ehemalige Stadthalle. Das Gebäude wurde im Jahre 1912 gebaut. Während des Krieges, im August 1944, wurde es stark beschädigt. Erstmals wurde das Gebäude in den Jahren 1981 bis 1986 renoviert. Die Außenfassade blieb unverändert und im Inneren wurde es zu einem Museum mit einer Ausstellungsfläche von 3500 Quadratmetern umgebaut. Die Eröffnungsfeier fand am 14. September 1991 statt. Bis jetzt ist das Dach des Gebäudes fertiggestellt. Die restlichen Arbeiten sollen bis 2009 andauern.

Zum ersten Mal seit langer Zeit sind Mittel mit dem Ziel, das Königsberger Gebiet weiterzuentwickeln, für die Renovierungs- beziehungsweise Restaurierungsarbeiten zur Verfügung gestellt worden. Mit diesem Geld werden Fassaden, Dächer und Innenräume renoviert. Die meisten Arbeiten werden aus dem Regierungsbudget finanziert, obwohl diese Mittel sehr gering sind. Zur Restaurierung der Königin-Louise-Kirche beispielsweise wurden rund 30 Millionen Rubel (gut 800000 Euro) bereitgestellt. Zum Vergleich: Für die Ausbesserung der Promenade am Obersee wurden 700 Millionen Rubel eingeplant. Ein Teil des Geldes wird in die Errichtung einer Insel investiert, auf der ein 45 Meter langes Riesenrad aufgestellt wird.

Und während dieser Zeit zerfallen langsam Hunderte von Kulturdenkmälern.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren