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31.05.08 / Ein Staat im Staate / Telekom-Manager agierten selbstherrlich – Gilt nur noch das Hausrecht der Konzerne? 

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Ein Staat im Staate
Telekom-Manager agierten selbstherrlich – Gilt nur noch das Hausrecht der Konzerne? 
von Klaus D. Voss

Was ist nur in die deutschen Unternehmen gefahren? Jetzt steht die  Telekom am Pranger, ist in die schmuddeligste Affäre ihrer Firmengeschichte verwickelt. Zu Recht schlagen die Wellen hoch, denn die Ausspähung der Telefonverbindungen zwischen Managern und Journalisten hat einen kaum wieder gutzumachenden Schaden angerichtet – es kommt einem Anschlag auf Freiheitsrechte gleich, einem „Telegate“.

Und das Erschrecken muß noch größer werden, wenn man erkennt, daß System dahinter steckt: Die großen Konzerne entwickeln sich mehr und mehr zu Staaten im Staat, in denen nur noch eigenes Recht gilt. Regierungen, die das gewähren lassen, entmündigen sich selbst.

Man hatte hoffen dürfen, daß wenigstens die alten Postunternehmen genug Staatsverantwortung in die Welt der Aktienkonzerne retten konnten, aber: Die Privatisierung unter dem Zwang der Globalisierung tötet so ziemlich alles ab.

Telekom-Chef René Obermann handelt konsequent, wenn er alles daran setzt, die Telefonspitzel-Affäre aufklären zu lassen. Ganz gleich, welcher seiner Vorgänger die Anordnungen zur Bespitzelung gab, die Verantwortung trifft immer den, der den Hut aufhat. Obermann muß im eigenen Interesse der Telekom versuchen, das Vertrauen ihrer Kunden wiederzugewinnen: Wer will sonst noch der Telekom glauben, bei ihr sei das gute alte Fernmeldegeheimnis noch irgend etwas wert? – eine existentielle Frage für den Kommunikationskonzern.

Aber die Affäre hat noch diesen anderen schwerwiegenden Aspekt – die Telekom beschädigt den Staat. Natürlich hat jedes Unternehmen das Recht, sich gegen den Verrat von Betriebsgeheimnissen zu wehren und zu verhindern, daß mit Insider-Informationen an den Börsen Schindluder getrieben wird. Aber auch ein Konzernchef darf nicht das Recht in die eigene Hand nehmen. Wenn Geschäftsgeheimnisse verraten und vitale Unternehmensziele gefährdet werden, dann müssen die Staatsanwaltschaften eingeschaltet werden: Auf Vergehen dieser Art stehen bis zu drei Jahre Haft. Und die Ermittlungen müssen etwa Spezialisten der Landeskriminalämter übernehmen, nicht angeheuerte Spitzel.

Leider ist die Telekom kein Einzelfall. Handelshäuser wie Lidl und andere, Restaurantketten wie etwa Burger King, die Diebstähle durch Mitarbeiter vermuten, müßten die Polizei einschalten – und nicht selbst engagierte Betriebsspione –, doch Selbstjustiz ging vor.

Gegen den „Global Player“ Siemens wird jetzt in einem ersten Prozeß die Rechnung aufgemacht. Es verdichten sich die Anzeichen, daß der Weltkonzern mit Schmiergeldern seine eigene Handelspolitik gemacht hat, allen internationalen Abkommen zum Trotz.

Wahr ist, daß viele Staaten – und auch die Bundesrepublik – von der Globalisierung der Wirtschaft überfahren worden sind. Sie haben sich die Macht nehmen lassen, die Einhaltung internationaler Regeln zu garantieren. Wie sonst kann man es sich erklären, daß Weltkonzerne lieber Schutzgelder aus schwarzen Kassen zahlen, entführte Mitarbeiter freikaufen und sich letztlich lieber mit Terrorbanden und organisierten Kriminellen arrangieren, statt auf den Schutz durch „ihren“ Staat zu vertrauen?


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