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31.05.08 / Ost-Deutsch (68): Ersatz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Ost-Deutsch (68):
Ersatz
von Wolf Oschlies

Vollwertiger Ersatz, Schadensersatz, Wehrersatzamt, Spieler auf der Ersatzbank etc. – da kommen einige Ableitungen des althochdeutschen Verbs „sezzen“ zusammen. Die aus Nachkriegszeiten noch vage erinnerlichen „Ersatzstoffe“ für alles und jedes sind noch nicht mitgezählt, dabei klingen gerade sie im östlichen „erza(t)z“ oft mit.

Es ist verblüffend, wie Slawen, die zusammengesetzte Wörter nach deutscher Art nicht mögen, beim „erzac“ eine Ausnahme machen: In Kiew wurde Ende März eine „pidpilnij cech z virobnictva erzac-kavi“ ausgehoben: eine illegale Produktionsstätte von Ersatz-Kaffee. Russen und Polen fragen sich manchmal, ob sie nicht einem „erzac-stastie“ oder „ersaz-szczescie“ hinterherjagen, einem Ersatz-Glück. Ukrainer ärgern sich über „erzac-intelekt, erzac-spivi, erzac-mowi“ (Ersatz-Intellekt, -Lieder, -Sprachen), Serben über „crnoberzijanska ersac-roba“ (Schwarzmarkt-Ersatzware). Bulgarische Papierfirmen bieten „pergamin-erzac“ an, Pergamentersatz, Russen spötteln über „erzac-revoljutionnye vremena“, ersatz-revolutinäre Zeiten, und Polen nörgeln: „Kultura masowna, to taka kultura-erzac“ – Massenkultur ist Ersatzkultur. Und was ist russischer „erzac-patriotizm“?

Es geht auch ohne Bindestrich, etwa wenn ein wütender Bulgare findet, „tsche v Bylgarija vsitschko e erzac“ – daß in Bulgarien alles Ersatz ist. „Role ersatzu klasy sredniej miele Zydzi“, schrieb vor Jahren der Warschauer „Wprost“: Die Rolle eines Ersatzes der Mittelklasse hatten die Juden (Ersatz korrekt mit deutschem –tz geschrieben). Eine „rol’ ersaza polititscheskich institutov“ (Rolle des Ersatzes politischer Institute) legten Moskauer Blätter Putin zu. Und „privilegija samo su erzac za pravi problem“, meinte die Belgrader „Vreme“: Privilegien sind nur Ersatz für ein echtes Problem.

Was mir besonders gefällt, sind unfreiwillig komische Wortverwendungen. Da beklagte ein Russe den Niedergang der russischen Sprache im Weltmaßstab und schlug allen Ernstes vor, ein „Pidgin-Russian“ zu schaffen – als „erzacjazyk“ (Ersatzsprache). Und bulgarische Waffennarren fragen, wo sie für uralte Schießprügel „erzac-stiki“ herbekommen, Ersatzstücke.

Im Normalfall bedeutet „stik“ im Bulgarischen Bajonett, was mit deutsch „Stück“ verwandt ist. Fragt mich nur nicht, wie!


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