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31.05.08 / Gewalt neu entdeckt / Vermummte Rechtsextremisten ähneln linken Autonomen immer mehr

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Gewalt neu entdeckt
Vermummte Rechtsextremisten ähneln linken Autonomen immer mehr
von Patrick O’Brian

Die Krawalle in Hamburg am 1. Mai kamen nicht überraschend. Die linksradikale Szene aus Berlin ist an die Elbe gereist und hat sich mit der „Hafenstraße“ verbündet, um Krawall zu machen.

Was die Polizei jedoch überrascht hat, war der gewalttätige Auftritt der Rechtsextremisten. Die Zahl der militanten Neonazis ist etwa doppelt so hoch wie bisher geglaubt. Die Polizei spricht von 400 Personen, die äußerst gewaltbereit seien.

Bisher liefen Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsaußen immer so ab: Die Rechtsradikalen halten sich an alle Auflagen von Polizei und Gerichten. Das bedeutete geänderte Demonstrationsstrecken, manchmal auch Verzicht auf Abschlußkundgebung und vor allem: kein Zeigen von verfassungswidrigen Symbolen, was oft sogar zur Folge hatte, daß die Springerstiefel gegen Turnschuhe gewechselt werden mußten.

Für Linksextremisten gelten solche Regeln nicht, oder sie setzten sich darüber regelmäßig hinweg (Beispiel Vermummungsverbot). Und oft ging die Gewalt auf solchen Demonstrationen von ihnen aus. Bei den politisch motivierten Gewalttaten gegen den jeweiligen Gegner sind die Linken aktiver: Im unlängst vorgestellten Verfassungsschutzbericht sind 294 Gewalttaten von Rechten gegen Linke aufgezählt und 389 von Linken gegen Rechte. Meistens handelt es sich dabei um Fälle von Körperverletzung.

In Hamburg aber eskalierte die Situation. Offenbar hat sich auch bei den Rechtsextremisten eine Auf-sie-mit-Gebrüll-Stimmung breitgemacht. So kam es im Stadtteil Barmbek zu Übergriffen, bei denen die Linken die Flucht ergreifen mußten. Ein Polizeisprecher seufzte hinterher: „Wenn wir da nicht dazwischengegangen wären, dann hätte es Tote gegeben.“

Es gibt offenbar eine neue Qualität der Straßengewalt. Der Einfluß der NPD, die um ein „bürgerliches“ Erscheinungsbild bemüht ist, auf die sogenannte Kameradschaftsszene schwindet. Die Rechtsextremisten, die sich als „freie Kräfte“ definieren, verfolgen ihre eigenen Ziele, und die bestehen in der Ausübung von Gewalt.

Sie nennen sich „Autonome Nationalisten“ oder „Schwarzer Block“ und stehen dem gleichnamigen „Schwarzen Block“ der Linken in nichts nach. Diese neue Szene orientiert sich eindeutig an der Autonomen Szene, die an schwarzen Klamotten und an Palästinensertüchern zu erkennen ist. Inzwischen haben auch die Rechtsradikalen diese „Kampfmontur“ für sich entdeckt, was nicht zuletzt an ihrer Israel-feindlichen Einstellung liegen dürfte.

Hier verschwimmen also nicht nur ideologische Frontlinien, sondern auch äußerliche Erkennungsmerkmale. Und zwar so sehr, daß die Gruppen kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. Selten wurde so gut vorgeführt, daß sich die Extreme berühren. Auch die Rechtsextremisten orientieren sich jetzt an den Palästinensern. Sie trugen in Hamburg sogar ein Transparent mit sich, auf dem stand: „Deutsche Intifada“.

Nicht nur gegen Linke gingen die Rechten vor. Sie prügelten auch auf einige Journalisten ein. Die dürften sich nicht wundern, wenn es „knüppelhageldick zurückkommt“, heißt es höhnisch auf der rechtsradikalen Internetseite www.Altermedia.de.

Diese Seite zitiert auch den Hamburger Neonazi-Führer Christian Worch. Der sei von einem Journalisten am 1. Mai befragt worden, warum er sich nicht schützend vor dieselben gestellt hat. Er habe geantwortet: „Sie werden für dieses Risiko ja schließlich gut bezahlt.“

Die Stimmung ist innerhalb der Szene geteilt. Viele werden klammheimliche Freude empfinden, daß sie jetzt auch einmal „ausgeteilt“ haben. Aber einige sind unglücklich mit der Eskalation der Gewalt. Eine Person aus dem Hamburger Neonazi-Umfeld ist sauer. „Wir haben jetzt die Scherben“, klagt sie.

Nach den Mai-Krawallen gab es mehrere Anschläge auf bekannte Rechtsextremisten in der Stadt, den bekannten Rechtsanwalt dieser Szene, Jürgen Rieger, zum Beispiel. Zwar handelte es sich bislang nur um Fälle von Sachbeschädigung, aber die Stimmung ist gereizt. Bekannte Rechtsextremisten erwarten weitere Rache-akte der Linken.


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