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31.05.08 / Fröhlich in die Wirtschaftskrise / Kroatien: Auslandsschulden und mangelnder Reformwille gefährden EU-Beitritt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Fröhlich in die Wirtschaftskrise
Kroatien: Auslandsschulden und mangelnder Reformwille gefährden EU-Beitritt
von Wolf Oschlies

Stets im Frühling frönen die Kroaten ihrer Neigung zum Selbstbetrug. Die touristische Saison beginnt, zwölf Millionen Urlauber werden erwartet. Die Regierung legte Ende Mai ein Programm zur Privatisierung von vier Großwerften auf, das Geld in die Kassen bringen und Arbeitsplätze erhalten wird. Seit Anfang April hat Kroatien die Einladung der Nato zur Mitgliedschaft und in einem Jahr will es EU-Mitglied sein. Und ähnlich gute Nachrichten mehr, die alle zwei Fehler haben: Sie sind bestenfalls Halbwahrheiten, und sie verbergen eine Wirtschaftsentwicklung, die tief in die Krise führt.

Im Februar 2003 stellte Kroatien einen Aufnahmeantrag in die EU, im Oktober 2005 begannen die Beitrittsverhandlungen, die seit Monaten stagnieren. Vergebens mahnt Brüssel die Harmonisierung von über 60 Gesetzen an, Zagreb rührt sich nicht. Von insgesamt 33 Kapiteln der Beitrittsgespräche sind ganze zwei abgehakt, bis Juni müssen fünf weitere wenigstens begonnen sein, darunter so wichtige wie Justiz und Subventionen, was schon zeitlich unmöglich ist. Sollte Kroatien durch eigene Saumseligkeit bei Reformen nie in die EU gelangen, werden das 65 Prozent aller Kroaten gutheißen, wie jüngste Umfragen belegen. Die EU sieht in Kroatien „keinen politischen Willen“ und eine „höchst inkompetente Staatsverwaltung“ als größte Barrieren des EU-Beitritts.

Die EU will wissen, was aus ihren Millionenhilfen für Kroatien konkret geworden ist. Sie sind irgendwo im kroatischen Korruptionssumpf verschwunden, denn dieses Land ist nach dem Urteil des Europarates vom April „ein wahres Paradies für alle Arten von Manipulation mit illegal erworbenen Finanzmitteln“ – „korrupte Verwaltungschefs, Manager und Direktoren von Staatsbetrieben“ veruntreuen Riesensummen, die sie per Geldwäsche auf eigene Konten leiten, und müssen dabei keine Angst vor inexistenten Gesetzen oder inaktiven Strafverfolgern haben.

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich Kroatien als Wirtschaftsruine. Ende 2007 war das Land mit 32,61 Milliarden Euro im Ausland verschuldet, Ende Januar 2008 waren es bereits 33,9 Milliarden – mit steigender Tendenz. Die Inlandsverschuldung des Staates beträgt monatlich 430 Millionen Euro, womit Altschulden beglichen und unumgängliche Investitionen, etwa in der maroden Elektrowirtschaft, getätigt werden.

Das alles wäre beherrschbar, hätte Kroatien einen profitablen Außenhandel. Tatsächlich steht es vor einem wachsenden Defizit. Von Januar bis Februar 2008 hat es für umgerechnet 2,13 Milliarden US-Dollar exportiert, aber für 4,63 Milliarden importiert, ein Minus von 2,5 Milliarden Dollar. 2007 betrug die kroatische Export-Import-Deckung noch 47,9 Prozent, derzeit sind es 46 Prozent – mit fallender Tendenz. Dieses Defizit ist größtenteils hausgemacht, denn die kroatische Nationalwährung Kuna ist seit ihrer Einführung im Mai 1994 um mindestens 20 Prozent überbewertet, was Exporte „bestraft“ und Importe „belohnt“.

Den Kroaten gefällt das noch: Importwaren sind billig, Kredite auch – mit etwas Schuldenmachen kann man sich viele schöne Dinge leisten. Wie lange noch? Inflation ist kein Fremdwort in Kroatien, wie die Regierung stets behauptet, vielmehr hat es sie immer gegeben, und angesichts der gegenwärtig enorm steigenden Ölpreise wird sie sich im Jahresverlauf schmerzhaft akkumulieren. Hinzu kommt eine strukturelle Unproduktivität, da die öffentliche Verwaltung 51 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlingt, der Schuldendienst für die Auslandsverschuldung weitere 32 Prozent.

Ein kroatisches Durchschnittseinkommen liegt gegenwärtig bei umgerechnet 680 Euro im Monat, was weniger als 2007 ist und angesichts steigender Preise Angst macht. Zudem beziehen nur Beschäftigte dieses Einkommen, Arbeitslose nicht. Um diese wird seit Jahren der größte Selbstbetrug betrieben. Allgemein ist bekannt, daß in Kroatien 500000 bis 600000 Menschen ohne Arbeit sind, aber bislang fürchteten sich alle Regierungen, die „psychologische Grenze“ von 300000 Arbeitslosen zu übersteigen.

Kroatien, klagt man in Brüssel, betrachtet den EU-Beitritt als rein technisches Problem, zu dem es selber kaum etwas beizutragen hat. Premier Ivo Sanader beklagt sich, Kroatien habe „schwerere Verhandlungen als andere Länder“. Tatsache ist jedoch, daß das Land zu wenig Reformbereitschaft zeigt – und zu viele EU-Flaggen an seinen öffentlichen Gebäuden.


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