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31.05.08 / Letzte Chance für den Libanon / Wenn auch erst im 20. Wahlgang, so hat das Land doch jetzt endlich einen neuen Präsidenten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Letzte Chance für den Libanon
Wenn auch erst im 20. Wahlgang, so hat das Land doch jetzt endlich einen neuen Präsidenten
von R. G. Kerschhofer

Am Mittwoch voriger Woche kam es in Doha – unter der Ägide des Emirs von Katar und der Arabischen Liga – zu einer Einigung unter den libanesischen Parteien. Die Staatskrise, die in einen neuen Bürgerkrieg auszuarten drohte, ist damit entschärft. Wenigstens vorläufig, denn jede Eskalation im Nahen Osten, vor allem eine Militäraktion gegen Syrien oder den Iran, kann auch den Libanon wieder zum Schlachtfeld machen.

Unmittelbar nach der Einigung beendete die prosyrische Opposition ihre seit Herbst 2006 vor dem Regierungssitz in Beirut abgehaltene Dauerdemonstration und brach das dort errichtete Zeltlager ab. Am Sonntag endete auch die im Herbst 2007 ausgebrochene „präsidentenlose Zeit“: Der längst als Kompromißkandidat feststehende Armee-Chef Michel Suleiman wurde vom Parlament zum Staatsoberhaupt gewählt und vereidigt. Anwesend waren zahlreiche arabische Politiker, der türkische Premier Erdogan, der iranische Außenminister, eine Gruppe amerikanischer Abgeordneter, der Schatten-Außenminister der EU Javier Solana und der französische Außenminister Kouchner – der auch gleich die Lorbeeren für Paris reklamierte.

Das Doha-Abkommen umfaßt die Neuverteilung der Regierungsmacht, ein neues Wahlrecht und die Neuauflage des „Dialogs“ über die Milizen. Das bisher oppositionelle Parteienbündnis – die schiitische Hisbollah von Hassan Nasrallah, die schiitische Amal des Parlamentspräsidenten Nabih Berri und die „Freie patriotische Bewegung“ des maronitischen Christen Michel Aun – stellt nun elf von 30 Regierungsmitgliedern und erhält ein Veto-Recht. Die bisherigen Regierungsparteien stellen 16 Regierungsmitglieder, und drei weitere nominiert der Staatspräsident.

Das Wahlrecht soll künftig den deutlich unterrepräsentierten Schiiten mehr Chancen geben. Schließlich kann man die Schiiten, die heute die größte Bevölkerungsgruppe sind, nicht auf Dauer für den Geburtenrückgang bei den meist auch materiell bessergestellten Christen und Sunniten bestrafen – die obendrein viel stärker dazu neigen, in Krisenzeiten auszuwandern.

Der „Dialog“ über die Milizen ist nicht gleichzusetzen mit deren Entwaffnung. Bedeutsam ist dies vor allem für das von arabischen Optimisten ebenso wie von westlichen und israelischen Zweck-pessimisten möglicherweise überschätzte Raketenarsenal der Hisbollah. Was der vereinbarte Gewaltverzicht bei innenpolitischen Differenzen in der Praxis bedeutet, wird wesentlich von der Weltpolitik abhängen und natürlich vom politischen Geschick des neuen Präsidenten, der in der jüngsten Krise immerhin Augenmaß bewiesen hat.

Das Doha-Abkommen ist eine klare Niederlage für Ministerpräsident Siniora und für alle, die ihn unterstützten – die USA, Israel und am Gängelband wie üblich auch die EU sowie US-hörige arabische Potentaten. Wieso aber kam die Libanon-Lösung mit Zustimmung aller Araber zustande, auch der Saudi-Arabiens?

Hinter Floskeln wie „Sieg der Vernunft“ läßt sich nur schwer verbergen, daß der US-Präsident bei seiner letzten Nahost-Reise den Anstoß gab, namentlich mit den zwei großen Reden, die von etlichen Satelliten-Kanälen übertragen wurden: Vor der Knesseth gab sich Bush so liebedienerisch einseitig, daß dies selbst den Israelis sichtlich peinlich war, und vor dem Weltwirtschaftsforum in Ägypten übte er massive Kritik an arabischen Regierungen und empfahl ausgerechnet Afghanistan, den Irak und die Türkei als Vorbilder.

Das Echo war so einhellig negativ, daß jeder arabische Machthaber, der sich weiterhin offen proamerikanisch gibt, einen Aufstand riskiert. Bushs Auftritt war auch mitentscheidend dafür, daß bei den kuwaitischen Wahlen vom 18. Mai die Islamisten 21 von 50 Sitzen erringen konnten – und dieses Resultat ist ein weiteres Warnsignal für den saudischen König, den ägyptischen Präsidenten und andere.

Daß der israelische Ministerpräsident zeitgleich mit der Doha-Einigung Friedensgespräche mit Syrien bestätigte, paßt auch nicht ins Kalkül der Bush-Regierung, wird aber in Israel ohnehin nur als Ablenkungs-Manöver vom Korruptions-Verfahren gegen Olmert gesehen. Syrien läßt verlauten, man verhandle nicht über die Bedingungen, sondern nur über den Zeitplan des israelischen Rückzugs von den völkerrechtswidrig annektierten Golan-Höhen.

Eine risikolose Ansage, denn nach Olmerts absehbarem Ende kommen Netanyahu und Konsorten, und die lehnen jeden Rück-zug aus den besetzten Gebieten ab.

Foto: Ein Neuanfang? Noch vor zwei Wochen sah es im Libanon ganz nach Bürgerkrieg aus, doch nun wird die Wahl des neuen Präsidenten Michel Suleiman gefeiert.


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