© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

Nicht nur Worte
Großer Bär liebt kleine Venus
von Gabriele Lins

Seit mindestens einem Vierteljahr klebt es groß und breit und weithin sichtbar an einer Autobahnbrücke, das Schild mit den zärtlichen Worten: „Großer Bär liebt kleine Venus“, und jedes Mal muß ich wieder darüber lächeln. Ob die kleine Venus das auch jeden Tag liest? Oder hat sie nicht längst einen dicken kleinen Frosch zum Freund, und die kurzen Liebesworte des großen Bären lassen sie kalt? Ob sie jemals darauf geantwortet hat mit einem kleinen himmelblauen Briefchen oder kurz und schmerzlos im Internet?

Heute fuhren wir wieder einmal unter der Autobahnbrücke durch, es ist der nächste Weg zu unserem Supermarkt, und was sahen unsere erstaunten Augen? Das rote Liebesschild war mit einem kurzen schwarzen, aber prägnanten Satz übersprüht: „Ausländer raus!“

Da dreht sich einem das Herz um! Am nächsten Tag waren diese häßlichen Worte schon wieder überschmiert, und in violetter Farbe brüllte es einem entgegen: „Kemal, zieh Leine, sonst mach wir dich Beine!“ Mein Mann und ich schüttelten die Köpfe. Was waren das nur für Menschen! Und mit der Rechtschreibung hatten es diese Rabauken auch nicht so.

Aber nun mischte sich die Natur selber ein. Mit wochenlangem Regen verwischte sie die böse Schrift und machte daraus ein graues Gemisch, das in unansehnlichen Farbtränen am Papier herunter lief, und das war gut so.

Nach ein paar Wochen wollten wir wieder einmal zu „unserem Markt“. Schon von weitem leuchtete uns auf knalligem Gelb in großen ungelenken Druckbuchstaben eine hoffnungsgrüne Schrift entgegen: „Aisha liebt Michael!“

Irgendwann trieb mich die Neugierde, auf mein Rad zu steigen und in Richtung Brücke zu fahren. Damit der Weg nicht ganz umsonst war, würde ich ein paar Äpfel kaufen; die konnte man immer gebrauchen.

Liebte die kleine Aisha ihren Michael immer noch? Und ob! In Sichtweite der Brücke stieg ich vom Rad und erfuhr, daß die Liebe bisher gehalten hatte. Und wie, denn darunter war in etwas größerer steiler Handschrift zu lesen: „Micha liebt Aisha!“ Und das riesige rote, etwas eingedellte Herz daneben bezeugte diese Worte. Na also, alles war in Ordnung. Beruhigt kaufte ich meine Äpfel. Und für meinen Mann legte ich noch eine Schachtel Nougat-Pralinen in den Einkaufswagen, denn für Nougat schwärmt er nun mal.

Tja, Liebe steckt bekanntlich an.