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31.05.08 / »Künstliche Niere« kann nicht alles / Bluttest identifiziert infarktgefährdete Dialysepatienten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-08 vom 31. Mai 2008

»Künstliche Niere« kann nicht alles
Bluttest identifiziert infarktgefährdete Dialysepatienten

Von den rund 80000 chronisch nierenkranken Menschen in Deutschland überleben 60000 nur deshalb, weil „künstliche Nieren“ in regelmäßigen aber belastenden Behandlungen giftige Abfallprodukte des Stoffwechsels aus ihrem Blut filtern. Die „künstliche Niere“, die Hämodialyse, wirkt zwar lebensrettend und lebenserhaltend, sie kann aber ihrem Namen nicht wirklich gerecht werden. Denn die Niere ist nicht nur ein Organ zur Ausscheidung von Wasser und Stoffwechselabfällen, sie ist auch an der Bildung wichtiger Hormone wie Vita-

min D beteiligt und an der Regulation des Blutdrucks. Wichtige Zusatzaufgaben also, welche die Blutreinigungsverfahren nicht übernehmen.

Viele Dialysepatienten sind aufgrund eines zuvor über Jahre unbemerkt gebliebenen Bluthochdruckes behandlungsbedürftig geworden. Und bei rund einem Viertel der Betroffenen wurden die Nierenschäden durch einen Diabetes verursacht, der so ganz nebenbei auch Blutgefäße und das Herz schädigt. Kein Wunder also, daß sich gerade unter den ohnehin schon durch das Organversagen geplagten Nierenpatienten auch viele finden, die an zusätzlichen Gefäß- und Herzkrankheiten leiden und die damit ein deutlich erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall haben.

Die gute Nachricht: Dialysepatienten mit einem erhöhten Infarktrisiko lassen sich nach Untersuchungen von Wissenschaftlern um Prof. Berthold Hocher vom Zentrum für Herzgefäß-Forschung an der Berliner Charité relativ einfach mit einem Bluttest ermitteln. Ein den Infarkt verursachender Gefäßverschluß entsteht dann, wenn Ablagerungen in verkalkten Arterien aufgrund einer Entzündung aufreißen und sich ein Blutgerinnsel bildet.

An diesen komplexen Vorgängen ist – das haben Forscher in Tierexperimenten herausgefunden – ein Molekül mit der Bezeichnung CD 154 beteiligt. Hocher: „Dieses Protein gibt darüber Auskunft, ob sich im Körper eine Entzündung gebildet hat, die dann einen Gefäßverschluß hervorruft“.

Je höher die Konzentration von CD 154 im Blut von Patienten sei, desto wahrscheinlicher könnten sich im Herz oder im Hirn Gefäßverschlüsse bilden.

Über fünf Jahre hatten die Berliner Wissenschaftler eine Gruppe von Dialysepatienten beobachtet, die zu Studienbeginn keinerlei Herzprobleme hatten. Regelmäßig wurden neben den bekannten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen die CD- 154-Konzentrationen im Blut gemessen. Bei fast allen Teilnehmern, die im Verlauf der fünfjährigen Untersuchung einen Gefäßverschluß erlitten, war bereits zu Beginn der Studie ein erhöhter Wert des Markers festgestellt worden.

Hocher versichert: „Bei Dialysepatienten sind die Daten eindeutig und können als Grundlage für die Identifizierung von Risikopatienten nützlich sein.“

Das heißt: Ein einfacher Bluttest kann das Risiko eines Infarktes oder Schlaganfalles dadurch mindern, daß Ärzte frühzeitig Empfehlungen zur Veränderung der Lebensgewohnheiten, durch Verschreibung anderer Medikamente und durch engmaschigere Untersuchungen geben können.

„Wichtig wäre es aber auch, bei anderen Patientengruppen mit hohem Risiko für Herzkreislauferkrankungen zu zeigen, daß CD 154 hier eine ähnliche Bedeutung hat“, umreißt Hocher weitere Forschungsvorhaben.

Risikopatienten sind Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, aber auch solche, die unter Dauerstreß leiden. Denn auch psychische Überbeanspruchung wirkt sich schädlich auf die Gefäße aus. Gelänge es, mittels eines Bluttestes aus dem Heer der Risikopatienten diejenigen herauszufischen, die ein hohes Infarktrisiko haben, könnten Leid und Kosten in ungeahnten Dimensionen vermieden werden.  ddp


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