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07.06.08 / Gewalt an der Wahlurne / Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Mazedonien wurden von Ausschreitungen überschattet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-08 vom 07. Juni 2008

Gewalt an der Wahlurne
Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Mazedonien wurden von Ausschreitungen überschattet
von Wolf Oschlies

Ein Toter, zahlreiche Verletzte und ein strahlender Sieger, das ist die Bilanz der Neuwahl in Mazedonien vom vergangenen Sonntag.

Die sechsten Parlamentswahlen in dem Land – mit zwei Millionen Einwohnern der kleinste Nachfolgestaat Ex-Jugoslawiens – waren erstmalig vorgezogene Neuwahlen, provoziert durch zwei außenpolitische Rück-schläge im April: Auf dem Bukarester Nato-Gipfel bekam Mazedonien keine Einladung zur Mitgliedschaft, und die Regierung vergrätzte die mazedonischen Albaner – ein Viertel der Gesamtbevölkerung – mit ihrer Weigerung, ein unabhängiges Kosovo anzuerkennen.

In Wahrheit handelte es sich bei den Rückschlägen um zwei schmutzige Erpressungen, die der amtierenden Regierung der nationalliberalen „Demokratischen Partei der nationalen Einheit Mazedoniens“ (DPMNE) unter Nikola Gruevski einen großen „Bonus“ bei den Wählern einbrachten: Das Fiasko von Bukarest ist auf den Widerstand Griechenlands zurückzuführen, das dem kleinen nördlichen Nachbarn mit allen Mitteln und Tricks den Namen „Mazedonien“ verbieten will. Und das Kosovo-Debakel wurde von dem Koalitionspartner „Demokratische Partei der Albaner“ (DPA) ultimativ provoziert: Parteichef ist Menduh Thaci, ein Verwandter des Ex-„Kommandanten“ der UCK und derzeitigen Kosovo-Premiers Hashim Thaci.

Die Mazedonier kennen die Kosovaren und deren jahrelanges Gezerre um die angeblich nicht markierte gemeinsame Grenze. Sie denken nicht daran, sich mit der Anerkennung des Kosovo zu beeilen, wenn sogar zehn EU-Mitglieder diesen „Staat“ nicht anerkennen.

Seit dem Machtantritt 2006 von Premier Gruevski hat Mazedonien ein Wirtschaftswachstum von vier bis fünf Prozent erreicht, das sich 2008 den sechs Prozent nähern dürfte.

Niemand in Mazedonien zweifelte an dem Sieg von Gruevski und seiner DPMNE (samt zwei Dutzend Partnern). Die Frage war nur, wie hoch er ausfallen würde. Gruevski peilte 61 Sitze (von insgesamt 120) im „Sobranie“ (Parlament) an, um künftig gegen albanische Erpressungen „immun“ zu sein. Die oppositionellen Sozialdemokraten (SDSM samt einigen Partnern in der „Sonne: Koalition für Europa“) unter der charmanten Radmila Sekerinska, früher Ministerin für EU-Integration, hofften auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ali Ahmeti, früher UCK-Kommandant und seit einigen Jahren Führer der „Demokratischen Union für Integration“ (BDI), der größten Albaner-Partei in Mazedonien, erklärte vorab jedes Wahlergebnis für inkorrekt, das seine Partei nicht als „Sieger“ und Regierungsteilhaber auswiese.

2006 nahm Gruevski Thacis DPA in die Regierung, die die jüngste Krise provozierte. Würde der Premier nicht die absolute Mehrheit von 61 Sitzen erreichen, hätte er gewissermaßen die Wahl zwischen der Pest Ahmeti und der Cholera Thaci. Deren (unerfüllbare) Forderungen sind ohnehin identisch: Ethnische „Föderalisierung“ Mazedoniens, also dessen Zerschlagung, Anerkennung der albanischen Minderheit als „zweites Staatsvolk“, Renten für die albanischen „Kämpfer“, die 2001 mit UCK-Unterstützung eine Aggression gegen Mazedonien verübten.

Der nur kurze Wahlkampf war erschreckend langweilig und uninspiriert – dem Premier wegen seiner Ablehnung griechischer Zumutungen „Isolationismus“ vorzuwerfen, war albern. Häufig wurde der Wahlkampf unterbrochen durch Schießereien und Bombenattentate, die fast ausnahmslos in den kompakt albanisch besiedelten Regionen West-Mazedoniens stattfanden. Das albanische Elektorat ist in fünf, das mazedonische in 14 Parteien aufgesplittert, was erheblich weniger als 2006 ist. Die knapp 1,8 Millionen Wähler Mazedoniens stehen einander als mazedonischer und albanischer „Block“ feindlich gegenüber. Jeder „Block“ ist innerlich weiter gespalten, wobei die Auseinandersetzungen bei Mazedoniern verbal, bei Albanern gewalttätig ausfallen.

„Cair“, das größte Stadtviertel Skopjes und vorwiegend Wohnsitz von Albanern, Türken und Roma, war am Wahltag in rote Fahnen mit schwarzem Doppeladler getaucht. Das ist die Staatsflagge Albaniens, die die DPA als Parteiflagge gewählt hat. Nach mazedonischen Gesetzen ist das illegal, aber mittlerweile lassen die Mazedonier ihre albanischen Mitbürger mit solchen Kindereien gewähren: Wir haben mit denen schon jedes denkbare Übel erlebt, geben ihnen aber alle Rechte und Privilegien, die die Internationale Gemeinschaft von uns im „Rahmenabkommen von Ohrid“ (2001) forderte und amüsieren uns über ihre „Kämpfer“-Attitüden, lautet die allgemeine mazedonische Einstellung.

Das albanische Verhalten am Wahlsonntag war weniger harmlos-infantil: Feuergefechte mit der Polizei, Diebstahl von Wahlurnen durch bewaffnete Gruppen, „Auffüllen“ von Urnen mit gezinkten Stimmzetteln etc. In zwei Prozent aller Wahllokale war es zu „Zwischenfällen“ gekommen, Und die „Tatorte“ lagen fast alle in Albanergebieten.

Die Wahlbeteiligung pendelte sich bei knapp 59 Prozent ein – respektabel für ein Balkanland. Und Gruevskis Partei erhielt gut die Hälfte der Stimmen, so daß sie zusammen mit ein oder zwei nahestehenden Koalitionspartnern über eine komfortable Regierungsmehrheit verfügt.

Foto: Wahlsieger Nicola Gruevski: Die albanische Minderheit macht ihm schwer zu schaffen.


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