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07.06.08 / Schiefe Nasen, dicker Bauch / Viele Deutsche finden sich unattraktiv und unterziehen sich einer sogenannten Schönheits-OP

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-08 vom 07. Juni 2008

Schiefe Nasen, dicker Bauch
Viele Deutsche finden sich unattraktiv und unterziehen sich einer sogenannten Schönheits-OP
von Haiko Prengel

Gesicht verunstaltet, häßliche Narben, Schmerzen – schlimm, was manche Patienten nach einer sogenannten Schönheitsoperation berichten. Die Zeitschrift „test“ der Stiftung Warentest befragte jüngst 558 Männer und Frauen, die sich einem solchen Eingriff unterzogen hatten. Bei rund 40 Prozent entsprach das ästhetische Ergebnis vollkommen den eigenen Vorstellungen. Aber es gab auch solche, die nach eigenem Befinden „jetzt schrecklich“ aussehen und ihre Entscheidung bereuen. Freilich stoßen solche Umfragen bei der verantwortlichen Ärzteschaft auf keine große Begeisterung.

Nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) krankt die Befragung vor allem an einem entscheidenden Faktor: Die Qualifikation des Arztes sei nicht berücksichtigt worden, beklagt DGPRÄC-Präsident Professor Günter Germann. Die aber beeinflußt maßgeblich die Erfolgsaussichten eines ästhetisch-chirurgischen Eingriffs. Da sind auf der einen Seite die Fachärzte, die sich auf Korrekturen wie Liften oder Brustverkleinerungen spezialisiert haben und regelmäßig Fortbildungen besuchen. Aufwendige Operationen finden in Kliniken statt, unter anderem in Anwesenheit eines Anästhesisten, um auf mögliche Komplikationen umgehend reagieren zu können. Aber es gebe wie in jeder anderen Branche auch „schwarze Schafe“, sagt Germann. Zum Beispiel Orthopäden, die in eigener Praxis behelfsmäßig und ohne jede Zusatzqualifikation „Fett absaugen“.

Mit den Qualifikationsstandards in der Medizin ist es nämlich ein wenig paradox. Der Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie darf nach seiner Spezialisierung kaum noch etwas außerhalb seines Metiers behandeln. Ein Kollege ohne diese Ausbildung kann dagegen so viel liften und absaugen, wie er lustig ist – und sich sogar Schönheitschirurg nennen. Denn der Begriff ist laut Germann in Deutschland nicht geschützt.

Wie also findet man einen kompetenten Mediziner, dem man seine zu klein geratenen Brüste oder schlaffen Augenlider anvertrauen kann?

„Zunächst einmal reicht der Titel Dr. med. als Qualitätskriterium nicht aus“, sagt Marita Eisenmann-Klein, Generalsekretärin der Internationalen Vereinigung Plastisch Rekonstruktiver und Ästhetischer Chirurgen (IPRAS). Wichtige Voraussetzungen seien auch: Weiterbildung zum Facharzt und regelmäßige Fortbildungen. Auch sollte man besser nicht auf Annoncen aus dem Anzeigenblatt vertrauen, sondern sich einen Spezialisten vom Hausarzt oder Gynäkologen empfehlen lassen. Dann ist die Chance groß, daß der Mediziner viele Operationen durchgeführt hat und beurteilen kann, ob ein Eingriff Sinn macht oder nicht. Und ob er vertretbar ist. Das aber unterliegt immer auch subjektiven Kriterien. Es ist grundsätzlich fraglich, ob ein Mensch sich unters Messer legen sollte, wenn er kerngesund und unversehrt ist. Aber ist er tatsächlich gesund, wenn ihm zwar körperlich nichts fehlt, er aber psychisch massiv unter seiner krummen Nase leidet und keinen Partner findet? Sollte ein Arzt einer Patientin, der wegen ihrer großen Brüste permanent der Rücken schmerzt, eine Brustverkleinerung verwehren, wenn er sicher ist, daß es ihr nach dem Eingriff besser geht?

Er sehe immer wieder Patienten, die nach einer solchen Operation ein „ganz neues Lebensgefühl“ zeigten, sagt Germann. Aber es gebe auch solche, die einem „zwanghaften Schönheitsideal“ nachliefen und um jeden Preis aussehen wollten wie die Mode-Ikonen aus der Werbung. „Da muß man dann auch die Größe haben und sagen: Nein, da bin ich für Sie nicht der richtige Arzt“, betont er. Diesbezüglich aber hätten Ärzte sehr unterschiedliche „Hemmschwellen“, fügt Eisenmann-Klein hinzu, die in Regensburg eine Klinik für Plastische und Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungs-Chirurgie leitet. Immerhin hielten sich die meisten ihrer deutschen Kollegen wenigstens bei der Behandlung von Minderjährigen zurück. Denn junge Patienten bedürfen eines ganz besonderen Schutzes. Sie haben noch nicht das Selbstbewußtsein eines reifen Erwachsenen, um über vermeintliche körperliche Schwachstellen auch hinwegsehen zu können. Über die Medien bekommen sie die Schönsten der Schönen vor Augen gehalten. Den Druck, diesem Ideal zu entsprechen, empfinden viele Heranwachsende als enorm, gerade in Deutschland.

„Nirgendwo auf der Welt ist es so wichtig, wie man aussieht“, sagt Eisenmann-Klein. Selbst in den publicity-orientierten USA werde man innerhalb der Familie noch so genommen, wie man ist – mit allen Ecken und Kanten. Hierzulande dagegen würden Patienten nicht selten vom eigenen Partner zum Schönheitschirurgen geschickt – mit der dringenden Bitte um eine Korrektur der Nase.

Schönheitsoperationen sind also nicht nur eine Sache medizinischer Verantwortung, sondern immer auch der ethischen Maßstäbe einer Gesellschaft. Um dem Trend zur Oberflächlichkeit entgegenzuwirken, hat die Bundesärztekammer 2004 die sogenannte „Koalition gegen den Schönheitswahn“ ins Leben gerufen, der sich neben Medizinern wie Eisenmann-Klein auch Politiker und Kirchenvertreter angeschlossen haben. Die Aufklärungskampagne hebt ausdrück-lich den Wert jedes einzelnen Menschen hervor, unabhängig von vermeintlichen Makeln oder Problemzonen.

Foto: Vorsichtsmaßnahme: Bei großen Operationen sind Anästhesisten dabei.


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