24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.06.08 / Klaus Gysi, der rote Bourgeois / Auch den Vater des letzten SED-Chefs betraute die Partei gern mit heiklen Missionen, die er eloquent meisterte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

Klaus Gysi, der rote Bourgeois
Auch den Vater des letzten SED-Chefs betraute die Partei gern mit heiklen Missionen, die er eloquent meisterte
von Hans Heckel

Den politischen Neuaufstieg seines Sohnes Gregor konnte der 1912 in Berlin geborene Klaus Gysi noch miterleben. Der ehemalige DDR-Kulturminister wurde selbst noch Mitglied der SED-Folgepartei PDS und starb im März 1999.

Gysi senior entstammt einer jüdischen Familie, der Vater war Arzt, die Mutter Buchhändlerin. Er trat 1928 dem „Kommunistischen Jugendverband Deutschland“ (KJD) und 1931 der KPD bei. Im selben Jahr wurde er mit Beginn seines Studiums der Volkswirtschaft auch Mitglied der „Roten Studentenbewegung“. 1935 schmiß ihn die Berliner Universität hinaus, er studierte zunächst in Cambridge weiter und ging 1939 zur Exil-Studentenleitung der KPD nach Paris. Dort wurde er als Deutscher noch im selben Jahr wegen des Kriegsausbruchs interniert.

Auf Befehl der KPD kehrte er nach dem deutschen Einmarsch in Paris 1940 mit seiner Frau Irene (geb. Lessing) nach Berlin zurück. Dort war Klaus Gysi für den Verlag Hoppenstedt & Co. tätig und im Untergrund für die KPD aktiv.

1945 wurde er Chefredakteur der Zeitschrift „Aufbau“ und wirkte von Anfang an beim „Kulturbund“ mit, in dem er es später bis zum Mitglied des Präsidiums brachte. Gysi wurde 1949 Mitglied der ersten „Volkskammer“, der er mit Unterbrechungen bis März 1990 angehörte.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere fungierte Klaus Gysi 1966 bis 1973 als DDR-Kulturminister, dann schickte ihn Ost-Berlin bis 1978 als Botschafter nach Italien, Malta und zum Vatikan.

Von 1979 bis zu seiner Pensionierung 1988 war er Staatssekretär für Kirchenfragen. In dieser Position stand er an der Schnittstelle zwischen der SED und dem letzten Refugium für ein relativ sozialismusfernes Leben: den Kirchen. 1979 schmiedete er ein Übereinkommen, das der Kirche gewisse Freiräume ließ, gegen politisches Wohlverhalten. An diesem Modus vivendi entzündet sich bis heute die Frage, wo für die Kirchenoberen die Grenzen lagen zwischen Widerstandsgeist, Pragmatismus und Opportunismus gegenüber dem Regime.

Zu seinem ersten Todestag im März 2000 versammelte sich eine bunte Schar von Genossen und Gesprächspartnern des Verstorbenen im Theatersaal der Berliner „Volksbühne“, die Palette reichte  von Stasi-General Markus Wolf bis zum ersten und letzten demokratisch gewählten DDR-Regierungschef Lothar de Maizière (CDU). Was ihnen zu Klaus Gysi einfiel, läßt auf eine Mischung aus Verschämtheit und Ratlosigkeit schleißen. In mehr anekdotischer als kritischer Manier versuchten sie, sich der Person Klaus Gysi zu nähern – oder auch: seine, und damit ihre, Rolle in möglichst harmlosem Licht erscheinen zu lassen.

Wie sein Sohn Gregor verstand es Klaus Gysi, die Rolle eines scheinbaren Vermittlers zwischen seiner Partei und dem „Klassenfeind“ auszufüllen. „Begnadet“, „gewitzt“, „angenehm“, die Adjektive, mit denen Gysi senior hier gefeiert wurde, sprechen es aus: Wie der Sohn, so beherrschte auch der Vater die ganze Klaviatur, um im Grunde bürgerlich, demokratisch und antisozialistisch geneigte Gesprächspartner für sich (und die Ziele seiner kommunistischen Auftraggeber) einzunehmen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren