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14.06.08 / »Land hinter Gottes Rücken« / Montenegro lebt auf Pump sowie von seinen Sommertouristen und den »neuen Russen«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

»Land hinter Gottes Rücken«
Montenegro lebt auf Pump sowie von seinen Sommertouristen und den »neuen Russen«
von Wolf Oschlies

Zemlja Bogu za ledjima“ ist Montenegro laut all-balkanischem Urteil: ein „Land hinter Gottes Rücken“. Mit knapp 14000 Quadratkilometern etwas kleiner als Schleswig-Holstein, zählt es 620000 Einwohner. 2003 wurde Montenegro von der EU in einen „Staatenbund“ mit Serbien gezwungen, aus dem es sich 2006 per „Unabhängigkeitsreferendum“ löste. Seither hat es große Pläne ohne wirtschaftliche Basis: Wachsende Inflation, 465 Millionen Euro Auslandsschulden, 20 Prozent „registrierte“ Arbeitslosigkeit, real eine weit höhere, hoch defizitäre Außenhandelsbilanz, die 2007 ein Minus von über 1,5 Milliarden Euro ausmachte.

Das kümmert die Regierung in Podgorica wenig, da der warme Regen touristischer Einkünfte die miese Wirtschaftsbilanz reinwaschen wird. Wenn heimische Produktion und Export die Staatskassen nicht füllen, werden es Touristen tun. Die kommen auch in jedem Jahr mehr, 2007 knapp 1,2 Millionen, davon neun Zehntel aus dem Ausland, und sie bleiben länger, wie die gegenüber 2006 fast verdreifachte Zahl der Übernachtungen ausweist. So berichtet es das montenegrinische Statistikamt „Monstat“, dessen Zahlen aber auch die Schattenseiten dieses Geschäfts zeigen: Der montenegrinische Tourismus findet fast zur Gänze an der Adriaküste statt, also nur in den Sommermonaten, Öko-, Kultur- und Kongreßtourismus gibt es nicht. Montenegro begeht den Fehler Kroatiens, allein auf den Tourismus zu setzen, und fällt damit hinter andere Mittelmeer-Konkurrenten zurück, die neben Sonne und Wasser noch eine solide Industrie und Landwirtschaft aufweisen.

Gegen Milo Djukanovic – seit 2006 Premier Montenegros, davor dessen Staatspräsident – sind im italienischen Bari mehrere Anklagen wegen dessen führender Rolle im mediterranen Schmuggel anhängig, und laut offiziellen Berichten von Europäischer Kommission und anderen ist „Montenegro das Land des organisierten Verbrechens, der Korruption und einer schlechten Verwaltung“. EU-Staaten haben mit Montenegro Visa-Erleichterungen vereinbart, praktizieren aber Verschärfungen, nachdem Italien, Spanien, Deutschland etc. üble Erfahrungen mit montenegrinischen Dokumentenfälschungen gemacht haben. Das Land mutet immer mehr als ein kriminelles Syndikat in Staatsmaske an, wie gerade sein Tourismus beweist.

„Kommt dorthin, wo man euch liebt“, steht in russischer Sprache auf einem Großplakat am Flughafen Podgorica. BBC-Reporter haben es kürzlich mit Verblüffung entdeckt. Montenegrinische Regimekritiker, geschart um die mutige Wochenzeitung „Monitor“, registrieren seit sechs Jahren die Auswüchse montenegrinisch-russischer Komplizenschaft. 1999 durfte Montenegro mit EU-Billigung die D-Mark als „nationale“ Währung einführen, wurde 2002 „automatisch“ Euro-Land und ist seither eine ideale „Waschanlage“ für schmutziges Russengeld. 2004 haben Putin und Djukanovic ein geheimes Kooperationsabkommen geschlossen, das russische Investitionen von über zwei Milliarden Euro in Montenegro vorsah. Diese Summe ist längst überschritten und gilt offiziell als „russische Direktinvestitionen“. Die sind „weit höher als in jedem anderen Land des früheren sozialistischen Lagers“ (so „Monitor“), weil sie tatsächlich Geldwäsche sind – als Anlage, Barmittel oder Endstation von Geldern, die über Schweizer oder zyprische Banken geleitet wurden.

Laut „Monstat“ waren 2007 nur 9,1 Prozent aller Touristen Russen, aber in Wirklichkeit „weiß niemand genau, wie viele Russen in Montenegro sind, womit sie sich befassen, was sie früher taten“. So wieder der „Monitor“, der eine russische „Offensive“ konstatierte und dokumentierte: Russen haben bereits 35000 Häuser gekauft, „vor allem an der Küste“, in Montenegro erscheinen zwei russische Zeitungen, eine Radiostation in Podgorica sendet auf russisch, in Budva besteht eine Schule für russische Kinder und die Universität Niksic hat für den Studiengang „Russische Sprache und Literatur“ einen Zulauf wie nie zuvor.

Was alles nur der Anfang ist: Die montenegrinische Adriaküste von Herceg Novi im Norden bis Ulcinj im Süden ist vom russischen Kapital erobert. Der Ex-Kosmonaut Aleksej Leonow, Moskaus Bürgermeister Jurij Luschkow, sogar Präsident Dimitrij Medwedjew, haben sich mit Millionen dort eingekauft. Die gesamte Bucht von Kotor, die vielleicht schönste Region Europas, wollen Russen in ihr „Dubai“ verwandeln. In Cetinje, der alten Hauptstadt Montenegros, werden sie ein ganzes „russisches Zentrum“ errichten und in Budva, dem romantischen Küstenstädtchen, gar 20 Wolkenkratzer errichten. Kein schöner Ort Montenegros, der nicht im russischen Visier läge.

Die russischen Vorhaben werden mit absoluter Rücksichtslosigkeit gegen Natur, Umwelt und historische Bauwerke hochgezogen. Das ist möglich, weil sich russische Tycoons mit der montenegrinischen „Baumafija“ verbündet haben. Deren Pate ist Svetozar Marovic – Ex-Präsident des „Staatenbunds Serbien-Montenegro“ und Vizepräsident der regierenden „Demokratischen Partei der Sozialisten“ (DPS) –, der seit seinem Rückzug aus der Politik 2006 der „King“ von Budva ist und von dort mit seinem russischen Partner Sergej Polonskij die Verschandelung der Küste betreibt. Für kein einziges der russischen Bauwerke gibt es eine amtliche Erlaubnis – die „wilden Bauten“, die überall entstehen, werden von der Regierung durchweg nachträglich sanktioniert und als „Investition“ verbucht. Daß die zuständigen Minister alle Jahre im Mai Drohungen gegen illegale Bauten äußern, nimmt längst niemand mehr ernst. Unbeachtet bleiben auch seismographische Gutachten, die vor unsicheren Bauten in der Region warnen, in der 1979 Budva von einem Erdbeben schwer beschädigt wurde. Das größte politische Beben wird ohnehin unvermeidlich sein: Vor zwei Jahren erklärte Jurij Bitschkow, hoher Beamter im russischen Außenministerium, das russische Engagement in Montenegro habe nicht zuletzt den Zweck, das Land von der Nato fernzuhalten und als Einfallstor des russischen politischen Einflusses auf dem ganzen Balkan zu dienen.

Foto: Urlaub in Budva: Montenegro setzt ökonomisch fast ausschließlich auf die touristischen Reize seiner Adriaküste.


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