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14.06.08 / Professoren müssen vom Alten loslassen / Die neuen Studiengänge Bachelor und Master werden durch veraltete, überfrachtete Lehrpläne unstudierbar

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

Professoren müssen vom Alten loslassen
Die neuen Studiengänge Bachelor und Master werden durch veraltete, überfrachtete Lehrpläne unstudierbar
von George Turner

Ebenso wie nach der Einführung der verkürzten Schulzeit an Gymnasien von 13 auf zwölf Jahre über die Belastung von Schülern, Lehrern und Eltern Klage geführt wird, ist es auch nach dem bereits in vielen Studiengängen umgesetzten gestuften Ausbildungssystem: Studierende und Professoren lehnen die Reform ab. Diese besagt, daß in den meisten Studiengängen ein erster berufsqualifizierender Abschluß nach sechs Semestern möglich sein muß (Bachelor). Ein weiterführendes Studium (zum Master), in der Regel nach einer besonderen Zulassung, abhängig von der Note beim Abschluß des Bachelors, kann sich anschließen.

Den einen ist es der richtige Schritt in die Zukunft, den anderen der Untergang der Universität. Mit der Einführung dieses Systems ist in der Tat, jedenfalls an den Universitäten, eine so grundsätzliche Änderung eingetreten, daß es vielen wie eine Revolution vorkommt: Zügig, gut organisiert und praxisnah soll das Studium sein. Zwar ist der sogenannte Bologna-Prozeß, jene Vereinbarung aus dem Jahr 1999, mit der ein einheitlicher europäischer Hochschulrahmen bis zum Jahr 2010 geschaffen werden soll, der Auslöser, nicht aber der Grund dafür.

Innerhalb von 50 Jahren ist der Anteil der Studierenden der relevanten Altersgruppe, das heißt der 20- bis 25jährigen um das Zehnfache gestiegen, nämlich von 3,5 Prozent auf über 35 Prozent. Das Ausbildungssystem ist im Prinzip gleich geblieben: Die durchschnittliche Studiendauer betrug rund 13 Semester, das Durchschnittsalter der Absolventen 28 Jahre. Lange bevor von „Bologna“ die Rede war, gab es immer wieder Bemühungen, das Universitätsstudium den veränderten Größenordnungen anzupassen. Alle Versuche scheiterten, im wesentlichen entweder an der Weigerung der Professoren, Inhalte zu konzipieren, die in kürzerer Zeit studierbar waren, oder am Widerstand der Studierenden, die jede Änderung mit dem Ziel der Straffung des Studiums als einen Handlangerdienst für die Interessen des Kapitalismus bekämpften. Inzwischen hat sich die Stoßrichtung verändert: Bologna ist an allem schuld.

Dabei sind Bachelor und Master die richtigen Antworten auf die Bedingungen der Massenuniversität. Nur müssen die zu den Abschlüssen führenden Studien so konzipiert sein, daß sie von durchschnittlich talentierten und entsprechend arbeitswilligen Studierenden auch bewältigt werden können. An den Universitäten scheint es immer noch Professoren zu geben, die das neue System kippen wollen, indem sie Inhalte torpedieren, die der zeitlichen Vorgabe Genüge tun. Fachvertreter werden immer dazu neigen, die von ihnen vertretene Disziplin für so wichtig zu halten, daß sie einen bestimmten Umfang nicht unterschreiten darf. Addiert man dann die Wünsche der verschiedenen Komponenten eines Studiums, übersteigt das Ergebnis stets den vorgesehenen Zeitrahmen. Das ist bereits in der Schule so. Die einzelnen Fächer sind immer nur mit größter Mühe in den Stundenrahmen zu pressen. Die Vorgabe einer bestimmten Anzahl von Semestern, in denen ein Studium zu absolvieren ist, wird von manchen als wissenschaftsfeindlich bezeichnet, weil nicht genügend Rücksicht auf die Belange der Fächer genommen wird. Die Diskussion darüber ist ebenso alt wie unergiebig. Ohne eine vorgegebene Begrenzung kommt man nicht aus. Das ist in der Schule nicht anders als an der Universität. Im übrigen gibt es internationale Erfahrungen, wie lang denn ein Studium sein muß, damit die Absolventen nach dem Abschluß eine hinreichende Basis für den Berufsstart haben. Das derzeit in Deutschland in der Einführung befindliche gestufte Studiensystem ist international bewährt. Es ist auch für unsere Verhältnisse geeignet; nur muß auch die Bereitschaft bestehen, es anzunehmen und anzupassen. Diese Forderung ist in erster Linie an die Professoren gerichtet. Sie müssen die Studienprogramme so gestalten, daß sie in der vorgesehenen Zeit studierbar sind.

Bei den Fachhochschulen, für die kurze Studiengänge nichts Neues waren, ist die Abbrecherquote gestiegen. Viel spricht dafür, daß sie sich zu sehr auf das pre-stigeträchtigere Angebot von Masterstudien kaprizieren und das vernachlässigen, was sie besser können: kürzere, verschulte Ausbildungsgänge anzubieten. Das aber ist ihnen zu wenig. Sie möchten sich möglichst nah an die Universitäten heran pirschen. Deutlichstes Zeichen ist die selbst gewählte Bezeichnung „universities of applied sciences“. In diesen Zusammenhang gehört auch das Bestreben, ein eigenes Promotionsrecht zu erlangen. Dem ursprünglichen Auftrag der Fachhochschulen entspricht das nicht. Ihre Aufgabe ist es, eine praxisorientierte Ausbildung in überschaubarer Zeit anzubieten. Das Bemühen ihrer Exponenten geht dahin, die in der unterschiedlichen Aufgabenstellung von Universitäten und Fachhochschulen liegenden Unterschiede einzuebnen. Die Tatsache, daß beide Hochschularten sowohl Bachelor als auch Master-Abschlüsse anbieten, ist der deutlichste Beleg. Der Fehler liegt dabei bereits im Vorfeld: Der Master gehört nicht an die Fachhochschulen. Die Nachgiebigkeit der Politik ist schuld daran. Von dort kommt das Märchen von der Gleichwertigkeit der Abschlüsse. Formal wird das erreicht mit der gleichen Bezeichnung. Inhaltlich gibt es sehr wohl Unterschiede. Dabei kann es durchaus sein, daß ein Examen an einer Fachhochschule, weil die Ausbildung mehr auf die Bedürfnisse der Praxis ausgerichtet ist, den geeigneteren Berufsanfänger ausweist. Um so weniger sinnvoll ist es, eine Verwischung der Hochschultypen zu betreiben.

Richtig wäre gewesen, die Ausbildung mit dem Abschluß Bachelor an den Fachhochschulen, den mit dem Master-Examen an den Universitäten vorzusehen. Dann aber hätten nicht die Universitäten, sondern die Fachhochschulen in größerem Umfang ausgebaut werden müssen. Derzeitig ist das Verhältnis der Studienplätze beziehungsweise Studierenden zwei zu eins. Umgekehrt wäre es besser gewesen. So zeigt sich, daß Fehler oft am Anfang gemacht werden. Sie produzieren dann immer neue Fehlentwicklungen.


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