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14.06.08 / Treue Gefährten / Der Volksmund sagt: Hunde sind des Menschen bester Freund

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

Treue Gefährten
Der Volksmund sagt: Hunde sind des Menschen bester Freund
von Albert Loesnau

Der Schäferhund Arko lernte seinen Freund Benjamin auf eine nicht alltägliche Art kennen. Als er seinen gewohnten Gang durchs Dorf unternahm, hörte er hinter einer dichten Hecke klägliches Winseln. Mit schnüffelnder Nase entdeckte er einen jungen Rauhhaardackel, der verschüchtert auf einer Bank kauerte und angstvoll in den Abgrund blickte, der ihn auf allen Seiten umgab. Es blieb ungeklärt, wie Benjamin, damals etwa zehn Wochen alt, in diese gefährliche Lage geraten war. Doch Arko verstand sofort, daß er eingreifen mußte. Er begann laut zu bellen, lief zwischen Bank und Haus hin und her, bis er endlich die Aufmerksamkeit eines jungen Mädchens auf sich lenkte, das herbei eilte und den kleinen Hund auf den Boden setzte.

Als die Gefahr für Benjamin überstanden war, tappte er ein wenig unbeholfen auf seinen Retter zu und zwickte ihn übermütig in die Vorderpfote. Arko knurrte arglos und stupste Benjamin mit der Nase an, so daß der kleine Bursche rück­lings ins Gras purzelte. Damit war die Freundschaft zwischen den beiden besiegelt.

Benjamin wuchs schnell heran. Bald war es ein gewohnter Anblick, die beiden von Gestalt so verschiedenartigen Hunde einträchtig die Dorfstraße entlang wandern zu sehen. Oder sie lagen, vom Herumtoben müde, nebeneinander ausgestreckt unter dem Torbogen, der zu Benjamins Garten führte. Zumeist aber streiften sie über Felder und Wiesen, immer auf der Pirsch nach umher huschenden Mäusen. Dabei übernahm Benjamin die Führung, die er sonst meistens seinem Freund Arko überließ. Die Nase dicht am Boden, schnürte der Dackel kreuz und quer herum, bis er aufgeregt bellend an einer Stelle haltmachte und emsig die Erde aufzuwühlen begann. Arko verharrte erwartungsvoll neben ihm, den Blick auf das tiefer werdende Loch gerichtet. Trotz des Jagdeifers war den beiden Freunden jedoch nur selten ein Erfolg beschieden. Entweder ließ sich die aufgeschreckte Maus gar nicht sehen, oder sie sauste im letzten Moment zwischen den Pfoten von Arko und Benjamin hindurch, um wieselflink im hohen Gras zu verschwinden ...

Drei Jahre währte die Freundschaft der Unzertrennlichen. Dann aber geschah etwas völlig Unerwartetes. Als Arko eines Tages zu Benjamins Garten kam, war der Rauhhaardackel nicht da. Auch nach eindringlichem Bellen ließ er sich nicht blicken. Arko wurde unruhig. Er begann, überall im Dorf nach Benjamin zu suchen. Zwischendurch kehrte er immer wieder zu dessen Grundstück zurück. Vergeblich. Sein Freund war spurlos verschwunden. Von nun an ließ Arko seinen Freßnapf fast unberührt. Teilnahmslos lag er herum und magerte zusehends ab. Sein Fell wurde stumpf und rauh. Nur wenn sich Schritte seiner Hütte näherten, hob er den Kopf. Doch seine Aufmerksamkeit erlosch sogleich wieder, weil Benjamin nicht erschien.

Was war mit dem Rauhhaardackel geschehen? Arko konnte nicht wissen, daß sein Freund inzwischen eine weite Reise gemacht hatte. Er war von seinem Besitzer an einen neuen Herrn verkauft worden, der in einer nahe gelegenen Stadt wohnte. Doch Benjamin hatte sich mit dem unfreiwilligen Ortswechsel und der Trennung von Arko nicht abgefunden. Nach dem zweiten Ausreißversuch schränkte man seine Bewegungsfreiheit wesentlich ein. Er wurde auf einem von Zäunen umgebenen Hof gehalten. Das Tor öffnete sich nur, um ein Fahrzeug hinein- oder herauszulassen. Es gab also für Benjamin keine Gelegenheit zur Flucht. Zudem deutete sein Verhalten darauf hin, daß er den Gedanken daran endgültig aufgegeben hatte. So schien es jedenfalls. Denn der kleine Hund war klug genug, seine wahre Absicht nicht zu verraten. Die Bemühungen des neuen Besitzers, doch noch seine Zuneigung zu gewinnen, ließen Benjamin unbeeindruckt. Insgeheim wartete er nur darauf, daß das Tor zur Freiheit einmal unbemerkt geöffnet blieb.

So vergingen die Tage. Dann, an einem Wochenende, kam der lang ersehnte Augenblick. Besuch traf ein. Ein Wagen rollte auf den Hof. Während der allgemeinen lebhaften Begrüßung achtete niemand auf den Hund. Benjamin nutzte die Gelegenheit. Blitzschnell entwischte er durch das offene Tor, lief die belebte Straße hinunter und verschwand zwischen den Fußgängern. Mit untrüglichem Instinkt fand er den Weg aus der Stadt. Er verlangsamte seinen Schritt und strebte durch Wiesen und Felder voran. Seinen Durst löschte er in einen Bach. Und als die Dunkelheit hereinbrach, bot ihm das Heu in einer Scheune ein sicheres Nachtlager. Im Morgengrauen wurde Benjamin vom Hunger geweckt. Er schüttelte sich, gähnte ausgiebig und eilte weiter, seinem fernen Ziel entgegen.

Den ganzen Tag war er rastlos auf den Beinen. Seine einzige Mahlzeit blieb eine angebissene Scheibe Brot, die er vor einer Schule fand. Die nächste Nacht verbrachte Benjamin im Unterholz an einem Waldrand. Er hatte Mühe, bei den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne neue Kräfte zu sammeln, um weiterzulaufen. Doch ein unbeugsamer Wille trieb ihn voran. Am Abend erreichte Benjamin endlich das Dorf. Er war erschöpft und zum Umfallen müde. Das zerzauste, staubbedeckte Fell trug die Spuren des weiten Weges, der hinter ihm lag.

Arko schlief in seiner Hütte, als Benjamin sich mit leisem Winseln bemerkbar machte. Der Schäferhund sprang auf. Die Freunde begrüßten sich stürmisch. Danach stürzte Benjamin sich heißhungrig auf den von Arko kaum berührten Futternapf und leerte ihn bis auf den Grund. Ermattet schlüpfte der kleine Hund in die Hütte und schlief sofort ein. Arko hielt Wache. Er knurrte jeden an, der sich seiner Behausung näherte.

Tags darauf wurde man auf das seltsame Gebaren des Schäferhundes aufmerksam und entdeckte auch schließlich seinen Freund. Als Arko mit sanfter Gewalt beiseite geführt worden war, konnte der kleine Ausreißer von seinem alten Herrchen aus der Hütte geholt werden. Benjamin sträubte sein Fell und knurrte drohend. Doch als er die versöhnliche Stimme des Mannes vernahm, beruhigte er sich wieder.

Die überraschende Heimkehr des Dackels verbreitete sich schnell im Ort. Und es gab nur eine Meinung dazu: Nicht noch einmal sollte der kleine Hund von seinem Freund Arko getrennt werden. Davon wußte Benjamin natürlich nichts, als er wieder in seine vertraute Umgebung zurückkehrte. Wie sollte er auch ahnen, daß die großen Zweibeiner, nach deren Willen alles geschah, manchmal sogar das Herz eines kleinen Hundes begreifen.

Foto: Viele Hundebesitzer fallen immer noch auf den „Hundeblick“ herein.


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