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14.06.08 / Am 15. Juni ist Sankt-Veits-Tag / Die Verehrung des Märtyrers Vitus verbindet Kernlandschaften des Heiligen Römischen Reiches

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

Am 15. Juni ist Sankt-Veits-Tag
Die Verehrung des Märtyrers Vitus verbindet Kernlandschaften des Heiligen Römischen Reiches
von Manfred Müller

Um den Besitz des Prager Veitsdoms ist seit langem ein heftiger Streit zwischen dem tschechischen Staat und der katholischen Kirche im Gange. Die Kommunisten hatten nach dem Zweiten Weltkrieg den Dom zum Staatsbesitz erklärt. In der langen gerichtlichen Auseinandersetzung der Nachwendezeit wurde in letzter Instanz gegen die Kirche entschieden. Nun will der Prager Erzbischof den Europäischen Gerichtshof anrufen.

In Prag werden wichtige Reliquien des frühchristlichen Märtyrers Vitus (Veit) aufbewahrt: seit 929 ein Arm und seit 1355 das Haupt des Heiligen. Bis nach Prag mußten diese Reliquien weite Wege zurücklegen.

Der aus Sizilien stammende Vitus erlitt als Jugendlicher um 303 den Märtyrertod. Was wir über sein Leben und seinen qualvollen Tod wissen, ist rein legendär. Die Vitus zugeschriebenen Gebeine gelangten in das fränkische Heiligtum St. Denis bei Paris. Als es darum ging, die von Karl dem Großen gewaltsam durchgeführte Christianisierung der Sachsen zu sichern, sollte St. Veits Schutz die Festigung und Verinnerlichung des christlichen Glaubens fördern. Daher wurden seine Gebeine 836 von St. Denis ins Reichskloster Corvey übertragen.

Bei der großen Bedeutung, die mittelalterliche Christen dem Besitz von Reliquien zuschrieben, ist die fränkische Gabe an ein sächsisches Missionszentrum als hochherziger christlicher Freundschaftsdienst zu verstehen. Im sächsischen Kaiserhaus der Ottonen galt Vitus nicht nur als Hausheiliger, sondern auch als Schutzherr des sächsischen Landes.

Heinrich I., der das Regensburger Kloster St. Emmeran bei der Missionierung der Tschechen unterstützte, schenkte 929 einen Arm aus dem Corveyer Reliquienbesitz dem Böhmenherzog Wenzel. Dieser von heidnischen Tschechen ermordete Herzog wurde wie Veit zum böhmischen Landespatron. Der dritte Patron Böhmens wurde der Burgunderkönig Sigismund, der 524 den Märtyrertod erlitt.

Seit der Zeit der Tschechenmissionierung wurde also der Heilige Veit in Prag verehrt; aus seiner Kirche entwickelte sich der Prager Veitsdom. Als Karl IV. aus dem Hause Luxemburg 1355 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation wurde, ließ er das Haupt des Heiligen Veit in den Veitsdom bringen, um so seiner Residenzstadt noch mehr sakralen Glanz zu verleihen.

Älter als die Vitus-Verehrung in Corvey und in Prag ist der Vitus-Kult am Niederrhein. 793 soll Karl der Große den Mönchen der Abtei Gladbach (im heutigen Mönchen­gladbach) die Hirnschale des Heiligen geschenkt haben. Die Vitus-Verehrung strahlte von diesem Kultzentrum aus in den Maas-Mosel-Raum. Wahrscheinlich wurde also auch in der Heimat des Luxemburger Kaisergeschlechts schon St. Veit verehrt, als die Luxemburger Böhmen erwarben. Nimmt man noch Pommern als Vitus-Land hinzu, so sieht man, daß der Vitus-Kult wichtige Kernlandschaften Mitteleuropas kulturell-religiös verklammerte.

Bischof Otto von Bamberg soll bei der Bekehrung der heidnischen Pommern, die einen Hahn heilig hielten, ein silbernes Gefäß mit Reliquien des Heiligen Vitus aufgestellt haben. Dieses Reliquiar war mit einem silbernen Hahn bekrönt, denn Hähne galten (vielleicht in Fortführung eines heidnischen Brauchs) als volkstümliche Opfergaben für den Heiligen Veit. So hatte Bischof Otto bei seinen Missionspredigten einen guten Anknüpfungspunkt, und so wurde Vitus zu einem Landespatron Pommerns.

Im Mittelalter und noch weit in die Neuzeit hinein galt Veit als ein Nothelfer bei vielen Krankheiten, besonders bei solchen, denen etwas Dämonisches anzuhaften schien: bei Epilepsie (Veitstanz), Tollwut, Krämpfen. Da der Hahn dem Heiligen Veit zugeordnet wurde, kam es auch zu ganz merkwürdigen Bräuchen. Wollte jemand rechtzeitig wach werden, dann richtete er – so war es am Niederrhein üblich – sein Gebet an Vitus:

„Helije Tsint Fiit, / Wäk mich op der Tiid, / Net te vröisch on net te laat, / Wän di Kloke … Uer schlaat!“ (Heiliger Sankt Vitus, wecke mich zur rechten Zeit, nicht zu früh und nicht zu spät, wenn die Glocke … Uhr schlägt!)

Am Niederrhein erinnert bis heute an Sankt Vitus noch sein Patronat über eine Anzahl von Schützenbruderschaften, was auf den Einfluß des Kultzentrums Mönchengladbach zurückgeht. Ansonsten aber haben Aufklärung, medizinischer und technischer Fortschritt Vitus in den Hintergrund gerückt. Aber eine Kernszene aus seiner Legende macht Sankt Veit für uns Heutige wieder bedeutsam. Weil er sich standhaft weigerte, den heidnischen Göttern zu opfern, warf man ihn in einen Kessel mit siedendem Öl, aus dem er mit Gottes Hilfe unversehrt wieder herausstieg. So könnte Vitus heute ein Vorbild starker Glaubenskraft sein. Auf uns wartet kein Kessel mit siedendem Öl. Aber christliche Glaubenskraft ist erforderlich, wenn wir der zunehmenden Entchristlichung unseres Volkes widerstehen wollen und verhindern möchten, daß ein Vakuum entsteht, in das ein glaubensstarker Islam eindringen könnte. Das Fest des Heiligen Vitus am 15. Juni wirft in dieser Hinsicht manche Fragen auf.


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