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14.06.08 / Nachhaltiges Reisen ist gefragt / Exotisch oder bodenständig: Mit dem Rad nach Peking und Floßfahrten in ehemaligen Kohlengruben stehen auf dem Programm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-08 vom 14. Juni 2008

Nachhaltiges Reisen ist gefragt
Exotisch oder bodenständig: Mit dem Rad nach Peking und Floßfahrten in ehemaligen Kohlengruben stehen auf dem Programm
von Robert B. Fishman

Die Nachfrage nach umwelt- und sozialverträglichen Reisen wächst. Seitdem die Marketingsstrategen die umwelt- und gesundheitsbewußten LoHas (Lifestyle of Health and Sustainability – Lifestyle auf Basis von Gesundheit und Nachhaltigkeit) als wachsende Zielgruppe entdeckt haben, hat sich auch die Reiseindustrie ein grünes Mäntelchen umgehängt.

„Wir zerstören, was wir lieben“, bilanziert das Umweltbundesamt die Folgen des Massentourismus. Unter dem Ansturm der Urlauber verlieren idyllische Orte und Landschaften den Charme, den die Reisenden zu finden hoffen. Daß es auch anders geht, zeigen die „alternativen“ Reiseveranstalter, die kleine Gruppen oder Einzelpersonen in noch kaum bekannte Urlaubsgebiete bringen und dort Einblicke in den Alltag der Einheimischen vermitteln.

Die Müllers waren schon überall und wissen doch nicht, wie die Menschen in Tunesien, Mallorca, Ägypten oder in der Karibik leben. Die internationalen Hotels, die Touristenstrände und die Dis-cos sehen überall gleich aus. Der Tagesablauf auch: Strand, ab und zu ein Ausflug und abends volle Kneipen und Discos, wo man nur Deutsche, Niederländer und Engländer trifft. Einheimische dienen als Kellner und Putzfrauen.

Daß es auch anders geht, zeigen Angebote wie Walbeobachtungen im Atlantik, Trips zu den Schamanen in Sibirien, von einem einheimischen Künstler geführte Radtouren durch New York, Reitertouren durch die mongolische Steppe oder Jurtenwanderungen mit den Nomaden durch Kirgistan, Kulturcamps mit kanadischen Indianern oder Entdeckungsreisen durch den Regenwald in Costa Rica.

Mit solchen Angeboten wollen die „alternativen“ Anbieter den Ansprüchen an einen „nachhaltigen Tourismus“ genügen. Gemeint sind Reisen, die Umwelt und Lebensraum der Menschen in den Zielgebieten möglichst wenig belasten. Kurzstreckenflüge über weniger als 700 Kilometer Entfernung sind wegen der Folgen fürs Klima ausgeschlossen. Die Gäste wohnen in kleinen, landestypisch gestalteten Hotels und Pensionen, die Einheimischen gehören. Diese sollen möglichst umweltschonend wirtschaften, indem sie zum Beispiel in der Umgebung erzeugte, frische Lebensmittel servieren. Die Urlauber bekommen so direkten Einblick in den Alltag und das Geld, das sie ausgeben, bleibt im Land.

Vor Ort bewegt man sich möglichst mit Linienbussen und mit -schiffen, der Bahn, zu Fuß, zu Pferde oder mit dem Fahrrad. Auf von ortskundigen Übersetzern begleiteten Radtouren oder Wanderungen kommen die Reisenden überall mit den Anwohnern ins Gespräch.

Auch immer mehr deutsche Hoteliers und Tourismusmanager entdecken die sanfte Welle. Kaum eine Herberge kommt mehr ohne Wellnesslandschaft aus, und die Urlaubsgebiete legen immer mehr Naturprogramme für die Touristen auf. Im Harz kann man, geführt von Nationalparkrangern und Förstern, auf Goethes Spuren die Wege des wieder angesiedelten Luchses erkunden, im Teutoburger Wald wurden Deutschlands erste Wellness-Radwanderroute und eine Bahn-Rad-Route eröffnet. Selbst die von Braunkohlebaggern zerwühlten Landschaften Mitteldeutschlands öffnen sich den Touristen. Die Internationale Bauausstellung Fürst-Pückler-Land im Südosten Brandenburgs  führt die Besucher durch die „Zwischenlandschaften“ der ehemaligen Tagebaue. In bis zu 80 Meter tiefen Löchern stehen die Besucher in „Wüste und Steppe, so weit das Auge reicht“. Auf dem „liegenden Eiffelturm der Lausitz“, der 500 Meter langen, 200 Meter breiten und 11000 Tonnen schweren ehemaligen Förderbrücke F60 erfährt man alles über den Braunkohleabbau.

In der nur scheinbar toten Landschaft lauschen die Gäste auf der „Reise zum Mars“ den kleinen Lebewesen, die sich in den Tagebaulöchern angesiedelt haben. Inzwischen werden zehn der Tagebaugruben unter Wasser gesetzt. So entsteht eine 7000 Hektar große Seenlandschaft, wo die ersten Floßfahrten durch die neuen Seen und Kanäle angeboten werden.

Selbst während der letzten Wirtschaftskrise meldeten die Veranstalter „umwelt- und sozialverträglicher Reisen“ Zuwachsraten von bis zu 50 Prozent. Vor allem professionell organisierte Kurzurlaube mit kurzen Anreisen und exotische Fernreisen mit ausgefallenen Erlebnissen wie eine Radtour entlang der Seidenstraße durch Tadschikistan und Usbekistan seien gefragt. Selbst die Radtour von Athen in die Olympiastadt Peking ist ausgebucht, obwohl die 176 Tage lange Reise 15000 Euro kostet.

Eine Untersuchung des Studienkreises für Tourismus und Entwicklung e.V. bestätig: In rund 8000 Interviews fanden die Fachleute heraus, daß „84 Prozent der Bundesbürger eine intakte Natur als sehr wichtig für ihre Urlaubszufriedenheit“ ansehen. Auch der Respekt vor Lebensweisen und Traditionen der Einheimischen ist für mehr als drei von vier Befragten wichtig. Von den Reisebüros erwarten zwei Drittel der Befragten, daß sie „über den Zustand von Natur und Umwelt im Urlaubsgebiet kompetent informieren können“.


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