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21.06.08 / Aufbruch zu Mars und Mond / Rußland plant bemannte Flüge ins All von neuem Kosmodrom „Wostotschny“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

Aufbruch zu Mars und Mond
Rußland plant bemannte Flüge ins All von neuem Kosmodrom „Wostotschny“
von M. Rosenthal-Kappi

Russische Raumfahrt hat Tradition. Damit sie auch eine Zukunft hat, plant die Weltraumbehörde Roskosmos umfassende Modernisierungen. Eine davon betrifft den Bau eines neuen Kosmodroms mit dem Namen „Wostotschny“ (Östlich) im Amur-Gebiet, dessen Verwirklichung nichts mehr im Wege steht, nachdem Wladimir Putin schon im November letzten Jahres sein O.K. dazu gab. Spezstroj, die staatliche Agentur für den Bau von Spezialobjekten, wurde laut deren Chef Armeegeneral Nikolaj Obraskin zum Generalauftragnehmer für den Bau Wostoschnys erwählt. Wo genau der neue Weltraumbahnhof entstehen soll, ist noch nicht bekannt gegeben, sicher ist nur, daß er nahe der chinesischen Grenze angesiedelt wird.

Das neue Kosmodrom wird den Interessen des Verteidigungsministeriums dienen und Rußland vom kasaschischen Startplatz Baikonur unabhängiger machen. Wostotschny wird über sieben Startanlagen für die unterschiedlichen Nutzungen verfügen. Dies sind neben bemannten kommerzielle und Transport-Flüge. Die erste Bau-etappe soll bis 2015 andauern, die zweite wird bis 2018 abgeschlossen sein, so daß dann erste bemannte Flüge von Wostotschny abgehen könnten. Von den bisher existierenden russischen Weltraumbahnhöfen können nur unbemannte Raketen in den Orbit starten. Bemannte Flüge müssen von Baikonur aus erfolgen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatte Rußland einen langjährigen Pachtvertrag zur Nutzung des Kosmodroms mit der kasachischen Regierung abgeschlossen, der durch Wostotschny überflüssig werden könnte. Doch zunächst werden die Russen Baikonur parallel für nationale Aufgaben weiternutzen, zumal die Pacht erst im Jahre 2050 ausläuft.

Neben dem Kosmodrom-Projekt gibt es den ehrgeizigen Plan, gemeinsam mit den Europäern zum Mond und zum Mars zu fliegen. Um diesen verwirklichen zu können, muß Rußland die Europäische Raumfahrtbehörde ESA zur intensiven Zusammenarbeit be-wegen. Die bewährten Sojus-Raketen sind veraltet, neuere Raketenentwürfe wie Klipper, ein teilweise wiederverwendbares Raumschiff für niedrige orbitale Umlaufbahnen, kamen bislang nicht recht voran. Die ESA hatte vor einigen Jahren die Mitarbeit an der Entwicklung dieses Raumschiffs verweigert.

Seit längerem gibt es zwischen Russen und Europäern vorbereitende Verhandlungen über die gemeinsame Entwicklung eines neuen Raumschiffs für bemannte Flüge ins Weltall und auf den Mond, doch nie stand die Realisierung der Vorschläge so dicht bevor. Verschiedene Kapselformen für die bemannte Raumfahrt, die auf der Grundlage amerikanischer Vorgänger wie „Gemini“ oder „Apollo“ basieren, sind im Gespräch für die Produktion einer neuen Weltraumrakete.

Ein Großteil künftiger Starts soll russischen Plänen zufolge ab 2018 von Wostotschny erfolgen. Während die ESA die Verlegung eines Teils der Starts ins südamerikanische Kourou erwägt, sind die Russen bereit, Zugeständnisse an die Europäer zu machen. Sie befürchten abgehängt zu werden, wenn die Verhandlungen zu nichts führen und Europa sein Transportschiff ATV, das erst kürzlich erfolgreich zur Weltraumstation ISS gelangte, zu einem bemannten Raumschiff weiterentwickelt ohne russische Beteiligung. Rußland selbst verfügt trotz guter Absichten nicht über die Mittel, ein eigenes neues Raumschiff zu entwickeln, obwohl es Pläne des Konzerns „Energija“ gibt, die er im Herbst dieses Jahres vorstellen will.

Im Spätherbst wird die Ministerkonferenz der an der EAS beteiligten Länder entscheiden, ob es eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Roskosmos und EAS geben wird. Sollte die Entscheidung positiv ausfallen, sollen darüber hinaus weitreichende Verträge zur Zusammenarbeit abgeschlossen werden. Bei Roskosmos sieht man es so: ein halbes Jahrhundert russischer Erfahrung im Weltraum und der Einsatz neuester europäischer Technologien wird die grundlegendste Forderung nach Sicherheit in der bemannten Raumfahrt gewährleisten.


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