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21.06.08 / »Meine gütige, angebetene Caroline!« / Gneisenau war nicht nur seiner Nation ein großer Reformer, sondern auch seiner Frau ein liebender Ehemann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-08 vom 21. Juni 2008

»Meine gütige, angebetene Caroline!«
Gneisenau war nicht nur seiner Nation ein großer Reformer, sondern auch seiner Frau ein liebender Ehemann
von Dirk Klose

Im Sommer 1815 stand das Schicksal Europas auf Messers Schneide. Der nach Elba verbannte Napoleon war zurück­gekehrt und Frankreich fiel ihm jubelnd zu. Sein Kalkül war, die verbündeten Armeen einzeln niederzuwerfen, bevor sie sich vereinen konnten. Die in Belgien stehenden Preußen besiegte er am 16. Juli, gegen die Engländer kam es zwei Tage später bei Belle-Alliance zur Schlacht. Und Napoleon hätte die Oberhand behalten, wenn nicht ganz unerwartet die geschlagenen Preußen unter Gebhard Leberecht von Blücher aufgetaucht wären und so den Kampf zugunsten der Verbündeten entschieden hätten. Die Idee, sich nicht an den Rhein zurück­zuziehen, sondern zu den Engländern zu stoßen, hatte Blüchers Generalstabschef August Neidhardt von Gneisenau. Grollend und bewundernd zugleich hat Napoleon später in St. Helena zugestanden, Gneisenaus intuitive Entscheidung sei einer jener Geistesblitze gewesen, „welche zuweilen ein Genie ausstrahlt“.

 Gneisenau gehört zu den großen preußischen Heerführern jener Zeit. Er und Gerhard von Scharnhorst waren die treibenden Kräfte im Bemühen, die preußische Armee den Erfordernissen der neuen Zeit anzupassen. Die wichtigsten Punkte waren die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, die Aufhebung der Prügelstrafe, die Öffnung des Offizierscorps für jeden Befähigten und die Abkehr von der starren friderizianischen Strategie und Taktik. In den Befreiungskriegen hat sich dieses Konzept bewährt.

Was man von Gneisenau, weniger weiß, ist, daß er auch ein überaus charmanter Liebhaber und seit seiner Heirat 1796 ein treuliebender und fürsorglicher Gatte war. Der im wahrsten Sinne des Wortes als Schildbürger, nämlich in Schilda nahe dem sächsischen Torgau geborene Gneisenau hatte sich noch bei Friedrich dem Großen erfolgreich um eine Anstellung in preußische Dienste beworben. Im Jahre 1795 war er „wirklicher Capitain“ und Kompaniechef im schlesischen Jauer bei Liegnitz geworden. Der hochgewachsene Mann wirkte zeitgenössischen Quellen zufolge auf seine Umgebung wie ein strahlender Kriegsheld. Sein geselliges Wesen verschaffte ihm viele Freundschaften, so auch zu einer verwitweten Frau von Prittwitz-Gaffron, die aus erster Ehe eine 24jährige Tochter – Caroline Juliane – hatte.

Das „schöne Fräulein von Kottwitz“ lebte nach einem Bericht „in tiefer Bekümmernis, in die der Tod ihres ersten Verlobten im Zweikampf sie gebracht hatte“. Gneisenau gewann das Herz der jungen Frau durch sein einnehmendes Wesen als auch durch Briefe, die auch heutige Leser noch gefangennehmen können:

„Meine gütige, angebetene Caroline! Sie benutzten jede günstige Gelegenheit, um mich den Umfang meines Glücks immer mehr kennen zu lernen. Empfangen Sie hierfür den Dank eines gerührten Herzens, das Sie als eines jener höheren Wesen betrachtet, deren wohltätige Leitung unsere Schicksale anvertraut sind. Ich liebe Sie mit einer Ehrfurcht, deren ich mich gegen Ihr Geschlecht nie fähig glaubte. Ich umarme Sie, meine verehrte Braut, und harre ungeduldig der Augenblicke, wo ich Ihnen mündlich von der ehrerbietigsten Liebe, die je gewesen ist, erzählen darf.“

Im Oktober 1796 heiratete Gneisenau die um zwölf Jahre jüngere Caroline. Sie führten ein geselliges, für Musik und Literatur offenes Haus und lebten in ungetrübtem Eheglück. Als Caroline einmal zu einer Badekur weilte, schrieb er ihr:

„Geliebtes Weib. Wie meine Sehnsucht nach Dir auf eine unwiderstehliche Art gespannt wird, läßt sich nur fühlen, wenn man in dem Grade liebt als ich, wenn man sein einziges, sein höchstes Glück in den Besitz eines unübertrefflichen Weibes setzen gelernt hat. Noch vier lange Wochen soll ich meine Caroline nicht sehen? Noch so lange ihres süßen Umgangs entbehren? Schenke, meine verehrte Caroline, ein zärtliches Andenken Deinem Dich anbetenden Gatten N.v.G.“

Doch dann sind diese friedlichen Jahre vorbei. 1806 kommt es zum Krieg gegen Napoleon, dessen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt für Preußen mit einem Desaster endet. Gneisenau wird verwundet und in der folgenden Flucht „von der Saale bis an den Pregel“ getrieben. Doch gehört er zu den wenigen Kommandeuren, die sich der kopflosen Flucht des Heeres widersetzen.

Am 11. April 1807 wird er Kommandant der von den Franzosen bereits belagerten Festung Kolberg. Alle anderen großen Festungen Preußens – Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin und Magdeburg – hatten sich schon im Herbst 1806 geradezu schmählich ergeben. Anders Gneisenau in Kolberg; er organisiert zusammen mit dem Bürgermeister der Stadt, Joachim Nettelbeck, den Widerstand und hält über Monate trotz stärkster Verluste stand, eine für Preußen unschätzbare moralische Ermutigung.

In den folgenden Jahren treibt er zusammen mit Scharnhorst die Militärreform voran. Berühmt  geworden ist sein Disput mit dem zögerlichen König: Gneisenau plädiert voller Feuer für eine patriotische Mobilisierung der Bevölkerung; der König antwortet: „Als Poesie gut“. Daraufhin  Gneisenau: „Religion, Liebe zum Regenten, zum Vaterland, zur Tugend sind nichts anderes als Poesie. Wer nur nach kalter Berechnung handelt, wird ein starrer Egoist. Auf Poesie ist die Sicherheit der Throne gegründet.“

Tief deprimiert schreibt er seiner Frau, er werde bald heimkehren und nie  wieder von ihr weggehen: „Wozu den süßesten Freuden des Lebens entsagen, um umher zu irren und ein Evangelium zu predigen, das niemand begreift? Frankreich hat gesiegt, nicht durch seine Talente, denn hierin können wir uns wohl mit diesen Galliern messen, aber durch die Schwäche seiner Gegner. Zehn Jahre der erfahrungsreichsten Geschichte haben die Fürsten noch nicht belehren können. Wollen sie durch ihre Schwäche zugrunde gehen, so sei es. Ich will dem Sturm unter einem Schauerdach zuschauen.“

Aber dann ist er, als die Befreiungskriege ausbrechen, doch wieder mitten im Geschehen. In Blüchers Armee wird er Generalstabschef. Unmittelbar vor der Völkerschlacht bei Leipzig schreibt er an Caroline: „Ich schreibe Dir am Morgen einer Schlacht, wie sie in der Weltgeschichte kaum gefochten ist. Wir haben den französischen Kaiser ganz umstellt, eine halbe Million Menschen stehen jetzt auf einem engen Raum zusammen, bereit, sich gegenseitig zu vertilgen. Wenn nicht große Fehler begangen werden, so sind wir Sieger. Umarme die Kinder, Gott nehme Euch in seinem Schutz.“

Und kurz darauf: „Die große Schlacht ist gewonnen. Gestern kämpften die ungeheuren Massen gegeneinander, ein Schauspiel, wie es seit Tausenden von Jahren nicht gegeben hat. Viel Blut ist geflossen, auf meilenlangen Strecken liegen die Toten und Verstümmelten. Wir drängten die französische Armee in einem engen Raume dicht bei Leipzig zusammen. Nach vielen Stunden Arbeit erstürmten unsere Truppen die Stadt. Ich genieße jetzt die Belohnung für langjährige Sorgen und Mühen.“

Aber Gneisenau war ein zu unabhängiger Geist, als daß er im wieder reaktionär werdenden Preußen nach 1815 ganz nach oben hätte kommen können. Er wird Kommandeur der neuen preußischen Rheinlande in Koblenz, bald in den Ruhestand versetzt, dann aber 1830, als in den polnischen Provinzen Aufstände ausbrechen, wieder mit einem Kommando in Posen betraut. Eine Cholera, die von Ost nach West vordringt, trifft am 23. August 1831 den 70jährigen, der er am folgenden Tage erliegt.

Seiner Frau hatte er kurz zuvor angesichts der Juliunruhen in Frankreich geschrieben: „Durch Europa und Amerika weht ein Geist der Revolution und des Republikanismus. Gegen diesen Republikanismus muß man daher ankämpfen durch weise Gesetze, um jedem Ausbruch zuvorzukommen … Euch Frauen interessieren die Angelegenheiten der Kinderstuben, des Hausstandes, und zwar infolge weiser göttlicher Einrichtung, gewöhnlich mehr als Krieg und Politik, und darum wundertest Du Dich in den ersten Jahren unserer Ehe darüber, wenn ich mich mit Bonapartes erstem Krieg in Italien eifrig beschäftigte. Ich habe daraus viel gelernt, was mir hinterher Nutzen brachte. Bonaparte war mein Lehrer in Krieg und Politik.“

Foto: August Neidhardt von Gneisenau: Über seine Kinder war er mit den Scharnhorsts, den Grafen Brühl und den Grafen Stauffenberg verwandt.


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