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28.06.08 / Die SPD und der »Spiegel«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

»Moment mal!«
Die SPD und der »Spiegel«
von Klaus Rainer Röhl

Dieser Tage ging eine Meldung durch die Nachrichten-Agenturen, hinter der Absetzung Stefan Austs als Chefredakteur des „Spiegel” stecke die SPD. Damit solle das Magazin, das unter Aust nicht nur allen Unsinn der 68er, von der Haschischverharmlosung bis zum radikalen Feminismus („Gender-Mainstreaming”), von der Gentechnik-Hysterie bis zum Bio-Wahn durch kritische Berichterstattung demontiert und lächerlich gemacht, vor allem aber die SPD vor der letzten Bundestagswahl schonungslos angegriffen hatte, wieder auf „linken Kurs” gebracht werden. Aust selber hätte, so hieß es in einem Interview in der kleinen, aber feinen Monatszeitschrift „Cicero” die SPD beschuldigt.

Der Verlag von „Cicero” brachte diese Meldung einen Tag vor dem Erscheinen des teuren, aber anzeigenarmen Glanzpapier-Heftes in die Agenturen, die diese sensationelle Meldung auch übernahmen. Für eine Stunde mußte die Öffentlichkeit glauben, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands habe den Chef des größten deutschen Nachrichtenmagazins im letzten Jahr hinterrücks aus dem Sessel gekippt. Donnerwetter, dachten wir, das hätten wir der guten alten, verschlafenen Tante SPD gar nicht zugetraut.

 Stimmte ja auch nicht. Die Meldung blieb nicht lange in den Agenturen, weil Aust nach einer Stunde schon dementiert hatte, die SPD beschuldigt zu haben.

Dabei stimmte an der Meldung fast alles: Aust hatte die SPD, ganz in der Tradition des Blatt-Gründers Augstein, mehr als kritisch durchleuchtet, vor allem aber die Gründerväter der rot-grünen Koalition, die 68er, als das entlarvt, was sie nun einmal waren, im großen und ganzen Scharlatane und Traumtänzer. Vor allem hatte er die Speerspitze der 68er, die Todesschwadronen der RAF, und ihre viel gefährlicheren Todesschwadroneure, die Sympathisanten, Verharmloser und Versteher des Terrors durch seine gut recherchierten Titelgeschichten schonungslos enttarnt. Der Mord auf deutschen Straßen wurde im „Spiegel” nicht mehr durch einen moralischen Überbau beschönigt.

Dieses danken ihm bis heute alle, auch die Leser des „Spiegel”, nur eine kleine linke Minderheit in Deutschland nahm es ihm übel: Die Redakteure des „Spiegel”, organisiert in der sogenannten Mitarbeiter KG. Und die stellten sich mehrheitlich gegen ihren Chef. Auch das wäre sicher keine Agenturmeldung wert gewesen, solange Rudolf Augstein noch lebte und seinen Chefredakteur Aust hätte schützen können. Unglücklicherweise aber hatte Augstein, einer Schnapsidee des Zeitgeistes von 68 folgend, seinen Redakteuren schon zu einem frühen Zeitpunkt fast die Hälfte seines Verlages geschenkt, die über die Mitarbeiter KG jetzt über die Mehrheit des Verlages verfügen. Von diesen Mitarbeitern gehören viele zu der kleinen, aber hartnäckigen Gruppe von Menschen, die aus Denkfaulheit und Gewohnheit im Gegensatz zur Mehrheit der Bevölkerung immer noch  links stehen. Traditionell sozialdemokratisch links oder Willy-Brandt-links oder grün-links oder knallrot Gysi-links.

Keineswegs alle Mitglieder der Mitarbeiter-KG denken so, die meisten freuen sich darüber, daß sie am Ende des Jahres außer ihren recht ordentlichen Gehältern noch eine Extra-Ausschüttung als Mitinhaber bekommen, Tantieme genannt. Doch die aktiven unter ihnen, und das sind keineswegs immer die besten Journalisten, beeinflussen die KG und damit den Verlag und seine Personalpolitik nach Vorstellungen und Vorurteilen, die letzten Endes auf 68 zurückgehen. Stichwort Gegenöffentlichkeit.

„Gegen” war eines ihrer Lieblingswörter der damaligen Rebellen, und wenn sie nicht gestorben waren wie Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof, saßen sie ab 1998 in der rot-grünen Regierung und sitzen heute noch als SPD-Mitglieder in der Großen Koalition oder im Parteivorstand. Jetzt brauchen sie keine Gegenöffentlichkeit mehr – und jetzt fürchten sie sie.

Denn der Kampf geht weiter. Die nächste Bundestagswahl steht vor der Tür, Bayern ist der Auftakt. Die Bundestagswahl im Herbst 2009 wird  eine neue Etappe in einem Kampf, den eine entschlossene Minderheit gegen die Mehrheit der Bevölkerung führen wird. Kein deutscher Wähler wird freiwillig die rot-rote Front von SPD und Anhängern von Honneckers SED wählen. Da könnte der „Spiegel” helfen.

Doch die SPD mußte keinen Agenten schicken, um Stefan Aust auszuschalten, das taten die Mitarbeiter auch ohne Anleitung. Sie nehmen Aust noch heute seine Parteinahme gegen Schröder vor der letzten Wahl übel. Höhepunkt der Wahlkampfschlacht war ein Schröder-Foto auf der Titelseite mit der Unterschrift „Schröders letzter Freund”. SPD-Wahlhelfer Günter Grass schimpfte damals, die „Spiegel”-Berichterstattung sei „auf Vernichtung angesetzt” gewesen. Doch den Linken in der Redaktion war Stefan Aust seit langem im Wege. Warum nahmen sie je an, Aust sei einer der Ihren: „Ich habe meine politischen Positionen nicht wesentlich geändert” sagt Aust. „Ich war nicht (1964-1967) bei konkret, weil ich besonders links war. Als Adenauer gestorben ist, sagte Ulrike Meinhof: ‚Jetzt ist ja dein Vorbild tot!‘”.

 Ich, sein damaliger Chef, kann das bestätigen: Stefan Aust war nie links. Er war ein junger, hochbegabter und also ein neugieriger Journalist. Zu meiner Zeit verkehrte er zwar beruflich mit lauter Linken oder sogar Ultralinken, blieb aber davon nachweislich unberührt.

Auch als die Radikalen begannen, über den „bewaffneten Kampf” zu diskutieren. Sein besonderes Interesse galt der aufkommenden terroristischen Szene, lange, bevor die Diskussionen über die Stadtguerilla in Berlin begannen. Schon 1965 hatten wir Kontakt zu einer in Italien lebenden Kommune, die Waffenübungen abhielt und den Kauf von Waffen durch Titelbilder in konkret zu finanzieren hoffte, 1965 druckten wir ein Titelbild von Mascha Raben. Sie und ihr Bruder Peer Raben lebten in einer Kommune, in der auch noch andere Deutsche wohnten, und sie waren meines Wissen die ersten Deutschen, die den Einsatz von Waffen erprobten. In Sizilien, wie sie uns wissen ließen. Wir hörten nie mehr etwas von ihnen, umso mehr hörte man von Peer Raben, der später fast alle Filmmusiken zu den Filmen von Faßbinder komponiert hat. Unverwechselbar, nach drei Takten.

Aust entwickelte an den Terroristen um Ulrike Meinhof, seiner früheren Kollegin, von Anfang an ein besonderes Interesse. Er wurde geradezu ein Spezialist für die RAF und krönte diese Recherchen durch sein schon 1983 erschienenes Buch „Der Baader Meinhof Komplex”.

Das Buch kommt in diesem Herbst in einer stark erweiterten Fassung wieder heraus und dessen gleichnamige Verfilmung durch Bernd Eichinger wird ebenfalls im Herbst 2008 in deutschen Kinos anlaufen. Die Spezialisierung auf die RAF hat Aust in linken Kreisen möglicherweise den Ruf eingebracht, auch besondere – oder überhaupt – Sympathien für die Terroristen zu hegen. Wer ihn kennt, weiß, daß das Gegenteil der Fall ist. Er hat zu einer ihrer ersten Niederlagen beigetragen.

So wurde Chefredakteur Aust allen Linken und linksdrehenden Journalisten im „Spiegel” ein immer größeres Ärgernis.

Doch erst 5 Jahre nach Augsteins Tod konnten sie den Absetzungsplan verwirklichen. Augstein selber hatte die Voraussetzung dafür geschaffen. Nach seinem Tod sahen seine leiblichen Erben sich entmachtet, die mit 24,0 Prozent nicht einmal mehr das Mitspracherecht eines Inhabers der GmbH ausüben können, 25,5 Prozent gehören, noch aus früheren Zeiten, dem Verlag Gruner&Jahr. Die Mitarbeiter-KG aber hält nun die alles entscheidenden 50,5 Prozent  des Verlages und konnte ihren erfolgreichen Chefredakteur in den Ruhestand schicken, als die Stimmung dafür reif war.

Das war schwierig, denn unter Aust hatte der Verlag erfolgreich den Schock der „Focus”-Gründung überwunden und seine Stellung an der Spitze gegen die starke Konkurrenz von „Focus” und „Stern” solide behauptet. Zahlreiche glanzvolle Titel haben dem Blatt in der Ära Aust immer zu neuer Beachtung und mehr Ansehen verholfen. Die Absetzung des erfolgreichen Chefs war also lange auch unter den Mitarbeitern nicht unumstritten.

Der Hauptvorwurf gegen Stefan Aust war, der „Spiegel”  sei unpolitisch geworden. Auf gut deutsch hieß das: Das Magazin war nicht mehr, wie eine Zeitlang unter Augstein, parteiisch im Sinne einer diffusen Sympathie für die 68er „Errungenschaften” und ihre Vorkämpfer.

Was ist nun heute, ein halbes Jahr nach dem folgenreichsten Königsmord in der neueren Mediengeschichte aus dem „Spiegel”  geworden? Ist er nach links gerückt, wie die taz bei der Absetzung Austs in einer Titelzeile jubelte? Nicht einmal das. Er ist nur langweilig geworden. Es geht, bei einem so großen, so gut eingespielten Unternehmen, nicht so schnell bergab, aber es geht mit dem neuen Team und dem neuen Geist mit Sicherheit nie mehr bergauf.

Aust macht aus seinem Entsetzen kein Hehl: Er habe, sagt er dem „Cicero”-Reporter, in den Wochen, seit seine Absetzung bekannt wurde, viel über die Deformierbarkeit der menschlichen Seele dazu gelernt: „Wie Leute, mit denen ich gut zusammengearbeitet hatte, von heute auf morgen illoyal wurden, wie sie sich andern vor die Füße warfen, oder wie sie sich duckten, um in Demut einen neuen Machthaber zu erwarten. Das ist schon eine interessante Erfahrung”.

Wenn schon die SPD den Sturz von Stefan Aust nicht zu verantworten hat, ist ihr dennoch durch sein Ausscheiden geholfen? Ist ihr durch einen veränderten, wieder parteiischen „Spiegel” zu helfen? Ist ihr überhaupt zu helfen? 20 Prozent für Beck, 25 für die SPD. neun Prozent für Gysi und Lafontaine. Der Trend ist gegen neue linke Experimente. Beck, Nahles und Lafontaine ergeben keine Mehrheit mehr.

Da hilft auch ein blinder, spiegelverkehrt die Wirklichkeit wiedergebender „Spiegel” nicht.

Foto: Stefan Aust: Der SPD ein Dorn im Auge?


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