29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.06.08 / Tod der Tochter / Komplexer Florenz-Krimi

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

Tod der Tochter
Komplexer Florenz-Krimi

Wenn man als Tourist durch die Straßen von Florenz schlendert, fallen einem die prächtigen Palazzi der Renaissancezeit auf. Gebaut von den mächtigen Familien der Stadt dienten sie sowohl der Repräsentation als auch dem Schutz vor feindseligen Angreifern. Dies hat zur Folge, daß die Fassaden zwar prächtig gestaltet sind, man aber kaum Gelegenheit hat, tatsächlich in das Innere vorzudringen. Dem touristischen Besucher bleibt daher die Stadt bei all dem Trubel und der Geschäftigkeit merkwürdig verschlossen, denn das ins Innere gekehrte, wahre Leben der Palazzi ist kaum erfaßbar. Die Ungewißheit, was sich hinter diesen Mauern wirklich abspielt, greift die englische Autorin Magdalen Nabb in ihrem neuen Kriminalroman auf.

Der mittlerweile 14. Fall, den der Maresciallo Salvatore Guarnaccia zu lösen hat, trägt dabei diesmal den vielsagenden Titel „Vita Nuova“ – neues Leben. Dies ist nicht nur eine Anspielung auf das Werk des Florentiner Poeten Dante Alighieri, sondern nimmt auch Bezug auf die sich während dieses Falles entwickelnden Selbstzweifel Guarnaccias. Denn der Maresciallo steht vor der entscheidenden Frage, ob es nicht im Zusammenhang mit der zu untersuchenden Straftat besser und vor allen Dingen sicherer wäre, alle Verantwortung abzugeben und mit seiner Familie irgendwo ein neues Leben zu beginnen. Doch wie kommt es, daß der etwas behäbige und immer etwas sturköpfige Guarnaccia in eine solch problematische Situation gerät? Es beginnt damit, daß der Maresciallo zu einem Mordfall etwas außerhalb von Florenz gerufen wird. In einer jahrhundertealten, aber jüngst protzig renovierten Villa wurde eine junge Frau erschossen aufgefunden. Es handelt sich um die älteste Tochter des Hauses, das von der Familie Paoletti bewohnt wird. Der Patriarch Signore Paoletti, der wegen eines Schlaganfalles im Krankenhaus liegt, ist davon überzeugt, daß es Raubmord gewesen ist. Seine Frau nimmt den Tod ihrer Tochter so gut wie nicht wahr, und die jüngere Tochter löst sich in hysterische Weinkrämpfe auf und kann sich nicht fassen. Die zwei Dienstmädchen sind kaum zu einer normalen Reaktion fähig und handeln nur auf Anweisung Paolettis. Guarnaccia bemerkt, daß die Details aber nicht stimmen. Obwohl sich die Familie nach außen ehrenhaft und gediegen gibt, findet Guarnaccia mit Hilfe des Journalisten Nesti heraus, daß Paoletti sein Vermögen anfangs mit Zuhälterei verdient hat. Mittlerweile betreibt er zwar offiziell eine legale Personalvermittlung, die billige Arbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa ins Land holt, aber es gibt eine Schattenwirtschaft, die gefährliche Drohungen mit sich bringt und noch Schlimmeres erahnen läßt. Der Fall zieht derartige Kreise, daß Guarnaccia nicht weiß, ob er seinen Job riskieren soll oder bereit ist, sich mit den Machtspielen der geschlossenen Florentiner Gesellschaft zu arrangieren.

Die Autorin bietet in diesem Krimi keine einfache Lösung an, und auch diesmal steht weniger das Verbrechen im Vordergrund als die Menschen, die an den Handlungen anderer verzweifeln. Dies macht den Reiz ihrer Romane aus, da man zumindest durch das erzählerische Schlüsselloch einen Blick hinter die Kulissen der Palazzi erhaschen kann. Aber obwohl Guarnaccia am Ende eine andere Entscheidung fällt, so ist es doch sein letzter Fall geworden, da Magdalen Nabb im Sommer 2007 an den Folgen eines Schlaganfalles im Alter von nur 60 Jahren in Florenz verstarb.             Anne Bruch

Magdalen Nabb: „Vita Nuova – Guarnaccias 14. Fall“, Diogenes, Zürich 2008, geb., 322 Seiten, 19,90 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren