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28.06.08 / Von der »Besenstielkiste« zum Linienflug / Ausstellung im Volkskulturmuseum Angerburg zeigt Ostpreußens Luftgeschichte in Bildern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-08 vom 28. Juni 2008

Von der »Besenstielkiste« zum Linienflug
Ausstellung im Volkskulturmuseum Angerburg zeigt Ostpreußens Luftgeschichte in Bildern
von Ch. Hinkelmann

Angerburg hatte keinen Zivil- oder Militärflughafen, es ist auch nicht belegt, daß in seiner Umgebung Segelflug in nennenswertem Umfang betrieben wurde. Doch nun ist im Volkskulturmuseum (Muzeum Kultury Ludowej in Angerburg) Wegorzewo ein Einblick in die ostpreußische Fliegerei vor 1945 möglich. Die Ausstellung „Mit Windkraft und Propeller – Bilder aus Ostpreußens Luftfahrtgeschichte“, vor einigen Jahren vom Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg erarbeitet und dort wie auch im Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen gezeigt, ist in der Heimat der zahlreichen Fotodokumente zu sehen, die die Präsentation ausmachen.

Der Traum vom Fliegen wurde  auch in Ost- und Westpreußen geträumt und so ersannen Menschen dort Möglichkeiten, sich den Vögeln gleich in die Lüfte zu schwingen. Daß dies nicht immer erfolgreich war zeigte, nach dem tragischen Tod Otto Lilienthals, 1896 die „Erste Ostdeutsche Flugzeugfabrik Rößel in Ostpreußen“. Ihr Name war Anspruch und Programm, doch ihre Bilanz war bescheiden: Das einzige, 1910 von Ingenieur Bloeß konstruierte und von Unternehmer Fest finanzierte Flugzeug der Firma erreichte immerhin 30 Meter Höhe, erlebte aber mehrere Bruchlandungen, so daß das Unternehmen wegen zu hoher Kosten 1911 eingestellt wurde.

Die eigentliche Luftfahrtgeschichte Ostpreußens begann gleich nach dem Ersten Weltkrieg und war eine direkte Folge der Bedingungen des Versailler Vertrages, die den Motorflug in Deutschland verboten. Damals besann sich Ferdinand Schulz (1892-1929), ein begeisterter Weltkriegsflieger, auf die Versuche Lilienthals, motorlos zu fliegen und baute mehrere Varianten leichter Fluggeräte. Die bekannteste dieser Konstruktionen war die „FS 5“, die später sogenannte „Besenstielkiste“, deren Steuerknüppel tatsächlich aus Stielen der bekannten Kehrgeräte bestanden. Mit diesem Gleiter blieb er am 11. Mai 1924 ganze acht Stunden und 42 Minuten in der Luft und stellte damit den ersten Dauerflug-Weltrekord im Segelfliegen auf. Dieses denkwürdige Ereignis fand während des „Zweiten  Deutschen Küstensegelflug-Wettbewerbs“ nahe Rossitten auf der Kurischen Nehrung statt. Hier hatten Schulz und seine Mitstreiter mit dem ständig wehenden Seeküstenwind ideale Bedingungen für den Segelflug ausfindig gemacht und mit den seit 1923 stattfindenden Wettbewerben einen zweiten Schwerpunkt des deutschen Segelflugs etabliert. Der andere war die Wasserkuppe auf der Rhön, wo die Thermik den Segelflug ermöglicht. Fortan kümmerten sich beide in der „Rhön-Rossitten-Gesellschaft“ vereinigten Zentren um die Flugbegeisterten. In Rossitten wurden zwischen 1924 und 1944 etwa 30000 Segelflugschüler ausgebildet. Den neben der Geschichte des Segelflugs in Ostpreußen zweiten Schwerpunkt der Ausstellung bildet die „Deutsch-Russische Luftverkehrs-Gesellschaft“ (Deruluft), die zwischen 1921 und 1936, de facto bis 1937, bestand. Die Zusammenarbeit zwischen dem Kriegsverlierer Deutschland und dem international isolierten Sowjet-Rußland (diese Bezeichnung erklärt den Bestandteil „Russisch“ im Firmennamen) ermöglichte es dem Reich, eine motorisierte Fluglinie einzurichten. Wenn auch die Gesellschaft gleichmäßig im Besitz Deutschlands und der Sowjetunion war, so flogen die Maschinen in den ersten Jahren der Deruluft unter dem Kürzel „RR“ für „Rossis­kaja Respublika“. Start- und Zielflughafen auf deutscher Seite war die ostpreußische Hauptstadt Königsberg, bis 1927 eine Streckenerweiterung nach Berlin eingerichtet werden konnte. Auf russischer Seite war dies Moskau. Die Deruluft flog zunächst nur im Sommerhalbjahr und war dennoch eine der ersten Fluggesellschaften mit regelmäßigem, wenn auch nie ganzjährigem Flugplan. Das Streckennetz wurde bald um wichtige Metropolen, z.B. Riga und Leningrad (heute St. Petersburg), erweitert. Der Königsberger Flughafen Devau erhielt bereits 1922 einige der modernsten Gebäude im damaligen Europa und wurde durch die Anbindung der Lufthansa 1926 zur wichtigen Drehscheibe des ostmitteleuropäischen Flugverkehrs. Leider verschlechterten sich die politischen Rahmenbedingungen auf beiden Seiten der Vertragspartner nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, man kam überein, die Deruluft aufzulösen. Ein seltenes Beispiel guter deutsch-sowjetischer Zusammenarbeit fand sein Ende.

Fotos, Plakate, Werbeanzeigen und zahlreiche weitere Dokumente lassen die Geschichte der Luftfahrt in Ostpreußen vor 1945 lebendig werden. Die Ausstellung „Mit Windkraft und Propeller“ im Volkskulturmuseum Angerburg wurde von der Kreisgemeinschaft Angerburg e.V. vermittelt und vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziell unterstützt, insbesondere die gesamte Übersetzung ins Polnische. So wird die eröffnete Ausstellung komplett zweisprachig präsentiert und für viele deutsche Ostpreußenreisende ein lohnendes Ziel sein. Sie wird dort noch bis zum Herbst gezeigt, ein genaues Enddatum der Laufzeit steht aber noch nicht fest. Im kommenden Jahr ist eine Präsentation auf der Wasserkuppe in der Rhön vorgesehen, weitere Stationen sind angefragt.

Foto: Eröffnen die Ausstellung (v.l.n.r.): Krystyna Jarosz (Muzeum Kultury Ludovej), Julita Venderbosch (Kulturreferentin für Ostpreußen), Dr. Christoph Hinkelmann


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