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05.07.08 / Siemens sonstwo

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Siemens sonstwo
von Harald Fourier

Meine Eltern haben einen kleinen Schrebergarten. Da kommt im Sommer die ganze Familie zusammen. Und Freunde meiner Eltern natürlich auch. Die Arbeitskollegen meines Vaters, inzwischen in Rente, sind allesamt Siemensianer – von denen höre ich immer, was bei dem Großkonzern so los ist. Siemens mit einem Umsatz von 72 Milliarden Euro wurde vor 161 Jahren in Berlin gegründet und war lange, lange der größte private Arbeitgeber in der Stadt, auch wenn die Firmenspitze seit langem in München sitzt. 14000 Mitarbeiter sind es heute noch. Vor 40 Jahren waren es mal mehr als doppelt so viele. Es gibt einen ganzen Ortsteil, der Siemensstadt heißt. Mein Onkel, auch ein ehemaliger Siemens-Mitarbeiter, wohnt dort. Wer auf der Stadtautobahn von Norden in die Berliner Innenstadt fährt, der kommt in Spandau an den riesigen Fabrikhallen vorbei, auf denen groß das Firmenlogo prangt.

Mein Vater hat genau dort gearbeitet, hatte zuletzt einen Arbeitsplatz als Programmierer von Abrechnungssystemen für Telefongesellschaften. Doch so wie Siemens seine Handysparte verkauft hat, so wurde auch dieser Bereich nach und nach ausgegliedert. Jüngere erhielten Riesensummen als Abfindung, Ältere wie mein Vater wurden in den Vorruhestand entlassen. Es ist das alte Spiel: Die Arbeit wird jetzt in Süd-Indien erbracht. Arbeitskräfte sind dort billiger als in Deutschland.

Daran mußte ich denken, als ich vorige Woche in Hamburg das Fußballspiel Deutschland-Türkei in einer Pizzeria am Hauptbahnhof geschaut habe. An meinem Tisch saßen zwei Lateinamerikaner. Es stellte sich heraus, daß sie zu einem Lehrgang nach Hamburg gekommen sind. Sie waren beide Ingenieure – und arbeiteten für den Siemens-Konzern.

Ich erzählte ihnen, daß mein Vater auch einst bei Siemens gearbeitet hat, was sie sehr interessant fanden. So ist das mit der Globalisierung: Hier werden selbst die gutbezahlten und hochqualifizierten Arbeitsplätze abgebaut, in Bangalore, Mexiko, Shanghai oder sonstwo kommen neue dazu. Und es gibt wenig, das wir dagegen tun können. Egal, was populistische Politiker den Wählern versprechen.

Das wurde mir klar, als ich aus Hamburg nach Hause kam. Dort fand ich folgende Zeitungsmeldung vor: Siemens baut wieder mal 17000 Stellen ab. Davon 340 in Berlin. Die Belegschaft hat dies – wie ich – aus der Zeitung erfahren. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, was ich auf der nächsten Gartenparty bei meinen Eltern zu hören bekomme.


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