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05.07.08 / Christen unter Druck / Verhaftungen, Geldstrafen, Gottesdienst-Verbote: Algerien geht gegen Kirchen vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Christen unter Druck
Verhaftungen, Geldstrafen, Gottesdienst-Verbote: Algerien geht gegen Kirchen vor

In Algerien gerät die christliche Minderheit immer stärker unter staatlichen Druck. Mehr als die Hälfte der etwa 50 evangelischen Kirchen in dem nordafrikanischen Land ist geschlossen worden.

Besonders im Visier sind Christen, die ihren Glauben verbreiten wollen, und Muslime, die zum Christentum übertreten. Die Justiz geht auch gegen Katholiken vor, die außerhalb ihrer Kirchengebäude, etwa mit schwarzafrikanischen Einwanderern, beten. Priester wurden daran gehindert, Weihnachts- und Ostergottesdienste für Italiener zu halten, die in der Ölindustrie arbeiten. Nonnen dürfen keinen französischen Sprachunterricht mehr erteilen, so der Informationsdienst „Compass Direct“.

Wegen des Verteilens missionarischer Schriften verurteilte ein algerisches Gericht Ende Mai sechs vom Islam konvertierte Christen zu Haftstrafen von jeweils zwei Jahren. Das Urteil im Fall einer 37jährigen Konvertitin, die mit mehreren Bibeln in einer Tasche festgenommen worden war, wurde verschoben.

Bereits im April war ein Christ wegen angeblicher religiöser Abwerbung eines Muslims zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Ferner soll er eine Geldstrafe von umgerechnet fast 1000 Euro zahlen. Das Gericht in Tiaret, etwa 230 Kilometer südwestlich von Algier, habe jetzt das schriftliche Urteil vorgelegt, teilte der Präsident der Protestantischen Kirche Algeriens, Mustafa Krim, mit. Der Verurteilte, der lieber anonym bleiben wolle, werde gegen das Urteil Berufung einlegen. Der Christ habe nur sehr zögerlich einem Mann auf dessen Wunsch hin eine Bibel gegeben. Der Empfänger habe sich später als verdeckter Polizeiermittler erwiesen.

Presseberichten zufolge hat Religionsminister Abdellah Ghullamallah Konvertiten als Bedrohung für die Staatssicherheit in dem Land bezeichnet, in dem der Islam Staatsreligion ist. In algerischen Zeitungen häufen sich Angriffe auf die christliche Minderheit. Die Regierung habe die „Jagd auf die Konvertiten“ eröffnet, hieß es. Der 78jährige katholische Erzbischof von Algier, Henri Teissier, der jetzt von Abdallah Bader (57) im Amt abgelöst wurde, bezeichnete die Regierungskampagne gegen die Evangelisierung als „sehr schmerzhaft“ für die katholische Kirche. Unter den 32,4 Millionen Einwohnern Algeriens leben rund 2000 Katholiken, vor allem Gastarbeiter und Studenten. Die Zahl der Protestanten, vor allem in der Kabylei, wird auf bis zu 10000 Personen geschätzt.

Grundlage für das Vorgehen gegen Christen bildet ein Religionsgesetz aus dem Jahr 2006, das jetzt umgesetzt wird. Danach wird mit einer zwei- bis fünfjährigen Haft bestraft, wer einen Muslim anstiftet, zwingt oder mit verführerischen Mitteln beeinflußt, zu einer anderen Religion überzutreten. Außerdem müssen sich christliche Gemeinden staatlich registrieren lassen und ihre Gottesdienste den Behörden anzeigen. Es ist verboten, christliche Literatur zu lagern und zu verteilen.

Algerische Christen seien in ihrem Land noch nie stärkerem Druck ausgesetzt gewesen, erklärte der algerische Fernsehevangelist Farid Bouchama, der von Frankreich aus tätig ist. Früher hätten sie Diskriminierungen in der Familie oder im Beruf erlebt; jetzt seien sie organisiertem Druck des Staates ausgesetzt, sagte er gegenüber „Compass Direct“.

Nach Angaben von Mustafa Krim sind die Gemeinden noch unentschlossen, ob sie sich den Schließungen fügen oder gegen sie mit rechtlichen Mitteln vorgehen sollen. Sie versuchten, eine legale Existenz aufzubauen, erlebten aber bei den Versuchen zur Registrierung unterschiedliche und widersprüchliche Reaktionen der Behörden, so ein Sprecher des protestantischen Dachverbands. So würden kleine Gemeinden, die sich in Privathäusern oder umgebauten Garagen versammeln, nicht als vollwertige Kirchen angesehen.

Als Ursache für das verschärfte Vorgehen des Staates werden unterschiedliche Gründe angegeben. Manche vermuten, daß sich Präsident Abdelasis Bouteflika bei seinem Vorhaben, die Verfassung zu ändern, die Unterstützung islamistischer Gruppen sichern wolle. Auf diese Weise wolle er sich 2009 eine dritte Amtszeit ermöglichen.

Andere sehen den Druck auf die Christen als ein Manöver an, von Problemen wie der Wohnungsnot und den steigenden Nahrungsmittelpreisen abzulenken. Nach Angaben von „Compass Direct“ sehen Christen den Hauptgrund für das staatliche Vorgehen indes nicht so sehr in einem Machtzuwachs der Islamisten, sondern im zahlenmäßigen Anwachsen der Christen, etwa in der Kabylei.                 idea

Foto: Betender Katholik in Algier: Vor allem Gastarbeiter und Studenten aus dem Ausland verbreiten das Christentum in dem afrikanischen Land.

 

Zeitzeugen

Karl Martell – Der fränkische „Hausmeier“ (in etwa: Kanzler) Karl (688/89–741) führte das Heer aus Franken, Sachsen und Langobarden an, das den muslimischen Vormarsch nach Kerneuropa in der Schlacht von Tours und Poitiers 732 stoppte. Die Mohammedaner hatten seit 711 fast ganz Spanien erobert. Nach Karl, dessen Beiname Martell „der Hammer“ bedeutet, wurde später das Geschlecht der Karolinger benannt.

 

Yusuf ibn Taschfin – Der Herrscher aus dem Berbergeschlecht der Almoradiven (1009–1106) eroberte 1102 Valencia, das acht Jahre zuvor vom legendären Feldherrn Rodrigo Díaz de Vivar, genannt „El Cid“, (1043–1099) für die Christenheit zurückerlangt worden war. Yusufs Regentschaft gilt als einer der Höhepunkte maurischer Machtentfaltung auf der Iberischen Halbinsel.

 

Diokletian – In die Herrschaft des römischen Kaisers ab 284 fällt die letzte und brutalste Christenverfolgung des Imperiums um das Jahr 303. Für Diokletian, über dessen Geburts- und Sterbejahr keine genauen Informationen vorliegen, war das Christentum mit seinem Ausschließlichkeitsanspruch eine Gefahr für das Römische Reich. Er zog sich als einziger Imperator im Jahre 305 friedlich aus dem Amt zurück. Noch zu seinen Lebzeiten wurde das Christentum 311 schließlich anerkannt.

 

Candidus – Er war Mitglied der Thebäischen Legion des Mauritius, die sich weigerte, an Diokletians Christenverfolgung mitzuwirken. Dafür wurde Candidus der Legende nach 302 bei Agaunum hingerichtet. Seither wird der römische Soldat als Märtyrer des Christentums verehrt.

 

Walter Ulbricht – Der erste Staatsratsvorsitzende der DDR betrieb Anfang der 50er Jahre die direkte staatliche Verfolgung von Christen. Ulbricht (1893–1973) ließ 1953 zahlreiche junge Christen von den Oberschulen werfen  und die „Junge Gemeinde“ als „staatsfeindlich“ diffamieren, es kam zu Inhaftierungen. Im öffentlichen Bewußtsein blieb die von Ulbricht veranlaßte Sprengung der Leipziger Universitätskirche haften, um deren Wiederaufbau heute gerungen wird.


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