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05.07.08 / Sündenbock der Mudschaheddin? / Das Haager Tribunal für Kriegsverbrecher will ein Urteil über General Rasim Delic fällen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Sündenbock der Mudschaheddin?
Das Haager Tribunal für Kriegsverbrecher will ein Urteil über General Rasim Delic fällen
von Wolf Oschlies

Vom Nürnberger Prozeß (1946) und vom Tokioter (1948) übernahm das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal für Ex-Jugoslawien (ICTY) zwei zuvor unbekannte Rechtsprinzipien. Zum einen „Commands responsibility“, nach der politische und militärische Führer für etwaige Untaten ihrer Untergebenen strafrechtlich verantwortlich sind. Zweitens „Joint criminal enterprise“, also die Verantwortung für die Folgen eines potentiell gefährlichen Plans. Bislang hat das ICTY 161 ex-jugoslawische Politiker und Militärs nach diesen Prinzipien angeklagt, von denen einige noch nicht gefaßt sind, andere ihre Strafen bereits verbüßten, wieder andere vor Strafantritt verstarben oder an heimische Gerichte überstellt wurden. Im Haag stehen derzeit 48 Angeklagte in verschiedenen Stadien ihrer Prozesse.

Unter diesen Angeklagten ist der bosnische General Rasim Delic, Jahrgang 1949, vom 8. Juni 1993 bis 31. Oktober 1995 Kommandeur des Generalstabs der Armee Bosnien-Herzegovinas (ABiH). In dieser Armee diente seit Mitte 1992 eine immer größere Zahl islamischer Terroristen, sogenannte Mudschaheddin oder Gotteskrieger, die in Bosnien einen „Dschihad“ (Heiligen Krieg) „gegen die Feinde der bosnischen Muslime“ führten. Dabei begingen die Mudschaheddin zahlreiche Greueltaten, für die Delic jetzt den Kopf hinhalten soll. Als die Anklage am 15. Februar 2005 erhoben wurde, stellte sich Delic zwei Wochen später dem Tribunal, überzeugt davon, unschuldig zu sein.

Delic, Ex-Berufsoffizier der ex-jugoslawischen „Volksarmee“ und seit April 1992 in hohen Funktionen der bosnischen Armee, soll vom ICTY strafrechtlich belangt werden, weil er als höchster Offizier der ABiH über das Wüten der Mudschaheddin informiert war und dieses nicht verhindert hat. Juristisch ein klarer Fall von „Commands responsibility“. Anfang Juni wurden im Haag die Schlußplädoyers der fünf Ankläger gehalten, und vermutlich wird Delic jede Strafe hinnehmen, die ihm das ICTY auferlegt. Anderenfalls müßte er die Verstrickung der früheren politischen Führung der bosnischen Muslime in terroristische Netzwerke aufdecken, was dieser loyale Offizier kaum tun wird.

Bosnien erklärte im Oktober 1991 seine Unabhängigkeit, die im April 1992 international anerkannt wurde. Wenige Wochen später wurde das Land von Serbien und Kroatien angegriffen, deren Präsidenten Milosevic und Tudjman sich zuvor auf eine Teilung Bosniens geeinigt hatten. Die bosnischen Muslime – etwa die Hälfte der Bevölkerung, neben Serben (30 Prozent) und Kroaten (17 Prozent) – kamen in größte Bedrängnis und akzeptierten jede Hilfe, die sich ihnen bot. Unter den ersten „Helfern“ war das Terrornetzwerk „Al-Kaida“, dessen Anführer Osama bin Laden 1993 von der bosnischen Botschaft in Wien einen bosnischen Paß bekam. Staatsbürgerschaften für „Kriegsverdienste“ erhielten auch die rund 10000 Mudschaheddin, die laut Nebojsa Covic, nach 2000 Kosovo-Beauftragter der Belgrader Regierung, im Krieg 1992 bis 1995 in Bosnien ihr Unwesen trieben. Ihr „Auffangbecken“ war die im November 1992 geschaffene 7. Muslimische Brigade, in der die Mudschaheddin eine eigene Abteilung „Al Mudschahid“ unterhielten. Diese betrieb in Zenica und Vozuca eigene Ausbildungslager, in denen Alija Izetbegovic, damals Präsident der bosnischen Muslime und „Ehrenkommandant“ der 7. Muslimischen Brigade, häufig zu Gast war. Außer ihm wußte kaum jemand, wie viele Mudschaheddin in Bosnien waren, obwohl „Al Muschahid“ 1994 und 1995 als „beste Armee-Einheit“ galt.

Izetbegovic (1925–2003) hat im November 2001 in einem „Time“-Interview bestritten, die Mudschaheddin ins Land gelassen, sie dort unterstützt und persönliche Kontakte mit Osama bin Laden gehabt zu haben. Das waren drei Lügen, die General Delic jetzt leicht aufdecken könnte. Als er sein Amt 1993 antrat, waren Verbrechen der Mudschaheddin bereits aktenkundig, worüber Izetbegovic seinen neuen Armeechef informierte. Delic beauftragte General Jusuf Jasarevic, damals Sicherheitschef der ABiH, die Einheit „Al Mudschahid“ unter schärfste Überwachung zu stellen, konnte aber nicht verhindern, daß diese noch im September 1995 51 Serben in dem Dorf Kesten ermordete.

Kesten, Vozuca, Maline, das Gefangenenlager Kamenica und weitere Orte wurden allein von „Al Mudschahid“ kontrolliert. Das steht auch in der Anklage des ICTY, wo die „Neigung“ (propensity) der Mudschaheddin zu Verbrechen, „vor allem Verbrechen an gefangenen Soldaten und Zivilpersonen“, offen erwähnt wird. Der Haager Grundfehler ist jedoch, das alles Delic anzulasten und nicht einmal die Möglichkeit zu prüfen, daß diese islamischen Killer dem General nur formal unterstanden, tatsächlich aber eine von der politischen Führung gedeckte Terrorformation waren.

Die Beweise sind in Bosnien mit der Hand zu greifen. Das Dorf Bocinja bei Maglaj ist nach wie vor eine Oase der Mudschaheddin, in die sich kaum jemand traut. In Zenica wirkt die Gruppe „Ensarija“ als Stoßtrupp der Mudschaheddin, die nach dem Krieg in Bosnien blieben. Ihr Leiter ist der Syrer Imad al-Hussein, der unter dem Namen Abu Hamza ein Al-Kaida-Führer ist. Seine rechte Hand ist Al Hamad, derzeit in Zenica in Haft, der noch unlängst einräumte, daß „Al Mudschahid“ unter dem direkten Kommando von Al-Kaida stand und in ihrem Namen seine Verbrechen beging. In Europa und in Nahost werden laufend Terroristen aufgegriffen – der Marokkaner Said Atmani, der Franzose Lionel Dumont, der Algerier Mohammed Mehdavi etc. –, die alle bosnische Pässe besaßen. In Saudi-Arabien wurden 2005 Junuz Muhamed al Hajari und Said Sad al Samari, zwei regionale Al-Kaida-Führer und bosnische Staatsangehörige, bei einem Gefecht getötet. 

Das will sich Bosnien nicht mehr bieten lassen. Bereits Anfang 2006 erklärte Dragan Mektic, Vize-Minister für Sicherheit, man werde 2000 Staatsbürgerschaften überprüfen. 2007 wurde 367 Personen die bosnische Staatsbürgerschaft aberkannt, darunter auch Abu Hamza, den die Behörden längst als „Sicherheitsrisiko“ einstuften. Der kümmert sich nicht darum, lebt mit seiner bosnischen Ehefrau und seinen sechs Kindern wie bisher. In Interviews beteuert er seine Unschuld, hat beim „Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte“ ein Verfahren angestrengt und massive Unruhen seiner „arabischen Brüder“ angekündigt, falls Ausweisungen aus Bosnien geschehen. Mit Sicherheit wird dieser Terrorist in Bosnien unbehelligter leben als General Delic im Haager ICTY.  

Foto: Stellte sich selbst dem Gericht: Rasim Delic hält sich für unschuldig.


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