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05.07.08 / Unmoralische Interessenpolitik / Warum im Kongo militärisch interveniert wurde und in Simbabwe nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Unmoralische Interessenpolitik
Warum im Kongo militärisch interveniert wurde und in Simbabwe nicht
von Martin Schmidt

Wohl niemand jenseits der Grenzen Simbabwes hegt Zweifel daran, daß die Präsidentschafts-Stichwahl vom 27. Juni eine einzige Farce war. Auch sehr viele Bewohner des krisengeschüttelten südafrikanischen Landes werden der gleichen Meinung sein, dürfen dies allerdings nicht öffentlich bekunden, wenn ihnen ihr Leben lieb ist. Doch warum interveniert die sogenannte „internationale Öffentlichkeit“ mit ihren ansonsten von Auslandseinsatz zu Auslandseinsatz hetzenden Organisationen Uno, Nato und EU dieses Mal nicht? Warum werden angesichts zahlloser Morde und einer allgemeinen Rechtlosigkeit keine Truppen in Marsch gesetzt, ja nicht einmal massive Wirtschaftssanktionen verhängt?

All das muß kritische Zeitgenossen irritieren. Daran ändern auch Erklärungen wie jene des „Welt“-Kommentators Clemens Wergin vom 24. Juni wenig, der auf die Einschränkungen durch das moderne Völkerrecht und konkret durch das „allgemeine Gewaltverbot“ in der Charta der Vereinten Nationen hinweist. Tatsächlich vermag die machtpolitische Passivität des Westens etwa in Birma (Myanmar) als Beleg für eine völkerrechtlich motivierte Zurückhaltung dienen, zumal die Volksrepublik China und Rußland der fortgesetzten Aufweichung der Staatensouveränität – mit guten Gründen – entgegenwirken. Doch warum war es 1992 anders, als der Uno-Sicherheitsrat die Mission in Somalia mit schweren Menschenrechtsverletzungen im Innern begründete? Und welche grundsätzlichen Unterschiede gibt es im Vergleich zum Irak, zur internationalen Einmischung im Kosovo oder zum Fall Kongo?

Ein genauerer Blick auf das im Sommer 2006 von der Europäischen Union gestartete und von den Parlamenten der Mitgliedsländer im Schnellverfahren abgenickte militärische Vorgehen in der seit Jahren bürgerkriegsgeschüttelten Demokratischen Republik Kongo erhellt die Unterschiede. Die gut 2000 Soldaten, die nach offizieller Lesart den seinerzeit bevorstehenden Wahlkampf zwischen dem autokratischen Präsidenten Joseph Kabila und dessen Widersacher Jean-Pierre Bemba absichern sollten, unterstanden dem deutschen Oberkommando und der operativen Verantwortung Frankreichs. In Wahrheit ging es beiden Staaten samt ihren europäischen Partnerländern nur am Rande um demokratische Standards, sondern in erster Linie um den weiteren Zugang zu den äußerst reichhaltigen Rohstoffen dieses zentralafrikanischen Landes. Der Kongo ist nicht nur das mit Abstand wasserreichste Gebiet des Kontinents, sondern zählt auch zu den rohstoffreichsten Staaten der Erde. Dem Einsatz ging eine ausdrückliche Bitte Frankreichs im Uno-Sicherheitsrat voran, dieser möge die Europäische Union zur Intervention ermächtigen. Der Moment schien günstig: Die USA waren gerade zu sehr im Irak eingebunden, um im Kongo selbst Aktivitäten zu beginnen, und auch den anderen Großmächten fehlte die Bereitschaft, der offensichtlichen EU-Hegemonialpolitik in diesem noch bis 1960 durch die Kolonialmacht Belgien regierten Teil Afrikas einen Riegel vorzuschieben.

Letztlich kommt auch der „Welt“-Kommentator Clemens Wergin angesichts solcher und vergleichbarer Hintergründe zu einer schlüssigen Erklärung der eingangs dargestellten Ungereimtheiten, wenn er die „kalte Frage nach nationalen Interessen“ ins Spiel bringt. Denn, so Wergin, „nur wenn sich zur Moral ... nationaler Eigennutz gesellt, sind Staaten zum Eingreifen bereit“. Doch in diesem Punkt ist Simbabwe schlicht zu uninteressant. Weder gibt es handfeste Machtinteressen wie im Kosovo noch eine strategische Bedeutung wie jene Somalias oder gewaltige Rohstoffreserven wie im Irak oder im Kongo. Das Land, das einst, als es noch Rhodesien hieß, als Kornkammer Afrikas galt, ist heute völlig ausgelaugt. Zwar hatte es nach dem Zweiten Weltkrieg einen beträchtlichen Wirtschaftsaufschwung zu verzeichnen, in dessen Gefolge sich die bis dahin ganz auf den Bergbau – überwiegend von Gold – und die Landwirtschaft gestützte Ökonomie um die industrielle Verarbeitung strategisch wichtiger Rohstoffe erweiterte, doch diese vergleichsweise guten Zeiten sind passé.

In der auf die Unabhängigkeitserklärung von 1980 folgenden langen Regierungszeit des Schona-Häuptlings Robert Mugabe erlebte Simbawe einen selbst im afrikanischen Vergleich beispiellosen Abstieg. Rund 4000 weiße Großfarmer, die in den fruchtbaren Landesteilen als Motoren einer effektiven Landwirtschaft gewirkt hatten, wurden enteignet, umgebracht oder außer Landes getrieben. An ihre Stelle und die der bisherigen angelernten schwarzen Arbeiter kamen Angehörige der neuen sozialistischen Parteieliten, die von der Bewirtschaftung keine Ahnung hatten. Die Ausfuhren bestehen heute zu 60 Prozent aus dem Export von Tabak, Tee, Zucker, Baumwolle, Mais, Holz und Kaffee und sind wegen der Agrarkrise deutlich rückläufig. Mehr als drei von vier Einwohnern Simbabwes sind nicht zuletzt deshalb arbeitslos geworden; die Inflation liegt bei unvorstellbaren 164000 Prozent, eine neuerliche Dürre und Mißernten stehen bevor. Schon jetzt sind 5,8 von 12,7 Millionen Einwohnern Simbabwes auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten 15 Jahren von 61 auf 34 Jahre gesunken. Viele besser Qualifizierte wandern nach Botswana, Australien, in die USA oder nach Südafrika aus, wo es bereits annähernd drei Millionen Flüchtlinge aus dem nördlichen Nachbarland geben soll.

Während im Kongo die Franzosen als in afrikanischen Fragen tonangebende EU-Macht auf eine Intervention hinwirkten, gibt es hinsichtlich Simbabwes keine vergleichbare treibende Kraft. Die afrikanischen Nachbarstaaten, allen voran Südafrika mit Präsident Mbeki, decken Mugabe noch immer wegen seiner Rolle bei der Entkolonialisierung, und die Afrikanische Union (die frühere Organisation für Afrikanische Einheit / OAU) erweist sich wieder mal als ebenso machtlos wie handlungsunfähig. Somit kämen für eine Intervention vor allem die Briten als ehemalige Kolonialmacht in Frage.

In diesem Zusammenhang wies das niederländische Wochenmagazin „Elsevier“ am 24. Juni allerdings treffend auf bestehende ideologische Schranken hin: „Aber die Briten sind, anders als die Franzosen, die einfach eine Fremdenlegion schicken, wenn es die Situation in Afrika erfordert, immer überängstlich, daß sie des Neo-Kolonialismus beschuldigt werden. Solange der britische Premier Gordon Brown nicht bereit ist, seinen so gelobten Geheimdienst oder seine Kommandos in Stellung zu bringen, um Simbabwe von Mugabe zu befreien, oder eine andere Lösung zu suchen, winkt für die leidgeprüften Simbabwer nur eine tiefschwarze Zukunft.“

Foto: Robert Mugabe: Er macht aus seinem Willen zur absoluten Macht kein Geheimnis.


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