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05.07.08 / Das Ende des Kaffeesatzes / Vor 100 Jahren erfand Melitta Bentz ihren Papierfilter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-08 vom 05. Juli 2008

Das Ende des Kaffeesatzes
Vor 100 Jahren erfand Melitta Bentz ihren Papierfilter
von Anne Bruch

In den Zeiten der Kaffeevollautomaten, Kaffeepads und amerikanisch anmutenden Kaffeebar-Ketten, die ihre Produkte mit einer vermeintlich praktischen „to go“-Philosophie vermarkten, erscheint das Kaffeekochen mit Hilfe eines Papierfilters fast schon anachronistisch. Doch der klassische Filterkaffee behält – laut Mitteilung des Deutschen Kaffeeverbandes – seinen Marktanteil von fast 80 Prozent, und das traditionelle Aufbrühen mittels eines Kaffeefilters ist bis heute noch die am weitesten verbreitete Zubereitungsmethode.

Zu verdanken haben wir dieses Aufbrühverfahren der Erfindung der pfiffigen Dresdner Hausfrau Melitta Bentz (1873–1946). Diese störte sich am unbekömmlichen Kaffeesatz, der das so beliebte Heißgetränk bitter machte und nach dem Trinken zwischen den Zähnen knirschte. Anfang 1908 beschloß deshalb Melitta Bentz, diese unangenehmen Nebenwirkungen abzuwenden, und begann in ihrer Küche zu tüfteln. Ein Löschblatt aus dem Schulheft ihres Sohnes Willy brachte die junge Mutter auf die geniale Idee, den Kaffee zu filtern. Sie durchlöcherte den Boden einer Blechdose, setzte sie auf eine Kaffeekanne, legte das zurechtgeschnittene Löschpapier hinein, füllte das Kaffeepulver auf und goß heißes Wasser darüber. Tatsächlich funktionierte diese Methode, denn nur wenige Minuten später tröpfelte der erste gefilterte Kaffee in ihre Kaffeekanne.

Von diesem Erfolg ermutigt, experimentierte Melitta weiter und probierte unterschiedliche Papiersorten aus, um den optimalen Diffusionsgrad, die bestmögliche Durchlaufgeschwindigkeit für den Kaffeesud zu ermitteln. Außerdem ersetzten Melitta Bentz und ihr Mann Hugo, der sich mittlerweile ebenfalls an den Versuchen beteiligte, die Blechdose durch einen aus Messing zusammengeschweißten, 13 Zentimeter hohen zylindrischen Filterapparat. Am 20. Juni 1908 meldete Melitta Bentz ihren Filter beim Kaiserlichen Patentamt an und erhielt selbst Gebrauchsmusterschutz – statt wie sonst üblich einen Eintrag auf den Namen des Ehemanns – für einen mit „Filtrierpapier“ arbeitenden „Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflußlöchern“.

Aus der Erfindung war bald eine Geschäftsidee geworden, und bereits im Dezember 1908 startete die Firma M. Bentz mit einem Kapital von 72 Reichspfennigen in der kleinen Wohnstube der damals vierköpfigen Familie Bentz. Die ersten Filterkörper ließ Melitta in einer Metallwarenfabrik in Westfalen fertigen, das erste Filterpapier lieferte eine Papierfabrik in Sachsen. Nicht nur beim Produkt, auch beim Vertrieb ihrer Innovation erwies sich das Familienunternehmen als erfinderisch. Melitta demonstrierte ihren Kaffeefilter beim Kaffeekränzchen, Ehemann Hugo, zuletzt Abteilungsleiter in einem Dresdner Kaufhaus, führte die Handhabung in Schaufenstern vor – eine damals neue Idee, die das Unternehmen später mit sogenannten „Vorführdamen“ ausweitete. Geschäftig zeigten sich von Anfang an auch die beiden Söhne Horst und Willy. Sie lieferten die erste Ware mit dem Bollerwagen an die Kunden aus.

Die Melitta-Filtertüte wird schnell zu einem Erfolgsprodukt. 1922 startete das Exportgeschäft mit Lieferungen in die Schweiz und die Tschechoslowakei. Bis Mitte der 1920er Jahre waren bereits über 100000 Filter produziert, inzwischen auch aus Porzellan. Ab 1925 markierte „Melitta“ die Filterpapierpackungen in den bis heute typischen rot-grünen Farbkombinationen zum Schutz vor Nachahmern, Produktfälschern. 1929 suchte das expandierende Unternehmen nach zwei Umzügen innerhalb Dresdens erneut nach einem größeren Gelände und zog mit 55 Mitarbeitern und den vorhandenen Maschinen um ins westfälische Minden in das Fabrikgebäude einer ehemaligen Schokoladenfabrik. 1932 entwarf Jupp Ernst den typischen Melitta-Schriftzug und 1937 erhielten die Filter und die Filtertüten von der Marke „Melitta“ ihre charakteristische Form. Auch nach der geschäftlichen Übernahme durch ihre Söhne Horst und Willy bleibt Melitta Bentz der Firma eng verbunden und kümmert sich um ihre Angestellten. 1950 stirbt die Firmengründerin im Alter von 77 Jahren.

Heute stehen dem Familienunternehmen ihre Enkel Thomas und Stephan Bentz vor. Zur Unternehmensgruppe „Melitta“ gehören weltweit knapp 50 Gesellschaften mit mehr als 3200 Mitarbeitern. Dabei beschränkt sich die Marke „Melitta“ nicht nur auf das Kaffeesortiment. Vielmehr findet sich unter diesem Markennamen mittlerweile eine breite Produktpalette, die auch andere Sparten abdeckt.

Kaffee ist in Deutschland nach wie vor das am meisten konsumierte Getränk mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Konsum von 146 Litern (2007). Und trotz aller Kaffeevariationen, die mittlerweile auf dem Markt zu bekommen sind, ist der klassische Filterkaffee weiterhin die beliebteste Option. Nur die Kaffeedomantie – die Kunst des Kaffeesatzlesens – hat seit der Erfindung der Papierfiltertüte durch Melitta Bentz erhebliche Einbußen erlitten.

Foto: Ein erfolgreiches Gespann: Hugo und Melitta Bentz


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