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12.07.08 / Erinnern mit dem Blick nach vorn / Sechs Jahrzehnte KünstlerGilde e. V. heißt auch Brückenbau zwischen Ost und West

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-08 vom 12. Juli 2008

Erinnern mit dem Blick nach vorn
Sechs Jahrzehnte KünstlerGilde e. V. heißt auch Brückenbau zwischen Ost und West
von R. Fiedler-Winter

Wohin mit den alten Bildern, die sich immer mehr in meine Gegenwart drängen? Wegener schickt mir das Bild eines brennenden russischen Dorfes … Das will ich meinem Vater nicht zumuten, nein, er hat keine Häuser angesteckt.“ So Arno Surminski in seinem Roman „Vaterland ohne Väter“. Er liest als Gast der KünstlerGilde e. V. im historischen Rathaussaal von Esslingen am Neckar jene in der Gegenwart erlebte Geschichte einer 60jährigen, die den Spuren ihres im Rußlandfeldzug gefallenen Vaters nachgeht. Im Esslinger Rathaussaal erlebte die Vereinigung ostdeutscher Künstler, die heute vom früheren Leiter des Deutschlandhauses in Berlin, Wolfgang Schulz, geführt wird, auch ihre Gründung vor sechs Jahrzehnten.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte der Wunsch, aus dem Millionenheer der Ostflüchtlinge diejenigen zusammenzuführen, die sich künstlerisch betätigt hatten. Das traf keineswegs überall auf offene Ohren, zumal diejenigen, die sich für sie einsetzten, leicht dem Verdacht ausgeliefert waren, ideologische Überbleibsel der Nazidiktatur retten zu wollen. Aber schon bald zeigte sich, daß die Künstler der Gilde mit ihren Arbeiten nicht unwesentlich zum Brückenbau zwischen Ost und West beitragen konnten, auch wenn sich ihr Verband in seinen Anfängen, wie es ihm Wissenschaftler und Analytiker bescheinigt haben, als Selbsthilfe- und Interessen-Verband bewähren mußte. Mathias Beer vom Institut für donauschwäbische Landeskunde und Geschichte der Universität Tübingen dokumentiert: „Mit der Gründung der Bundesrepublik und der Verabschiedung des Bundesvertriebenengesetzes von 1953 erhielt die Arbeit der KünstlerGilde eine zunehmend gesicherte finanzielle Grundlage. Sie markiert die Entwicklung vom sozialen Arbeitsschwerpunkt der ersten Jahre zu künstlerischen Anliegen, die fortan im Mittelpunkt des jetzt bundesweit agierenden Vereins für Künstler aus allen Herkunftsgebieten der Flüchtlinge und Vertriebenen standen.“

Die organisatorische Gliederung der Vereinigung, die sich auf drei Fachgruppen konzentriert, hat von Anfang an zu ihrem rasch einsetzenden auch künstlerischen Erfolg beigetragen. Bildende Kunst, Musik und Literatur haben eigene Zusammenschlüsse. Daraus gingen Veranstaltungen und vor allem auch die Ausschreibung von Preisen hervor, die ihrerseits Renommee und öffentliche Resonanz der KünstlerGilde wirkungsvoll unterstützen: der Johann-Wenzel-Stamitz-Preis für Musik, der Andreas-Gryphius-Preis für Literatur und der Lovis-Corinth-Preis für bildende Kunst. Dabei wurde der Aufbau der Gesamtorganisation und die Durchführung ihrer Veranstaltungen entscheidend von Ernst Schremmer geprägt, der nach dem Gründer Robert Sandner an der Seite des langjährigen ersten Vorsitzenden und „Gildenmeisters“, des Schriftstellers Josef Mühlberger, fast ein halbes Jahrhundert die Geschäfte der Gilde geführt und ihre gesamtdeutsche Bedeutung begründet hat. Auch international bekannte Künstler wie Oskar Kokoschka, Otto Herbert Hajek, Ida Kerkovius, Oskar Kreibich, Ernst Mollenhauer und der Bildhauer Franz Rotter, der in Cuxhaven das Künstleratelier der Gilde betreute, waren mit dabei. Alle, versteht sich, als Professoren akademisch geadelt.

Bei den Schriftstellern waren es der Balte Werner Bergengruen und der Ostoberschlesier Hans Lipin-sky-Gottersdorf, deren Namen in den Reihen der Mitglieder einen besonderen Klang hatten. Die in Wien lebende Gertrud Fussenegger und der in Hamburg ansässige Arno Surminski gehören heute dazu. Die Musiker wiederum berufen sich vor allem auf Heinrich Simbriger und den jüngsten Stamitz-Preisträger Wolfgang Stockmeier.

Doch das alles wurde der KünstlerGilde nur bis zum Jahr 2000 hoch angerechnet. Danach fiel die regierungsamtliche Finanzierung dem Rotstift zum Opfer, und trotz der heute fast 500 Mitglieder sind die jetzigen Organisatoren der Gilde darauf angewiesen, jeden Euro zweimal umzudrehen.

„Wir sind ausschließlich auf Mitgliedsbeiträge, Spenden und projektbezogene Zuwendungen angewiesen. Wir arbeiten ehrenamtlich und sind politisch unabhängig“, erläutert der Bundesvorsitzende Wolfgang Schulz und betont: „In Esslingen findet alljährlich die Esslinger Begegnung statt. Hier werden das Literatur-Seminar und mehrere Kunstausstellungen durchgeführt. Einmal im Jahr stellen wir im Kunstforum Ostdeutsche Galerie aus, welche die Gilde mitbegründete, oder auch bei unseren östlichen Nachbarn wie zuletzt in Landsberg a. d. Warthe. Der Stamitz-Preis ist 2007 in Ratibor verliehen worden und wird in diesem Jahr in Eger vergeben. Konzentriert sich die Arbeit der Gilde doch auf Kulturpflege wie ebenfalls auf Weiterentwicklungen für die Zukunft. Wir wollen mit der Kreativität unserer Künstler auch für Europa einen Beitrag leisten.“


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