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19.07.08 / Wie in der DDR

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Wie in der DDR
von Harald Fourier

Mein Kioskbesitzer ist ein bulliger Typ mit Oberlippenbart. Wenn der richtig in Fahrt kommt, dann schlägt er gerne über die Stränge. Als er das Bild von Joachim Löw auf der Titelseite der Bild mit einer Zigarette sah, schimpfte er sofort: „Das ist schon so schlimm wie bei der Stasi.“ Der Bundestrainer mußte sich nach dem Portugal-Spiel rechtfertigen, was ihm eingefallen sei, einfach so in der Öffentlichkeit zu rauchen.

Wir erinnern uns: Löw war für ein Spiel  gesperrt worden, und mußte seine Aufregung oben in der verglasten Kabine allein aushalten. Ein Kreuzberger Kneipenbesitzer, der sich von Raucherspitzeln verfolgt sieht, haut in die gleiche Kerbe. Eine Tageszeitung zitiert den Mann mit dem Satz: „Das Anschwärzen ist ja fast wie in der DDR.“

Das Rauchverbot und seine Umsetzung  verrät viel über die deutsche Seele. Gerade in Berlin spüren wir, daß die Deutschen längst nicht so „obrigkeitshörig“ sind, wie dies von manchen Zeitgenossen immer wieder gern behauptet wird. Andererseits setzt das Rauchverbot auch eine Menge negativer Energien frei. Dem Denunziantentum wurde Tür und Tor geöffnet.

Anders als in Rom oder Dublin – in Irland und Italien gelten sehr strenge Anti-Rauch-Gesetze – gilt das Rauchverbot in Berliner Kneipen erst seit zwei Wochen in  aller Strenge. Bislang hatten die Behörden ein Auge zugedrückt. Aber nun fangen sie an, Bußgeldbescheide zu verschicken, wenn ein Gastwirt das Verbot in seinem Laden nicht durchsetzt. Und sofort hagelte es anonyme Anzeigen, alleine 50 in Friedrichshain-Kreuzberg. Der Bezirk gilt als besonders rigide bei der Kontrolle seiner rund 4000 Kneipen.

Auf der anderen Seite regt sich Widerstand gegen die „Verbotsgesellschaft“ (Unions-Fraktionschef Volker Kauder über Anti-Qualm-Gesetze). So hat die Betreiberin einer „Shisha-Bar“ vor Gericht durchgesetzt, daß sie ihre orientalischen Wasserpfeifen weiterhin anbieten kann. Vorläufig zumindest. In Neukölln hat das Bezirksparlament den Bezirk aufgefordert, gegen die harschen Gesetze vorzugehen. Und eine große Raucherdemo vor dem Roten Rathaus hat es auch schon gegeben. Wie in anderen  Bundesländern, vor allem Hamburg und  Bayern, regt sich in Berlin massiver Widerstand gegen die strengen Regeln.

In zwei Wochen kommt es zum großen Finale zwischen Rauchern und Rauchverbietern. Dann entscheidet das Bundesverfassungsgericht über zwei Musterklagen von Wirten, von denen einer aus Berlin stammt. Das Urteil wird Auswirkungen auf die Gastronomie in ganz Deutschland haben. Und auf die Kultur der Freiheit in unserem Land.


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