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19.07.08 / Raus aus dem Ghetto / Zentralverband des Deutschen Handwerks fordert besser ausgebildete Migranten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Raus aus dem Ghetto
Zentralverband des Deutschen Handwerks fordert besser ausgebildete Migranten
von Rebecca Bellano

Spätestens seit dem Einknicken der beiden großen Hypothekenbanken in den USA vergangene Woche blicken deutsche Arbeitnehmer erneut ängstlich auf die Entwicklungen der Weltwirtschaft. Gerät Deutschland jetzt auch in die Krise? Welche Folgen hat das für den Arbeitsmarkt, der sich doch gerade erholt hatte? Es wäre ein Wunder, wenn der Export-Weltmeister Deutschland glimpflich davonkäme. Oder drohen bei Konjunktureinbruch dieses Mal keine Massenentlassungen? Schließlich hat im Mai dieses Jahres die Unternehmensberatung McKinsey eine Studie herausgebracht, laut der Deutschland im Jahr 2020 sechs Millionen Mitarbeiter fehlen? Der Grund: demographischer Wandel. Doch was laut Studie erst auf das Jahr 2020 terminiert wird, zeigt bereits jetzt erste Ausschläge. Schon seit vergangenem Jahr werden auch aufgrund noch guter Auftragslage Ingenieure aus allen Bereichen verzweifelt gesucht. Inzwischen bahnt sich jedoch an, daß auch in anderen, von der Konjunktur weniger beeinflußten Branchen Nachwuchs dringend gebraucht wird.

„Handwerk will Lehrlinge aus Osteuropa für deutsche Betriebe“, meldete die Nachrichtenagentur AFP vor wenigen Tagen. Gründe für die vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) erhobene Forderung gibt es gleich mehrere. Es geht um Quantität und Qualität. So fehlt es vor allem den Handwerksbetrieben im Osten der Bundesrepublik Deutschland bald rein zahlenmäßig an Nachwuchs. Während im Jahr 2000 noch 235000 junge Menschen die Schule verließen, so werden es 2010 nur noch 110000 sein. Abwanderung nach der Wiedervereinigung in die westlichen Bundesländer und weniger Kinder pro Familie sind für den starken Rückgang im Osten des Landes verantwortlich. Aber auch die Qualität der Schulabgänger läßt zu wünschen übrig. „Vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien und solche mit Migrationshintergrund lernen oft zu spät und zu wenig Deutsch. Schon in der Grundschule kommen sie nicht mehr mit“, klagt ZDH-Generalsekretär Hanns-Eberhard Schleyer.

Da das Handwerk auf Hauptschüler angewiesen ist – 50 Prozent der Lehrlinge kommen von der Hauptschule, weitere fünf Prozent haben gar keinen Abschluß –, braucht es auch qualifizierte Migranten, die in vielen Städten und Gemeinden inzwischen einen beachtlichen Anteil der Hauptschüler stellen. Doch hier machen sich gesellschaftliche Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte negativ bemerkbar. „Viele Migranten finden sich in Stadtvierteln zusammen, schotten sich gegenüber der deutschen Gesellschaft ab“, so Schleyer.

Und auch Alexander Legowski, Pressesprecher des ZDH, kritisiert die Bildungspolitik der letzten 15 Jahre. „Migranten, die noch mit Deutschen auf die Schule gegangen sind, sind heute das Rückgrat vieler Betriebe“, stellt er fest. Doch der Nachwuchs machte keinerlei Anstalten, seinen Vorgängern zu folgen. Vielen jungen Migranten fehle die Motivation zum Lernen.

Und tatsächlich ist die fehlende Motivation teilweise nachzuvollziehen, denn selbst türkische Handwerksbetriebe ziehen häufig den deutschen Lehrling dem türkischen vor. Doch anstatt sich zu fragen „Warum sind wir nicht so gut, daß die uns nehmen“, ist Lernverweigerung die Folge. Ein Elternhaus, was gegen eine derartige Haltung vorgeht, Druck macht und so die auch mit auf pubertäre Bockigkeit begründete Einstellung verhindert, haben die wenigsten, denn häufig ist das soziale Umfeld bescheiden. Vor allem bei jungen Türken. Sie sind die erste Gruppe, die sich hier niedergelassen hat und zu einem beachtlichen Teil von Sozialleistungen lebt. Den jungen Menschen fehlen häufig die Vorbilder. Und auch in den Schulen wird nicht gegengesteuert. Hier stünden auch die Bundesländer mit in der Verantwortung, denn sie haben die Bildungshoheit, meint Legowski. Offenbar hat aber die gesamte Politik nicht verinnerlicht, daß eine alternde Gesellschaft die jungen Ausländer braucht. „Jeder Migrant der eine Ausbildung hat, ist ein Sozialfall weniger“, betont Alexander Legowski.

Die Möglichkeit, auch junge Osteuropäer ausbilden zu dürfen, braucht das deutsche Handwerk aber auf jeden Fall. Offiziell laufen die Einschränkungen für die Zuwanderung von Arbeitskräften aus den neuen osteuropäischen EU-Staaten 2009 aus, doch die Bundesregierung will von ihrem Recht Gebrauch machen, den deutschen Arbeitsmarkt für weitere zwei Jahre vor der Konkurrenz aus Osteuropa zu verschließen. Dagegen wehrt sich der ZDH. Junge Polen und Tschechen aus den Grenzregionen zu Deutschland lernen inzwischen an den Schulen häufig Deutsch. Ihre Motivation sei hoch, und da sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt gedreht habe, also vor allem im Osten der Bundesrepublik Deutschland mehr Lehrstellen als Schulabgänger vorhanden sind, gebe es keinerlei Verdrängung zu befürchten. Gerade bei kleineren Handwerksbetrieben möchte der Meister auch junge Menschen anlernen, denen er sein Wissen weitergeben kann. Schlecht motivierte Schulabgänger aus Deutschland, die keine Lust auf einen Handwerksberuf haben, zu einer Lehre im Handwerk zu zwingen, würde niemandem helfen. „Im übrigen muß das, was im Westen zwischen Baden und dem Elsaß, was in der Saar-Lor-Lux-Region funktioniert und im Aachener Dreiländereck, auch an der deutschen Ostgrenze selbstverständlich werden – die Zusammenarbeit in den grenznahen Regionen, selbstverständlich nicht als Einbahnstraße“, so der ZDH, das mit seiner Forderung bewußt provozieren will.

Die deutlichen Worte des ZDH sollen Druck auf die Politik aus-üben. Das Ziel: das Ende der Einschränkungen für Osteuropäer für 2009 und vor allem eine verpflichtende Vorschulklasse für alle Schüler in Deutschland, so daß alle Kinder Deutsch sprechen können, wenn sie eingeschult werden.

Foto: Das Wissen weitergeben: Das Handwerk braucht ordentliche und motivierte Hauptschüler.          (ddp)


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