23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.07.08 / Ost-Deutsch (75): Kiebitz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Ost-Deutsch (75):
Kiebitz
von Wolf Oschlies

Der Kiebitz ist ein Vogel, der sich seinen Namen auf -itz im 13. Jahrhundert von Slawen entlehnte, desgleichen der Stieg-litz, tschechisch „stehlik“, und andere Vogelarten. Der Kiebitz jedoch, der beim Kartenspielen zuguckt, entstammt dem Rotwelsch der Gauner, die mit „kiebitschen“ durchsuchen, durchstöbern meinten. Kiebitze flattern auch in Osteuropa herum – in verschiedenen Regionen und diversen Bedeutungen.

Da gibt es zunächst in Serbien, genauer gesagt in der nordserbischen Vojvodina, das „kibic-fenster“, einen kleinen Erker, aus dem man, geschützt vor Regen, Wind und fremden Blicken, die Umwelt beobachten kann. Die Vojvodina gehörte bis 1918 zu Österreich-Ungarn, wovon bis heute noch viele Germanismen im „vojvodjanski recnik“ (Wörterbuch der Vojvodina) zeugen. Dort fand sich ein Kibic-fenster an fast jedem Haus. Das berühmteste „kibic-fenster“ hatte vor 100 Jahren Bürgermeister Mamuzic in Subotica. Ob es in Sombor oder  Novi Sad mehr „kibic-fenstri“ gab, mögen Streithähne vor Ort entscheiden. In Novi Sad, vormals Neusatz, erscheint seit Jahren eine kleine Zeitung „Kibic-fenster“, die neben anderen Medien dafür sorgte, daß das Wort gesamtserbisch wurde.

Sodann begegnen wir dem „polski kibic“, dem enthusiastischen, wiewohl passiven Sportfan, der im Schulterschluß mit den „kumply“ vom „klub kibica“ seinem Lieblingsklub „kibicowac“ (zuschauen) will. Ähnlich klingt es bei Slowenen: „gres kibicovat?“ (Gehst du kiebitzen?). Daß diese Kiebitze irgendwie mit dem deutschen Kartengucker verwandt sind, liegt auf der Hand, aber die Verwandtschaft ist nur weitläufig. Ein echter polnischer „kibic“ ist nicht mit einem „pseudokibic“ zu verwechseln, diesem „chuligan stadionowy“ (Stadion-Raufbold).

Diese Abart der „kibice“ hat dem polnischen Sport einen schlechten Ruf im Ausland eingetragen, der sich 2006 während der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland jedoch als unbegründet erwies. Die in polnischen Internetforen wie „kibic.pl“ dis-kutierte Frage, „Polski kibic – chuligan czy entuzjasta?“ (Ist der polnische Kiebitz ein Halbstarker oder ein Enthusiast?) ist positiv beantwortet. Wenn es so bleibt, ist gegen „kibicowanie“ (Kiebitzen) in Polens Stadien nichts einzuwenden. 


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren