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19.07.08 / Pflanzen als Lebensbegleiter / Ulla Lachauer erzählt, wie wichtig Gärten für Menschen sein können

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Pflanzen als Lebensbegleiter
Ulla Lachauer erzählt, wie wichtig Gärten für Menschen sein können

Daß Ulla Lachauer nicht nur Buchautorin und Journalistin, sondern auch Dokumentarfilmerin ist, merkt man schon nach wenigen Zeilen ihres neuen Buches „Der Akazienkavalier – Von Menschen und Gärten“. Ohne viel Brimborium gelingt es ihr, die beschriebenen Menschen aus ihren Kurzerzählungen vor dem inneren Auge des Lesers entstehen zu lassen. Man sieht, wie Ulla Lachauer, die in der ersten Geschichte von ihrem Problem mit einem für ihre Küche zu groß gewordenen Ficus benjamini schreibt, zögert, bevor sie voller Widerwillen die Pflanze zersägt.

Nur wenige Autoren können aus dem Vorgang des Zersägens einer Zimmerpflanze eine derart emotionale Geschichte schaffen, doch Ulla Lachauer ruft auf, wie der Ficus benjamini sie und ihren Mann über Jahre begleitet hat.

Pflanzen als Lebensabschnittsbegleiter? Der 1913 gepflanzte Birnbaum der Familie Feuerborn hat im Laufe der Jahrzehnte manchen aus der Familie überlebt. Anne, Zita, Hanna und Mia treffen sich noch heute in dem Garten ihrer Eltern. Die über 70jährigen Frauen erzählen dann von früher. Bei einer dieser Reisen in die Vergangenheit ist Ulla Lachauer stille Beobachterin gewesen. Was die vier Damen sich zu erzählen haben, wie sie sich widersprechen, vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen, das schildert die Autorin auf charmante Weise.

Und auch was Gladiolen für sie bedeuten, erfährt der Leser. Als Kind mußte die 1951 geborene Westfalin immer ihrer Tante Wilhelmine Gladiolen aus dem Garten bringen. Die alte Frau, die noch den Kaiser erlebt hat, war der jungen Ulla immer irgendwie unheimlich. Erst als Erwachsene lernte sie, die Besuche zu schätzen. „Erst sehr viel später habe ich begriffen: Ich war in einem anderen Zeitalter zu Besuch.“

Überhaupt geht es viel um Vergangenheit bei Ulla Lachauers Garten-Geschichten. Im Garten der Familie Blumenschein erfährt sie, wie der Ungarn-Deutsche Stefan nach der Vertreibung aus seiner Heimat Ungarn bei Stuttgart Wurzeln zu schlagen versuchte. Ein eigener Garten half ihm und seiner Mutter, sich mit den neuen Gegebenheiten abzufinden. Noch heute ist Stefan Blumenschein in erster Linie in seinem Garten zu Hause.

Die Autorin, die vor allem durch ihre Dokumentarfilme über deutsche Vertreibungsgebiete Bekanntheit erlangte, kann auch in diesem Buch nicht ohne die historischen ostdeutschen Gebiete auskommen. Und wieder liegt ihr Schwerpunkt auf Ostpreußen. So begleitete sie eine Gruppe Heimatreisender auf der Suche nach den Spuren ihrer Kindheit. Ein alter, etwas verkümmerter Rosenstock auf dem Gelände eines inzwischen verwucherten Hausgartens aus deutscher Zeit löste bei den Reisenden Entzücken aus. Was aus Sicht eines Außenstehenden albern ist, beschreibt Ulla Lachauer einfühlsam und voller Verständnis. Und um über den Schmerz des Nichtfindens hinwegzukommen, entdeckt die Gruppe den Wolkengarten, denn auch wenn auf dem Boden kaum noch etwas an ihre Kindheit erinnert, so sind doch die „Ostpreußischen Wolkengärten“ noch die selben wie vor Flucht und Vertreibung.

Auch die Geschichte „Im Bern-steinwald“ spielt in Ostpreußen, allerdings dieses Mal ohne Beteiligung von Deutschen. Kostas, als Sowjetbürger geboren, lebt als Bernsteinverkäufer auf der Kurischen Nehrung. Wie gefährlich seine Aufgabe ist und wieso er trotz aller Liebe zu dem harzigen Gold kein realitätsvergessener Träumer, sondern ein schlitzohriger Kleinkrimineller ist, liest man in der „Akazienkavalier“.           R. Bellano

Ulla Lachauer: „Der Akazienkavalier – Von Menschen und Gärten“, rowohlt, Reinbek, geb., 271 Seiten, 19,90 Euro


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