20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.07.08 / Preußische Meinungsträger in Berlin / Die »Casino Gesellschaft in Berlin von 1786« und die »Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Preußische Meinungsträger in Berlin
Die »Casino Gesellschaft in Berlin von 1786« und die »Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg«
von Karlheinz Lau

In der deutschen Hauptstadt existieren zahlreiche Kreise und Vereinigungen, in denen konservative Bürgerinnen und Bürger wahlweise locker oder fest organisiert sind. Einige Beispiele seien genannt: studentische Verbindungen, Traditionsvereine ehemaliger Wehrmachtsangehöriger, Reservistenvereine, Schützen- und Jagdvereine sowie landsmannschaftliche Gruppierungen aus allen deutschen Ländern. In dieses Spektrum gehört die „Casino Gesellschaft in Berlin von 1786“; 1786 starb Friedrich der Große.

Die Gesellschaft entstand aus dem Kreis der Freunde, die den König bis zuletzt umgaben. Leider sind die Begründer unbekannt, da die Gründungsakten beim Einmarsch Napoleons 1806 in Berlin verlorengingen. Das gleiche Schicksal erlitten die übrigen Unterlagen, als im Zweiten Weltkrieg Bomben das letzte Clubhaus in der heutigen Graf-von-Stauffenberg-Straße in Berlin-Tiergarten zerstörten. Einige Mitgliederlisten haben den Zweiten Weltkrieges lückenhaft als Kopie überlebt. Wichtiger sind für die Geschichte des Casinos die stets weitergegebenen Erinnerungen und Informationen seiner Mitglieder.

Die Casino-Gesellschaft versteht sich von Anbeginn an als Herrenclub für Gebildete aller Stände, die neben wissenschaftlicher Belehrung auch die gesellige Unterhaltung pflegen, wobei das „Mannesprivileg“ in den letzten Jahren „ohne Störung“ durchbrochen wird. Die Gesellschaft sieht sich in der Tradition der Tafelrunde von Sanssouci, in der das Gespräch und der offene geistige Austausch gepflegt wurden, und fühlt sich preußischen Tugenden wie Toleranz, Pflichterfüllung, Zuverlässigkeit, Bescheidenheit und Unbestechlichkeit verpflichtet. Das heißt, das Preußentum wird nicht auf Militär und Kasernenhof reduziert, wie auch keinerlei Beziehung zum Offizierscasino besteht. Meinungsvielfalt und Offenheit für Religionen und Weltanschauungen werden von den Mitgliedern erwartet. Vorbild und Verpflichtung sind die Mitglieder und Persönlichkeiten, die im Widerstand gegen das NS-Regime ihr Leben ließen wie Carl-Hans Graf von Hardenberg, Friedrich-Werner Graf von der Schulenburg, Fabian von Schlabrendorff oder Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord. Aus der Familie von Letztgenanntem entstammt der aktuelle Präsident des Casinos, Christian Freiherr von Hammerstein.

Die beschriebenen Grundsätze der Casino-Gesellschaft spiegeln sich in den Veranstaltungen wider. Namhafte Referenten aus Kultur, Politik, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft, Kirche und Presse stellen sich durch ihre Vorträge der Diskussion – natürlich auch im Wissen, daß die Zuhörer Multiplikatoren sind. Eberhard Diepgen war ebenso Gast der Gesellschaft wie Egon Bahr oder der Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Hans Ottomeyer. Daneben findet in jedem Sommer eine Landpartie zu historisch bedeutsamen Orten der Mark Brandenburg statt sowie in die nunmehr benachbarte Republik Polen – etwa in die ehemalige Festungsstadt Küstrin, die untrennbar mit dem Namen des Kronprinzen Friedrich verbunden ist.

Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges waren Militärs, Diplomaten, hohe Beamte sowie zahlreiche Großgrundbesitzer in Mittel- und Ostdeutschland Mitglieder des Casinos. Gleiches gilt für Angehörige des Hohenzollern- und weiterer deutscher Fürstengeschlechter sowie des Hochadels. Im Zweiten Weltkrieg war der Blutzoll erheblich. Eine Gleichschaltung der Gesellschaft fand nicht statt. Kein führender Nationalsozialist fand Aufnahme. Der Neuanfang nach Kriegsende 1945 war schwierig. Er begann mit 39 Mitgliedern. Heute gehören der Gesellschaft etwa 250 Herren an. Diese Zahl soll nicht überschritten werden. Niemand soll sich im Casino anonym fühlen müssen.

Die Mitgliedschaft ist ein Spiegel der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland. Zu ihr gehören Rechtsanwälte, Bankiers, Offiziere, Pädagogen, Hochschullehrer, Politiker – etwa Jörg Schönbohm – Journalisten, Beamte sowie Angehörige der Wirtschaft. Tagungsort ist ein Logen-Haus in Berlin-Dahlem. Das Casino hat den Wunsch, sich zurückhaltend darzustellen. Gleichwohl könnten die Mitglieder Moderatoren für einen informellen und konstruktiven Meinungsaustausch von Entscheidungsträgern aus allen Bereichen der Gesellschaft sein. Immerhin ist der Sitz, Berlin, nach der Wiedervereinigung zum politischen Entscheidungszentrum Deutschlands geworden. Über diesen Anspruch herrscht Konsens bei den Mitgliedern.

Kein Gegenpol oder gar Konkurrenz zum Casino ist die „Preußische Gesellschaft Berlin-Brandenburg e. V.“. Das kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß der Präsident der Preußischen Gesellschaft, Volker Tschapke, auch Mitglied im Casino ist. In ihren Wertvorstellungen unterscheiden sich beide Gesellschaften nicht. „Wir stellten uns das Ziel, zur geistigen Erneuerung des Vaterlandes preußisch-friderizianisches Gedankengut und preußische Tugenden zu bewahren, zu propagieren und zu pflegen …“, so Präsident Tschapke bei der Gründung der Gesellschaft 1996. Dies geschieht durch Vorträge namhafter Referenten, durch Gespräche und zwei Stammtische im Hilton Berlin, dem Sitz der Gesellschaft, und beim Bayerisch-Preußischen Stammtisch in Weissach sowie durch Monatsbriefe über ihre Aktivitäten. Leider ist der Zweig der Gesellschaft in Frankfurt an der Oder offensichtlich nicht mehr aktiv, was vom Profil sehr zu bedauern ist; wer sich mit Preußen beschäftigt, muß auch die Territorien östlich der Oder im Blick haben, hier ist Frankfurt ein idealer Ausgangspunkt. Im Gegensatz zum Casino tritt die Preußische Gesellschaft sehr offensiv in der Öffentlichkeit auf. Sie nimmt zu politischen Fragen wie der nach der Zukunft des Flughafens Tempelhof Stellung und weist auf historische Daten hin. So wird an der Ruhestätte Fried­richs des Großen in Sanssouci jeweils am 24. Januar, dem Geburtstag des Königs, ein Kranz niedergelegt.

Höhepunkt der Aktivitäten ist der jährliche Neujahrsempfang im Hilton Hotel am Gendarmenmarkt. In der Regel erscheinen dort bis zu 1000 Gäste, durchaus ein Beweis dafür, daß die Idee Preußen bei vielen Menschen in und außerhalb Berlins lebt, allerdings nicht im Sinne einer Wiederherstellung des preu­ßischen Staates oder gar einer Rück­kehr zur Monarchie. Es ist eher ein neues Gefühlspreußentum, das sich an Persönlichkeiten wie Friedrich dem Großen, Humboldt oder Hardenberg orientiert. Beide Gesellschaften, das Casino und die Preußische Gesellschaft, sind als wichtige Meinungsträger und Multiplikatoren in der Berliner Szene anzusehen.

Abbildung: Tafelrunde von Sanssouci: Sie ist das Vorbild der Casino Gesellschaft. (bpk)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren