25.04.2024

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19.07.08 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-08 vom 19. Juli 2008

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,

liebe Familienfreunde,

die Aktion ist beendet – könnte man sagen, aber wir wollen es nicht. Das würde allen Menschen, die im Laufe von zwölf Jahren tatkräftig mitgeholfen haben, ein todkrankes Kind zu retten und ihm den Weg für eine hoffnungsvolle Zukunft zu ermöglichen, nicht gerecht. Das wäre zu nüchtern, zu simpel für alles, was die Helfenden für den kleinen Mantas aus Litauen getan haben. Letzteres könnte auch nicht mit wenigen Worten erzählt werden. Unsere treuen Leserinnen und Leser haben sein Schicksal, über das wir mindestens in jeder Weihnachtsausgabe unserer Zeitung berichteten, mit großer Anteilnahme verfolgt, haben durch ihre Spenden dazu beigetragen, daß dieses durch das Fehlen innerer Organe schwerstbehinderte Kind nun ein weitgehend normales Leben führen kann, wie jetzt die Enduntersuchung ergab, die im AK Hamburg-Harburg erfolgte. Dank sei vor allem den deutschen Ärzten gesagt, die hier – als Laie darf man es schon so ausdrücken – ein wahres Wunder vollbrachten. Doch darüber werden wir, und dann mit Sicherheit zum letzten Mal, in der Weihnachtsausgabe berichten.

Beim Abschlußtreffen in Neumünster durfte auch ich – sozusagen als Vertreterin der Ostpreußischen Familie – dabei sein. Und auch der Chefredakteur der PAZ / Das Ostpreußenblatt, Klaus D. Voss, hatte sich bereit erklärt, im Namen der Landsmannschaft Ostpreußen dem Kind aus Litauen alle guten Wünsche für seinen weiteren Lebensweg zu überbringen. Denn Urgroßmutter Ursula Jakumeit, die im Sommer 1996 den gebürtigen Königsberger Dr. Detlef Arntzen in Russ ansprach, um ein paar alte Sachen für ihr krankes Urenkelkind zu erbitten, war ja Ostpreußin. Die Memelländerin ist leider inzwischen verstorben, aber sie hat noch erleben dürfen, daß Dr. Arntzen den Stein ins Rollen brachte, der lawinenartig eine einmalige Hilfsaktion auslöste. Sie war auch noch als „Dolmetscherin“ auf der ersten Reise zur klinischen Behandlung ihres Urenkels in der Bundesrepublik Deutschland dabei und konnte die ersten Behandlungserfolge miterleben. Mantas kann zwar ein paar Worte deutsch sprechen, und Mutter Raßa sich sogar recht gut verständigen, aber die Mittlerrolle hatten, wie schon in den vergangenen Jahren, die Memelländerin Frau Lipsys aus Hamburg und das Ehepaar Bendig aus Kiel übernommen. So konnte Mantas alles verstehen, was Dr. Jürgen Heuer in seiner Abschiedsrede ausführte, in der er noch einmal den Ablauf dieser Hilfsaktion schilderte, die er und seine Frau von der ersten Stunde an tatkräftig unterstützt hatten. Das Ehepaar hatte in sein Haus in Neumünster geladen, um gemeinsam mit den Vertrauten aus dem Betreuerkreis dieses kleine Abschiedsfest für Mantas und seine Mutter zu begehen. Es dürfte für alle unvergessen bleiben, die strahlenden Augen des hochaufgeschossenen 14jährigen waren der schönste Dank für alle, besonders für „Onkel Detlef“, der das von ihm initiierte Hilfswerk über alle Stufen bis zu dem glücklichen Ende begleitet hatte. Dies nur aus medizinischer Sicht gesehen, denn die persönliche Verbindung wird bleiben. Das ist gut so, nicht nur im Sinne von Mantas, dessen so entscheidende Phasen seines jungen Lebens hier in der Bundesrepublik Deutschland entschieden wurden.

Noch immer schlägt das große Ostpreußentreffen in Berlin Wellen. Gespräche, die sich dort angebahnt hatten, werden nun schriftlich fortgesetzt, deshalb dauert manchmal die Veröffentlichung etwas länger, vor allem, wenn es sich um Suchwünsche handelt. Wie im Fall von Wolfgang Schneider aus Thalheim, mit dem ich leider nicht sprechen konnte, aber über eine Teilnehmerin erfuhr ich Näheres. Jetzt liegen mir seine Angaben vor, und wir gehen erneut auf die Suche – vor einigen Jahren haben wir uns schon einmal bemüht, Näheres über seine Herkunft und Kindheit zu erfahren, leider vergeblich. Wolfgang Schneider wurde 1941 in Königsberg geboren und wuchs zeitweise auf dem Sackheim auf. Dort, im Haus Sackheim 94, wohnte sein Großvater, Maximilian Schneider, bei dem er während der Russenbesetzung lebte. Wolfgang kann sich erinnern, daß dieser viele Uhren hatte und sie versteckte, bevor der Russe kam. Nach einem Bombenangriff erschien ein Russe in der Einfahrt zum Hinterhof und fragte das Kind: „Uhri, Uhri?“ Dieser Vorfall hat sich so tief in sein Gedächtnis eingegraben, daß er noch abrufbar ist. Wolfgang Schneider kann sich auch noch an die Mauer hinter der Toreinfahrt auf der linken Seite erinnern, an einen Baum, die Teppichklopfstange und den kleinen Sandberg, auf dem die Kinder spielten. Im Hinterhaus befand sich auf der linken Seite eine Tischlerei. Damit enden auch schon seine friedlichen Erinnerungen an den Sackheim. Großvater Schneider wollte mit Wolfgangs Mutter und ihren beiden Söhnen auf die Flucht gehen, sie kamen aber nicht weit. Der Großvater wurde von seinen Angehörigen getrennt und in eine Kolonne deutscher Zivilgefangener eingereiht, er wurde nie wieder gesehen. Die Mutter blieb mit ihren Söhnen in Königsberg. Sie suchten noch zweimal das Haus auf dem Sackheim auf, lasen die eingeritzten Adressen am Torpfeiler des Vorderhauses. Das Hinterhaus wurde bei einem Luftangriff zerstört. Die Flucht endete irgendwo in der Nähe von Königsberg. Die Mutter und Wolfgangs zwei Jahre älterer Bruder Werner starben an Typhus in einem Haus am Stadtrand. Von da an irrte der vierjährige Wolfgang allein umher, bis er aufgegriffen und einer Frau mit zwei Kindern übergeben wurde. Etwas später brachte man ihn in ein – vermutlich in Kalthof gelegenes – Kinderheim. Im Spätherbst kam er mit einem Kindertransport in den westlich von Oder und Neiße gelegenen Teil Deutschlands, zuerst nach Demmin, dann in das Kinder-Kurheim Blasse in Bad Salzungen. Von dort aus wurde er an seine ersten Pflegeeltern in Meiningen vermittelt. Aus jener Zeit stammen die einzigen Dokumente, die Wolfgang Schneider besitzt. So eine DRK-Suchmeldung von 1948, in der das „elternlose Kind“ als „Ostpreußen-Rückführer“ registriert ist. Irreführend ist eine Wohnsitzbestätigung, in der unter der Adresse „Königsberg / Sackheim 94“ ein Maximilian Schneider als Vater angegeben wird – so hieß aber sein Großvater, über den Vater ist nichts bekannt, auch über seine Mutter gibt es keine Angaben.

Es gilt nun, die im Dunkeln liegende Kindheit von Wolfgang Schneider zu durchleuchten, nichts außer Vor- und Zuname und Geburtsjahr ist bekannt, allein die Eindrücke eines damals Vierjährigen können als Trittsiegel auf dem Weg in die Vergangenheit gewertet werden, aber sie können auch schon verwischt sein. Allerdings könnte es einen Hinweis geben, der in einem in Folge 23 veröffentlichten Leserwunsch enthalten ist. Da sucht Frau Doris Festersen aus Neubrandenburg nach alten Aufnahmen vom Sackheim, sie selber wohnte als Achtjährige in Nr. 91. Frau Festersen erwähnt ein gegenüberliegendes Uhrengeschäft mit einer großen, runden Uhr an der Außenwand als Firmenzeichen. Es liegt nahe, daß dieses Geschäft dem Großvater gehörte. Damit könnte ein ehemaliger Kundenkreis und die Nachbarschaft angesprochen werden. Leider ist schon zuviel Zeit für eine erfolgversprechende Suche vergangen, aber Wolfgang Schneider wuchs in der DDR auf und hatte keine Verbindung zu unserem Leserkreis. Auch ein Besuch des Ostpreußentreffens erbrachte nichts. „Niemand wußte über mich Bescheid“, schreibt Wolfgang Schneider resigniert. Deshalb habe ich seine Geschichte so ausführlich wie möglich erzählt und hoffe, daß doch einige Hinweise auf die Herkunft des nun 67jährigen Landvermessers kommen, der noch immer seine Kindheit sucht. (Wolfgang Schneider, Feldrain Nr. 5 in 06766 Thalheim, Telefon 0 34 94 / 3 32 28.)

In seine Kindheit zurück führt auch der Wunsch von Herrn Konrad Moysich aus Bautzen. Und die liegt in Ostpreußen, in Pr. Holland, und – noch enger eingegrenzt – am Tannenbergplatz. Dort wohnte in Nr. 1 der Spielkamerad des 1938 geborenen Konrad, der Nachbarssohn Jürgen Fehlhauer. Unvergessene Kindertage, die auch jetzt noch Herrn Moysich veranlassen, nach seinem Freund zu suchen. Bisher leider vergeblich, und deshalb muß jetzt unsere Ostpreußische Familie ran. Jürgen Fehlhauer (auch Fehlauer?), * 1936/37, ist der Sohn eines Offiziers, der irgendwo an der Front stand, als die Mutter mit ihrem Sohn und der etwa vierjährigen Tochter (Ursel?) auf die Flucht ging. Das war im Dezember 1944 oder Anfang Januar 1945. Konrad Moysich schreibt: „Ich erinnere mich noch deutlich daran, daß wir beiden Jungen uns nach Erwachsenenart in vollem Ernst und den entsprechenden Worten verabschiedeten. Wir meinten damals, daß wir uns wohl nicht mehr wiedersehen würden. Es wäre doch schön, wenn sich das nach so vielen Jahren nicht bestätigen würde.“ Das wünschen wir auch und hoffen, daß es ein Wiederfinden, wie und wo auch immer, geben wird. (Konrad Moysich, Wallstraße 12 in 02625 Bautzen, Telefon 0 35 91 / 4 10 58.)

Ich freue mich immer, wenn es um kulturelle Fragen geht, es ist doch schon so manche Kostbarkeit durch Veröffentlichung in unserer Zeitung entdeckt worden und damit bewahrt geblieben. Diesmal geht es um eine Arbeit des ostpreußischen Bildhauers Georg Fuhg, dessen zahlreiche Porträts und Plastiken Zeugnis einer regen schöpferischen Tätigkeit waren. Allein in Königsberg befanden sich 28 Werke des in Mehlsack geborenen Künstlers, und um eine dieser Arbeiten geht es in der Suchfrage, die Herr Ulrich Schröder an uns stellt. Als Betreuer von Bibliothek und Archiv der Ost- und Westpreußenstiftung Oberschleißheim / München sind ihm die Werke von Fuhg vertraut, er steht auch mit der Tochter des Bildhauers in Verbindung, die ihm leider in diesem Fall auch nicht helfen konnte und auf uns als mögliche Infoquelle hinwies. Es geht um die Bronzefigur „Jüngling“, die Fuhg 1932 für die 124 im ersten Weltkrieg gefallenen Königsberger des Deutschen Handlungsgehilfen-Verbandes geschaffen hatte und die vor dem DHV-Haus im Glacis Orselnstraße / Hansastraße aufgestellt war. Die lebensgroße Darstellung eines „Fahrenden Gesellen“ – und so nennt sich auch der Wandervogelbund, für dessen Festschrift zum 100jährigen Bestehen im nächsten Jahr eine Abbildung dieses Denkmals benötigt wird. Leider hat Herr Schröder, der als Chronist des Bundes die Schrift gestaltet, bisher keine Abbildung finden können, obgleich er bereits viele Archive durchforstet hat. Ein Grund dürfte darin liegen, daß die Bronzefigur im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurde! Herr Schröder hofft, daß sich irgendwo in unserm so breitgefächerten Leserkreis eine Abbildung findet, die in den 30er Jahren in einer Zeitung, einem Buch, einer Schrift oder einer anderen Dokumentation erschien. Vielleicht besitzt auch jemand ein Privatfoto von dieser Arbeit des damals 34jährigen, die übrigens als erste Ganzfigur in Ostpreußen in der Ostpreußischen Bildguß A. G. (Bieske) gegossen wurde. So könnte es auch im Zusammenhang mit Veröffentlichungen über dieses Werk eine Abbildung geben. Hoffen wir, daß unsere Leserinnen und Leser fündig werden. Zuschriften bitte an Herrn Ulrich Schröder, Ost- und Westpreußenstiftung in Oberschleißheim, Altes Schloß Schleißheim, Maximilianshof 1, 85764 Oberschleißheim, E-Mail: USchroederMue@web.de.)

Wenn Herr Schröder nur einen Teil der Zuschriften bekäme, die Frau Helga Gehrmann im Falle des Lehrers Friedrich Nolte erhielt, könnte er schon zufrieden sein. Frau Gehrmann – und mit ihr der eigentlich Suchende Herr Richard Wagner – sind nicht nur das: „Es ist schon überwältigend, wie hilfsbereit die Ostpreußische Familie reagiert“, schreibt Frau Gehrmann. Eine besonders informative Zuschrift kam von Frau Sager aus Hamburg, die auf zwei Bücher über die Landschulen im Kreis Angerburg hinwies, in denen auch Fotos von Nolte enthalten sind. Bei Herrn Wagner meldeten sich zwei ehemalige Schülerinnen seines Vaters, und von einem ehemaligen Schüler bekam er zwei Fotos, auf denen der Lehrer – samt Dackel Waldi – abgebildet ist. Da dürfte sich noch viel mehr tun! Frau Gehrmann beendet ihr Schreiben mit den Worten: „Jedenfalls ist Richard – und alle, die wir mit Spannung diese Spuren verfolgen – sehr dankbar für Ihren Einsatz und die tolle Reaktion der Leser unserer Zeitung!“ Na, das ist doch ein Schlußsatz für unsere heutige Kolumne, wie man ihn sich nur wünschen kann!

Eure Ruth Geede

Foto: Groß geworden: Mantas mit Ruth Geede (privat)


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