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26.07.08 / Teure Hilfe für Belgrad / Nach der Festnahme von Karadzic kann Serbien Gegenleistungen der EU einfordern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-08 vom 26. Juli 2008

Teure Hilfe für Belgrad
Nach der Festnahme von Karadzic kann Serbien Gegenleistungen der EU einfordern
von Klaus D. Voss

Jetzt hat Belgrad das große Blatt auf der Hand – nach der Festnahme des als Kriegsverbrecher gesuchten Radovan Karadzic wird die EU der Serbischen Republik kaum noch eine Forderung abschlagen können. Wieder einmal haben sich Deutschland und der Westen in Sachen Jugoslawien mit ungeschickter Politik festgefahren. Es wird teuer.

Was Karadzic, den früheren Präsidenten des serbischen Teils von Bosnien, erwartet, sollte er an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt werden, ist in Umrissen klar. Nach Aktenlage könnte man ihm die Verantwortung für den Tod von 75000 Zivilisten, unter anderem beim Massaker von Srebrenica und der Belagerung von Sarajewo, vorwerfen. Daneben auch die Geiselnahme von UN-Soldaten und ein perfekt organisiertes System zur privaten Bereicherung, auch aus Hilfslieferungen.

Was auf Deutschland und die Europäische Union zukommen wird, läßt sich in seinem Umfang noch lange nicht abschätzen, aber eines ist der EU sicher: Sie muß die Rolle des Zahlmeisters  übernehmen.

Für Belgrad ist die erste Etappe auf dem Weg in die Europäische Gemeinschaft freigeschaltet. Die neue serbische Regierung unter Präsident Boris Tadic und Regierungschef Mirko Cvetkovic, die überraschend schnell auf die Forderung nach Festnahme von Kriegsverbrechern eingegangen ist, kann die Nachbarn im Westen sehr nachdrücklich auf ihre Bringschuld verpflichten. Die Gründe dafür fangen schon bei den Possen um Festnahme oder Schonung von mutmaßlichen Kriegsverbrechern wie Karadizic oder dem Serben-General Ratko Mladic an. Nicht nur Belgrad hatte die von vielen Menschen in Serbien als Helden verehrten Gesuchten geschützt. Bereits vor zehn Jahren wäre ein Zugriff europäischer Spezialeinheiten möglich gewesen – aber immer wieder hatten einzelne Staaten aus Eigensinn die schützende Hand über Karadzic und Co. gehalten; besonders Frankreich hat häufig genug die Pläne durchkreuzt.

Auf der Rechnung, die Belgrad jetzt aufmacht, stehen viele Positionen. Unmittelbar muß die EU Belgrad helfen, die Lage im Land zu stabilisieren. Mit welchen Zugeständnissen auch immer radikale Nationalisten ruhig gehalten werden können, die EU ist gefordert.

Noch immer nicht ausgestanden sind die wirtschaftlichen Folgen, die aus der Abspaltung des Kosovo von der Serbischen Republik entstanden sind: Die törichte Entscheidung, diesen Landflecken als eigenständigen Staat anzuerkennen, hat nicht nur die EU in dieser Frage gespalten. Auch für das Kosovo muß die Europäische Union Frieden stiften – mit Geld.

Und dann kommt der ganz große Posten: Je weiter sich Serbien aus seiner politischen Isolation lösen kann, desto mehr rückt in den Mittelpunkt, was man in Europa am liebsten vergessen wollte: der Krieg um das Kosovo, den die Nato 1999 gegen Ex-Jugoslawien führte. Noch immer sind die ganz entscheidenden Fragen ausgeklammert: Wie steht es um die völkerrechtliche Legitimierung dieses Krieges, welche führende Rolle hatte Deutschland? Schließlich: Wer muß die Reparationen für die in Ex-Jugoslawien noch immer sichtbaren Kriegsschäden tragen? Belgrad hat viele offene Forderungen.


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