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26.07.08 / Quatsch mit Soße

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-08 vom 26. Juli 2008

Quatsch mit Soße
von Harald Fourier

Jedes Jahr ziehen rund 120000 Menschen nach Berlin. Erfreulich: Das sind einige Tausend mehr als wegziehen. Nach einem Jahrzehnt der Schrumpfung ab Mitte der 90er Jahre wächst die deutsche Hauptstadt seit ein paar Jahren wieder.

Viele erleben die Ankunft in der deutschen Metropole jedoch als Kulturschock. Zum  Beispiel, wenn sie in die „Berliner Straße“ müssen, aber im letzten Moment feststellen, daß es davon neun Stück gibt. Das erwischt Neu-Berliner eiskalt, wenn sie etwa aus einer Stadt wie Hamburg kommen, wo jeder Straßenname nur einmal auftaucht. Oder wenn sie vor der Unterzeichnung eines Mietvertrages einen Wust von Unterlagen vorlegen sollen, weil jeder Vermieter bereits schlechte Erfahrung mit zahlungsunfähigen Kunden  gehabt hat. Andere verwechseln schon mal die Potsdamer Chaussee und die Potsdamer  Straße (liegen ganz woanders). Wieder andere kommen mit der Art der Berliner nicht klar, wenn sie etwa von einem lockeren Bekannten mit den Worten „Du siehst heute aber wieder schlecht aus“ begrüßt werden.

Ihnen wird jetzt geholfen. Es gibt ein Seminar für Neu-Berliner, das von einem Mann aus Mannheim geleitet wird. Er gibt anderen Zugezogenen Tips, wie sie sich orientieren („schauen Sie sich die Durchfahrtsstraßen genauer an“) können oder was sie mal machen sollten („bei einem Rundflug bekommen Sie ein Gefühl dafür, wie große diese Stadt ist“). Und er warnt davor, sonntags in den Zoo zu gehen, mit  „Ossis“ über den diktatorischen Charakter der DDR zu sprechen („bringt nur Ärger“) oder sich nachts in der Neuköllner Hasenheide herumzutreiben („da springen zu viele Dealer rum“).

Seminarteilnehmer erhalten Tips für den Umgang mit „dem Berliner“. Der ist nämlich selbst sehr durchsetzungsfähig und mag es gar nicht, daß Fremde ihr Anliegen nicht auf den Punkt bringen. Wenn jemand um den heißen Brei herumredet, dann nennen Berliner das „Quatsch mit Soße“.

Als ich nach diesem dreistündigen Seminar nach Hause kam, wurde mir durch Zufall nach all der Theorie gleich wieder eine Einführung in die Praxis erteilt.

Zwei Leute stritten vor meinem Supermarkt um einen Parkplatz. Aus einem Passat stieg ein Mann aus und schimpfte mit einer Frau in einem Kleinwagen („Wir brauchen keine Polizei holen, wir waren zuerst hier“). Minuten später – als ich vom Einkauf zurückkam – gab er aber nach, und sie bekam den Parkplatz. Sie hatte ein Berlin-Kennzeichen, er eines aus Neuss. Berliner sind tatsächlich sehr durch­setzungsfähig.


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