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26.07.08 / Verborgenes Potential nutzen / Rußlands Präsident Dmitrij Medwedew stellt der Öffentlichkeit seinen außenpolitischen Kurs vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-08 vom 26. Juli 2008

Verborgenes Potential nutzen
Rußlands Präsident Dmitrij Medwedew stellt der Öffentlichkeit seinen außenpolitischen Kurs vor
von M. Rosenthal-Kappi

Die Bundesrepublik Deutschland wird auch künftig einer der wichtigsten Handelspartner für Rußland sein. Während die Wirtschaftsminister beider Länder, Michael Glos und sein russischer Amtskollege Viktor Christenko, den Ausbau gegenseitiger Investitionen und Industriekooperationen vor allem in den Bereichen Automobilbau, Elektro- und Landwirtschaftsmaschinenbau sowie in der Hochtechnologiebranche vereinbarten, traf Außenminister Frank-Walter Steinmeier den russischen Präsidenten, um ihm Vorschläge zur Lösung des abchasisch-georgischen Konflikts in drei Stufen zu unterbreiten. Daß Medwedew trotz kritischer Reaktionen im Inneren Steinmeiers Vorschlag nicht brüsk als Einmischung in innerrussische Angelegenheiten zurückwies, wie es die durchgängige Haltung seines Vorgängers Putin gewesen war, mag daran liegen, daß Medwedew um ein gutes Verhältnis mit den Vertretern der einzelnen EU-Länder  bemüht ist.

Medwedew hat seinen eigenen Stil, und das zeigt er auch. Er äußert sich sachlich, wählt seine Worte vorsichtig. Beim Gipfeltreffen der G8 in Japan stellte er der Öffentlichkeit die russische Außenpolitik unter seiner Führung vor. Inhaltlich unterscheidet diese sich kaum von der Putins. Der Zugang zu den wichtigen Energieressourcen wird ebenso ein Schlüsselelement der russischen Diplomatie bleiben wie der politische Einfluß in den zentral-asiatischen Staaten. Nicht ohne Grund führten Medwedews erste Auslandsbesuche zur Verwunderung des Westens nach China und Turkmenien. Der zentralasiatische Staat Turkmenien verfügt über immense Gasvorkommen, knüpfte in letzter Zeit enge Kontakte zu den USA und der EU, plant mit Hilfe westlicher Staaten den Bau einer Pipeline unter Umgehung russischen Territoriums, eine Entwicklung, die den Interessen Rußlands entgegensteht. Auch sicherheitspolitisch spielen die Länder Zentralasiens für Rußland eine wichtige Rolle. In Kirgisien, das über keine Bodenschätze verfügt, unterhält die russische Armee Luftstützpunkte, am Issyk-Kul-See gibt es ein Testgelände für Unterwasser-Torpedo-Tests. In diesem Jahr hat die Kriegsmarine Rüstungsaufträge für den Bau von Torpedos an kirgisische Rüstungsfirmen vergeben.

Bei den G8-Gesprächen wiederholte Medwedew mehrfach Rußlands Forderung, als gleichberechtigter Partner angenommen zu werden, stellte sein Land als Gegengewicht zur Großmacht USA dar, indem er von einer gleichberechtigten Verantwortung beider Staaten für die Welt sprach. Als wichtigsten Punkt seiner Außenpolitik nannte er die Intensivierung der Beziehungen zu Europa, wobei er eine strategische Partnerschaft zwischen Rußland und Europa mit intensiven Wirtschaftsbeziehungen vorchlug, allerdings auf der Grundlage veränderter Regeln, die zuvor von beiden Seiten anerkannt werden müßten. Den Wunsch, eine Weltordnung zu schaffen, in der Rußland ein größerer Einfluß als Weltmacht zufällt, drückte Medwedew in dem Vorschlag aus, ein neues europäisches Sicherheitsabkommen zu vereinbaren, das nach den Vorstellungen des Kremlchefs ein paneuropäischer Gipfel ausarbeiten soll. Ziel eines solchen Sicherheitsabkommens ist sicherlich, den Führungsanspruch der USA in Frage zu stellen und die amerikanischen Pläne für die Einrichtung des Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien zu verhindern.

Medwedew kündigte Rußlands aktive Mithilfe bei der Lösung der auf dem G8-Gipfel erörterten Probleme und Themen an. Vor allem sei eine weitere Entwicklung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der globalen Energiesicherheit möglich. Ein Gleichgewicht zwischen Energieproduzenten, Transporteuren und Verbrauchern werde die Stabilität sichern. Aufgrund der verbesserten Möglichkeiten seines Landes sieht Medwedew hier ein großes bislang verborgenes Potential schlummern.

Bei allen schönen Worten darf man sich allerdings nicht darüber hinwegtäuschen lassen, daß Rußland eben dieses Potential nicht nur zum Wohle der Welt, sondern in erster Linie für die Durchsetzung eigener Interessen nutzen wird, damit das Land im Inneren gestärkt wird und international größeres Gewicht erhält.

Medwedew denkt global. Mehrfach erwähnte er in seiner Rede die wachsende Bedeutung Chinas, Japans, Indiens sowie weiterer Länder Lateinamerikas, Südafrikas, aber auch Südkoreas für die russische Wirtschaft. Länder, mit denen Rußland ebenso einen Ausbau der Beziehungen anstrebt  wie eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Europa.

Foto: Steinmeier bei Medwedew: Vorschlag zur Lösung des Kaukasus-Konflikts.


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