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26.07.08 / Wo Kohlensäure aus dem Boden schießt / Bad Neuenahr: Ein königlicher Kurort wird 150 Jahre alt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-08 vom 26. Juli 2008

Wo Kohlensäure aus dem Boden schießt
Bad Neuenahr: Ein königlicher Kurort wird 150 Jahre alt
von Uta Buhr

Salus per aquam – im Wasser liegt Heilung! Wer verstand mehr von den heilenden Kräften des Thermalwassers als die Römer der Antike! Ohne ihre den Organismus stärkenden Baderituale wären die Legionäre des Imperium romanum auf ihren Eroberungszügen lange nicht so erfolgreich gewesen, behaupten manche. Seit ein paar Tagen genießt Rena S. die „Sinfonie der Sinne“ in vollen Zügen. Dieses Neuenahrer Wohlfühlprogramm ist für die Lateinlehrerin aus Berlin ein Labsal für Körper und Seele: „Anwendungen mit Thermalwasser, Massagen und raffinierte kosmetische Behandlungen – einfach himmlisch“, schwärmt sie. Eingebettet in eine zauberhafte Landschaft nur einen Steinwurf entfernt vom Rotweinwanderweg hoch über der Ahr – dem nördlichsten Rotweinanbaugebiet der Welt – zählt Neuenahr zu den meistbesuchten Heilbädern Deutschlands.

Die Geschichte des Bades, das sich mit dem Attribut „Royal Spa of Europe“ schmücken darf und am 28. Juli dieses Jahres sein 150jähriges Bestehen feiert, liest sich wie ein Märchen, in dem eine gütige Fee ihre Hand im Spiel hatte. Mitte des 19. Jahrhunderts verdorrten die Weinstöcke urplötzlich an einer bestimmten Stelle zwischen den Orten Wadenheim und Heppingen. Kohlensaures Gas entströmte dem Boden und minderte die Traubenernte.

Georg Kreuzberg, seines Zeichens Weinhändler aus Ahrweiler und Besitzer des betroffenen großen Weinbergs, hatte eine zündende Idee: Über einen Stollen sollte die Kohlensäure abgeleitet werden. Bei der Grabung wurde eine Quelle mit säuerlichem Mineralwasser entdeckt, die 22 Grad warm aus dem Boden schoß.

Bereits 1852 trat das Apollinaris Tafelwasser – als „Queen of Table Waters“ besonders von den Engländern geschätzt – seinen Siegeszug durch Europa und später rund um den Erdball an. Im Jahre 1872 wurden bereits acht Millionen Krüge mit dem köstlichen Naß in alle Welt versandt. „Aber es kam noch viel besser“, erzählt ein Alteingesessener in einer der urigen Weinlauben in Ahrweiler.

„Gase wurden wenig später in einigen Kellern des Dorfes Beul – dem heutigen Bad Neuenahr – entdeckt.“ Der Weinhändler Kreuzberg, inzwischen gut beraten vom Bonner Gelehrten Professor Gustav Bischof, stellte mit Erstaunen fest, daß er eine Goldader geöffnet hatte. Ein stark kohlesäurehaltiges, „blutwarmes“, alkalisches, an Kochsalz armes Wasser sprudelte aus dem Boden. Unter Führung des findigen Geschäftsmannes Georg Kreuzberg wurde ein Heilbad geplant nach dem Vorbild berühmter Orte wie Baden-Baden, Oeynhausen, Lippspringe und Wildungen. Die Finanzierung erwies sich zunächst als schwierig. Nachdem jedoch eine Summe von 500000 Talern zur Verfügung stand und Kreuzberg zum Direktor einer Kommanditgesellschaft ernannt worden war, konnten die Arbeiten beginnen.

Am 28. Juli 1858 war es endlich soweit. Die Einweihungsfeierlichkeiten wurden mit großem Pomp vollzogen. Denn keine Geringere als Prinzessin Augusta von Preußen, die spätere erste deutsche Kaiserin an der Seite Wilhelms I., fungierte als Taufpatin der „Augustenquelle“. Die Chronik berichtet, daß „schon am Morgen des damaligen Mittwochs sich eine große Menschenmenge von auswärts auf rasselnden Karossen, einfachen Landfuhrwerken, Leiterwagen und Karren sowie zu Fuß über die Hauptstraße des Ahrtales nach dem Dorfe Beul am Fuße des Berges Neuenahr begab, wo in fieberhafter Arbeit während der letzten acht Tage eine ‚möglichst geordnete‘ Feststätte entstanden war und künstliche Gärten, Ehrenpforten und Fahnenschmuck einen noch unfertigen Zustand verdeckten.“ Dennoch, Prinzessin Augusta sah gnädig über alle Unzulänglichkeiten hinweg und erfüllte ihren Part mit königlicher Würde: „Nachdem die Quelle eingesegnet war, goß Augusta eine daraus gefüllte Schale langsam in die Quelle und verlieh ihr damit den Namen Augustenquelle.“ Eine Urkunde wurde unterzeichnet, die feierlich im Kurhaus von Bad Neuenahr verwahrt wird.

Nach dem Besuch der königlichen Hoheit brach das goldene Zeitalter für den Ort an. Der deutsche Erb- und Geldadel strömte herbei, um in den heilenden Wassern Neuenahrs zu kuren und den „Großen Sprudel“ zu bewundern, dessen kraftvoller Strahl auch heute noch in ein großes rundes Becken zischt. „Auch Anno dazumal wurden hier Stoffwechselerkrankungen, Magen-Darmleiden, Diabetes sowie Erkrankungen von Leber und Galle behandelt“, erklärt ein Badearzt.

„Aber natürlich haben wir unsere Therapieprogramme inzwischen enorm erweitert. Heute verfügen wir über ultramoderne medizinische Einrichtungen.“ Am Ende des Ersten Weltkrieges lag das Bad danieder. Die ausländischen Gäste blieben aus.

Nur wenige Deutsche konnten sich einen Kuraufenthalt noch leisten. Und während der „Franzosenzeit“, als das Rheinland vom übrigen Deutschland praktisch abgetrennt war, verschlimmerte sich die Lage weiter.

„Die größte Katastrophe war natürlich der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges“, sagt Kurdirektor Rainer Mertel. „Auch Bad Neuenahr blieb von den Kampfhandlungen nicht verschont.“ Nur ein Stichwort: Die berühmt-berüchtigte Brücke von Remagen, um die eine erbitterte Schlacht tobte, liegt gerade einmal zehn Kilometer von Bad Neuenahr entfernt. Hotels und Kuranlagen wurden in Lazarette und Krankenhäuser umfunktioniert.

Die Wende kam 1948 im Gefolge der Währungsreform. Als am 18. Dezember desselben Jahres die Spielbank ihre Pforten in den Räumen des Kurhauses öffnete, stieg Bad Neuenahr auf wie Phönix aus der Asche und avancierte schlagartig zum „Partytreff“ der Bonner Republik.

Legendär waren die Pressebälle, auf denen sich die Prominenz aus Film und Politik ein Stelldichein gab. Hier sah man Hildegard Knef am Arm von Erich Ollenhauer, Romy Schneider im Schlepptau von Mutter Magda sowie ehemalige Ufastars wie Willy Fritsch und Lilian Harvey Walzer tanzen. „Tempi passati“, lacht der Barmann in der Spielbank, „heute tanzen die Promis auf dem glatten Berliner Parkett.“

Bad Neuenahr hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte von Grund auf erneuert, ohne jedoch den Charme der Gründerzeit einem ausufernden Zeitgeist zu opfern.

Das von ionischen Säulen flankierte Thermal-Badehaus weckt nostalgische Gefühle. Die Maxime, Traditionen zu wahren und gleichzeitig neue Wege zu beschreiten, hat Neuenahr letztlich den Titel eines „Royal Spa“, eines wahrhaft königlichen Bades, eingebracht.

Herzlichen Glückwunsch zum 150. Geburtstag!

Foto: Bad Neuenahr: Der Anblick des Thermal-Badehauses weckt nostalgische Gedanken.


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