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26.07.08 / Zwischen allen Stühlen / Erstmals wurde mit Salvador Allende ein bekennender Marxist auf demokratischem Wege Präsident

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30-08 vom 26. Juli 2008

Zwischen allen Stühlen
Erstmals wurde mit Salvador Allende ein bekennender Marxist auf demokratischem Wege Präsident
von Klaus Gröbig

Bei der Nennung seines Namens bekommen alle überzeugten DDR-Bürger, Sozialisten und Gutmenschen feuchte Augen. Die Rede ist von Salvador Allende. Im Ost-Berliner Stadtteil Köpenick trägt ein ganzes Stadtviertel seinen Namen, aber auch im Westteil der Stadt ist er immerhin Namenspatron einer Studentensiedlung.

Vor 100 Jahren, am 26. Juli 1908, wurde Allende in der chilenischen Hafenstadt Valparaiso geboren. Als Student begann er sich zu politisieren. Als 1933 in seiner Heimatstadt die Sozialistische Partei gegründet wurde, war er mit von der Partie. Kontinuierlich stieg er in der Szene auf, bis er 1952 erstmals für das Amt des Staatspräsidenten kandidierte. Damals kam er in der Wählergunst nur auf den vierten Platz. Er ließ sich aber nicht entmutigen. 1958 versuchte er es als gemeinsamer Bewerber der „Frente de Accion Popular“ erneut. Diesmal scheiterte er nur knapp mit einem respektablen Ergebnis. Ein drittes Mal trat er 1964 zur Wahl an und wurde von dem christdemokratischen Kandidaten Frei deutlich geschlagen. Rechte, Konservative und Christdemokraten hatten sich auf den späteren Sieger als gemeinsamen Kandidaten geeinigt.

1970 gab es im rechtsbürgerlichen Lager diese Einheit allerdings nicht. Allende trat ein viertes Mal an, diesmal von der „Unidad Popular“ auf den Schild gehoben, einer Einheitsfront aus Kommunisten, Sozialisten und zahlreichen anderen linken Parteien. Allende erhielt als stärkster Bewerber 36,3 Prozent der Wählerstimmen, der rechtskonservative Kandidat erreichte 34,9 Prozent, und der Christdemokrat kam auf 27,9 Prozent. Gerade einmal etwas mehr als ein Drittel der Wähler hatte Allende die Stimme gegeben. Das Parlament hatte nun gemäß der Verfassung den Präsidenten zu bestimmen. Nach längerem Hin und Her fanden sich die Christdemokraten schließlich bereit, Allende mit zu wählen – und verhalfen ihm damit zum Sieg.

Bald nach dem Amtsantritt des bekennenden Marxisten machten sich die Auswirkungen der Wirtschaftspolitik des neuen Präsidenten bemerkbar. Die Inflation, die bei seinem Amtsantritt schon stolze 29 Prozent betragen hatte, stieg auf 600 Prozent. So erhielten all diejenigen, denen er soziale Wohltaten zukommen lassen wollte, nur wertloses Papiergeld.

Gruppen, die Allende bislang unterstützt hatten, wie die Lastwagenfahrer, Studenten, Bauern und Arbeiter, wandten sich von ihm ab. 1972 kam der „Maximo Lider“ Fidel Castro zu einem Besuch nach Chile, bei dem er in Santiago de Chile eine revolutionäre Kampfrede hielt. So hatten sich die Christdemokraten das nicht vorgestellt, als sie Allende im Parlament ihre Stimme gegeben hatten. Sie been­de­ten die Zusammenarbeit mit ihm, was Allende aber nicht scherte. Er holte sich die Generalität ins Kabinett. Armeechef General Carlos Prats trat jedoch als Innenminister zurück, als das Parlament Allende das Mißtrauen aussprach. Derweil war es zu Mordtaten an bürgerlichen Politikern gekommen.

Auch als Heereschef trat Prats zurück. Zu dessen Nachfolger in diesem Amt ernannte Allende auf dessen eigenen Vorschlag hin Augusto Pinochet. Es war nicht der einzige Sargnagel des Chilenen. Seine Kritik am Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei 1968 war vermutlich der Grund, aus dem Mos­kau Washington diskret wissen ließ, man werde Allende nicht retten. Diese Neuigkeit gab unlängst der ehemalige KGB-General Nikolai Leonow bekannt.

Am 11. September 1973 putschte das Militär. Der Präsidentenpalast war umstellt. Pinochets Angebot, Allende in ein Land seiner Wahl auszufliegen, schlug dieser aus. Statt dessen erschoß er sich. Die anschließende Militärdiktatur der Putschisten kostete viele Menschen das Leben. Die Zahlen schwanken – je nach politischem Standort – zwischen 3000 und 50000.

Foto: Salvador Allende: Mit seinem Versuch, sozialistische Ziele mit demokratischen Mitteln zu erreichen, setzte sich der Präsident im Kalten Krieg zwischen der UdSSR und den USA zwischen alle / beide Stühle.


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