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02.08.08 / Scharfer Blick aus dem All / Mit dem Aufklärungssatelliten SAR-Lupe schließt Deutschland zu den USA und Rußland auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Scharfer Blick aus dem All
Mit dem Aufklärungssatelliten SAR-Lupe schließt Deutschland zu den USA und Rußland auf
von Hans Heckel

Am 22. Juli war es soweit: Im Weltraumbahnhof Plessnezk südlich von Archangelsk trug eine eigens dafür umgebaute russische Kosmos-3M-Rakete den fünften und letzten deutschen Aufklärungssatelliten vom Typ SAR-Lupe ins All. Wenn der Satellit seine Arbeit aufnimmt, besitzt Deutschland endlich ein kleines, aber hochmodernes und effizientes eigenes System zur Aufklärung aus dem Weltraum.

Bislang verfügten allein die USA und Rußland über Systeme von vergleichbarem technischen Standard. Das Besondere an SAR-Lupe, das der deutsche Orbiter den französischen „Helios“-Satelliten voraus hat, ist, daß er auch bei Wolken und Dunkelheit „sehen“ kann. Helios ist lediglich ein optischer Satellit, SAR-Lupe hingegen arbeitet mit modernster Radartechnik.

SAR steht für „Synthetic Aperture Radar“, zu deutsch in etwa: Radar mit künstlich errechneter Großantenne. Der Zusatz „Lupe“ steht für eine Fähigkeit, auf welche die Hersteller unter Führung der Bremer Firma „OHB System“ besonders stolz sind: Der Satellit wertet im Regelbetrieb 60 mal acht Kilometer breite Gebietsstreifen aus, kann aber auch gezielt 5,5 mal 5,5 Kilometer kleine Beobachtungsräume in der Art eines Teleobjektivs heranholen. Dann erreicht der deutsche Weltraumspäher eine Auflösung von unter 80 Zentimeter, und das aus einer Flughöhe von rund 500 Kilometern. Gäbe es keine optischen Hindernisse wie die Erdkrümmung, könnte SAR-Lupe also von Berlin aus einen Kleinwagen identifizieren, der am Kölner Dom steht. Dabei kann der Spion sogar durch Tarnnetze und Bäume hindurchsehen. Ausgewertet werden die Daten aus den drei mal vier mal zwei Meter großen Apparaten durch Bundeswehr-Spezialisten in der Bodenstation in Gelsdorf bei Bonn.

Mit dieser Kombination aus großräumiger Betrachtung und „Lupe“ war es möglich, ein weltumspannendes Satellitenaufklärungssystem zu installieren, das aus nur fünf Satelliten besteht. Auslöser für die deutschen Bemühungen war die Erfahrung, daß die USA ihren deutschen Verbündeten nur sehr unwillig und lückenhaft mit Satellitenbildern versorgten, was vor allem während der Balkankriege sauer aufstieß. Fazit: Ein eigenes System mußte her. Anfängliche Anläufe für eine europäische Lösung scheiterten, weshalb die Bundesregierung 1998 die Entwicklung des deutschen Netzes anschob. Von Ende 2006 bis Juli 2008 wurden die fünf SAR-Lupe dann im All plaziert.

Beim Alleingang soll es nach Berliner Vorstellung aber nicht bleiben. Mit den Franzosen wurde bereits ein Abkommen geschlossen zur gegenseitigen Nutzung der Aufklärungssatelliten beider Länder, wovon beide Staaten profitieren sollen: Während die Deutschen die erwähnte Fähigkeit mitbringen, auch unter widrigen Bedingungen observieren zu können, bringt es der optische (also auf Licht und Wolkenlosigkeit angewiesene) französische Helios auf eine Auflösung von sogar unter 30 Zentimeter.

Überdies ist das SAR-Lupe-System von vornherein so konstruiert, daß weitere europäische Staaten eigene Satelliten hinzufügen können. In Frage kommen insbesondere Belgien, Griechenland, Italien und Spanien, die sich bereits am französischen Satellitennetz beteiligen.

Entscheidend für den Durchbruch von SAR-Lupe waren die vergleichsweise niedrigen Kosten. Zwar hat sich der ursprünglich veranschlagte Preis von 370 Millionen Euro hernach etwa verdoppelt. Doch das in den 90er Jahren konzipierte (und verworfene) „Horus“-System belief sich schon in der Vorausberechnung auf über 2,5 Milliarden Euro. Auch die Aufklärungssysteme der USA und Rußlands sind um ein Vielfaches teurer als der deutsche Konkurrent.

Für Sascha Lange von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist es das wichtigste, daß Deutschland mit dem neuen Satellitensystem „ein wesentliches Stück nationaler Unabhängigkeit zurück-gewonnen“ habe. Ziel der deutschen Anstrengungen ist dabei nicht allein, eigene Aufklärungsdaten aus dem All zu gewinnen, statt bei ausländischen Mächten darum betteln zu müssen. Berlin will auf diese Weise auch seine Verhandlungsposition verbessern: Mit SAR-Lupe kann Deutschland eigenes Aufklärungsmaterial anbieten, um im Gegenzug Material der USA zu erhalten, so die Berliner Rechnung.


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