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02.08.08 / Goethe mit »Ö«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Goethe mit »Ö«
von Harald Fourier

Sage mir, wer deine Freunde sind, und ich sage dir, wer du bist. Ein kluger Satz. Ich hätte ihn am liebsten dem Typen aus meinem Fitneß-Studio um die Ohren gehauen, der seinen Kumpels am Mobiltelefon erklärte, wo er wohnt: „Dann kommt ihr bei mir vorbei:  In Berlin-Mitte, Eichendorffstraße 15. Aber mit zwei F.“

Wie denn sonst?, murmelte ich langsam vor mich hin, als ich das hörte. Es gibt keine Eichendorfstraße mit einem F, schließlich gibt es ja auch keinen Joseph von Eichendorf mit einem F. Jemand, der seinen Freunden erklären muß, daß er in der „Eichendorff­straße mit zwei F“ lebt, hat für mich schon verloren – und ich finde nicht, daß das   überheblich ist oder wichtigtuerisch. Es gibt einfach Dinge, die gehören zum Allgemeinwissen. Schließlich schreibt sich  Johann Wolfgang von Goethe ja auch nicht mit Ö.

Ich wäre niemals Zeuge dieses peinlichen Telefonats geworden, wenn es keine Mobiltelefone gäbe. Dadurch, daß immer mehr Zeitgenossen stets und ständig mit anderen telefonieren, sind wir ununterbrochen zum Zuhören verdammt.  Zumindest von dem einen Teil der Gespräche. Und das nervt. Fünf Tage vor dem Eichendorff-mit-zwei-F-Sportler war ich in der „Luise“ in Berlin-Dahlem eingekehrt, einem beliebten Biergarten. Hinter mir saß eine Frau mittleren Alters und telefonierte mit ihrem Anwalt. „Ja, es geht um die Sorgerechtssache! Wissen Sie, mein Mann, der …“ Den Rest bekam ich nicht mit, weil die Bedienung kam. Ich bestellte Heringe und Bratkartoffeln.

Wenig später klingelte der Fernsprecher der Dame, und sie begann mit jemandem zu schimpfen. „Und wenn du dann wieder vor meiner Tür stehst, dann rufe ich die Bullen.“ Oje, jetzt hatte sie den Vater des Kindes am Telefon und zankte mit ihm wegen des gemeinsamen Kindes. So laut, daß sich an den Nachbartischen die Leute umdrehten. Ungewollt lauschten wir den Beschimpfungen der Frau. In diesem Moment fiel mein Blick auf eine kurze Zeitungsmeldung: „69 Prozent der Deutschen fühlen sich von lauten Handy-Telefonaten anderer genervt, 63 Prozent vom lauten Klingeln.“

Jetzt mußte ich lachen. Das wiederum machte die Leute am Nachbartisch aufmerksam. Sie schauten etwas betreten, dachten wohl, ich würde aus Schadenfreude lachen. Nichts liegt mir ferner. Aber ich gehöre zweifellos zu den 69 Prozent, denen fremde Mobil-Gespräche auf die Nerven gehen. Und das jeden Tag mehr.


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