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02.08.08 / Wowereits Kronprinz drängt / Berlins SPD-Chef Müller will in die Landesregierung: Zahl der Senatoren soll erhöht werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Wowereits Kronprinz drängt
Berlins SPD-Chef Müller will in die Landesregierung: Zahl der Senatoren soll erhöht werden
von Patrick O’brian

Da Barack Obama besseres zu tun hatte, als seinen Namen ins Goldene Buch der Stadt Berlin zu setzen, lud sich Klaus Wowereit kurzerhand bei ihm ein und suchte den US-Politiker mit dem Goldenen Buch unterm Arm im Nobelhotel Adlon auf. Eine jämmerliche Geste, dabei wäre der Regierende Bürgermeister so gern ein großer Außenpolitiker.

Doch Beobachter sind sich sicher: Wowereits Stunde kommt noch. Es wird viel darüber spekuliert, wann und wie Klaus Wowereit in die Bundespolitik wechselt. Der linke SPD-Flügel hätte ihn gerne als Kanzlerkandidaten, und er selbst würde auch lieber mit Sarkozy und Medwedjew konferieren als mit Heinz Buschkowski oder Friedbert Pflüger. Deswegen trifft er sich auch gern mit seinen Bürgermeisterkollegen aus Paris, London und Moskau.

Aber was passiert eigentlich, wenn „Wowi“ die Berliner Landespolitik verläßt? Sein Nachfolger wird mit ziemlicher Sicherheit der jetzige SPD-Landesvorsitzende von Berlin Michael Müller (nicht zu verwechseln mit dem SPD-Staatssekretär Michael Müller im Bundesumweltministerium).

Der 43jährige leitet den ehemals zerstrittenen Landesverband schon seit einiger Zeit fast vollkommen geräuschlos. Es gibt eigentlich nur zwei Querköpfe, die hin und wieder für Unruhe unter den knapp 16000 Genossen sorgen: Heinz Buschkowski und Thilo Sarrazin.

Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowski provoziert die Parteispitze mit harschen Aussagen zum Integrationsproblem. Das hat ihm erst in der vergangenen Woche eine Einladung zu Anne Will eingebracht, wo er mal wieder den Hardliner gegen jugendliche Hartz-IV-Empfänger mit Migrationshintergrund spielen durfte. Doch die eigenen Parteifreunde lassen Buschkowski nicht einmal in der Abgeordnetenhausfraktion sprechen, weil ihnen seine Botschaft nicht gefällt. Müller ist der Chef dieser Fraktion.

Finanzsenator Sarrazin dagegen zieht den gesamten Unmut der Basis auf sich, wenn er Schwarzarbeiter lobt oder Hartz-IV-Empfängern vorrechnet, wie viele Kalorien sie sich leisten können. Müller rügte ihn öffentlich für sein Verhalten.

Aber außer den beiden ist Ruhe im Stall der Berliner Sozialdemokraten. Die alten Streitereien sind vergessen. Was gab es für Richtungskämpfe in den 70er und dann wieder in den 90er Jahren! Nun sammeln sich alle seit vier Jahren unter Müllers Führung. Der Landeschef ist ein Vertrauter des Regierenden Bürgermeisters. Beide stammen aus dem Bezirk Tempelhof, kennen sich seit vielen Jahren. Insofern hält man Müller an der Spree für den geborenen Kronprinzen. Fast 92 Prozent stimmten auf dem letzten Parteitag im Juni für seine Wiederwahl als SPD-Vorsitzender.

Aber momentan steht Klaus Wowereit im Mittelpunkt. Michael Müller ist für die Verwaltung der Mitgliederkartei oder Unterschriftensammlungen gegen die Schließung von Postfilialen zuständig, während sich sein Regierender Bürgermeister für die internationale Bühne oder wenigstens die Bundesebene warmläuft.

Allerdings wird Müller ungeduldig und beginnt vernehmlich mit den Füßen zu scharren. So wie die Nachfolger Erwin Huber und Günter Beckstein es nicht abwarten konnten, daß Edmund Stoiber endlich abtritt, so scheint auch Michael Müller versessen darauf, selbst endlich Regierungsverantwortung tragen zu dürfen.

Denn: Je geringer die Aussichten für einen Kanzlerkandidaten Klaus Wowereit 2009 werden, desto mehr rückt auch Müllers Wowereit-Nachfolge in Berlin in die Ferne. Offenbar ist ihm da indes eine Idee gekommen, um seine Position in der Warteschleife zumindest zu festigen: Der Partei- und Fraktionsvorsitzende dürfte an sich selbst gedacht haben, als er am vergangenen Wochenende vorschlug, die Zahl der Berliner Senatoren wieder zu erhöhen.

Seit der Wahl 2006 hat die Hauptstadt nur noch acht Senatoren. Im ersten Wowereit-Senat waren es noch neun, der letzte Senat unter CDU-Bürgermeister Eberhard Diepgen umfaßte zehn. Die meisten Regierungsmitglieder hatte Berlin nach 1990, stolze 16 Senatoren. Seitdem wurde die Zahl immer weiter reduziert. Berlin hat so zumindest ein bißchen gespart.

Doch nun soll es wieder einer mehr werden, oder sogar zwei. Vor allem zwei Ressorts sind im Gespräch für eine Aufspaltung: Supersenator Jürgen Zöllner (Schule, Wissenschaft, Kitas) soll einen Teil seiner Verantwortung abgeben. Auch könnte Klaus Wowereit den Posten des Kultursenators, den er derzeit selbst mitverwaltet, auf eine andere Person übertragen. Und schon wäre der Senat wieder bei zehn Mitgliedern – Michael Müllers Chance auf ein Regierungsamt, als erste Etappe zum Sprung nach ganz oben an die Spitze Berlins.


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