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02.08.08 / Chávez’ Stern sinkt / Der Venezulaner hat sich nach seinem Rußlandbesuch selbst »entzaubert«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Chávez’ Stern sinkt
Der Venezulaner hat sich nach seinem Rußlandbesuch selbst »entzaubert«
von Hans Heckel

Der russischen Führung wird der sprunghafte Präsident von Venezuela, der bekennende Marxist Hugo Chávez, langsam peinlich. Zunächst schien der fanatisch USA-feindliche Linksaußen dem Kreml offenbar als brauchbarer Hebel, um dem einstigen Rivalen im Kalten Krieg Ärger vor der eigenen Haustür zu machen. Nach Chávez’ jüngsten Kapriolen indes scheint der Stern des Lateinamerikaners in Rußland zu sinken. Kreml-nahe Quellen ließen durchsickern, daß man den Venezolaner als „kontrovers“ einstufe. Mit anderen Worten: unberechenbar.

Grund für die Verstimmung: In der für ihn typischen pathetischen Art hatte Chávez anläßlich seines Antrittsbesuchs beim neuen russischen Präsidenten Dimitrij Medwedjew vergangene Woche verkündet, russische Waffen für bis zu 30 Milliarden US-Dollar kaufen zu wollen. Zudem werde er sein Land für russische Militärbasen öffnen. Feierlich hatte der Latino-Sozialist ausgerufen, zur Ankunft der russischen Streitkräfte in seinem Land „werden wir die Fahnen hissen, die Trommeln schlagen und Lieder singen, weil unsere Verbündeten da sind, mit denen wir die gleiche Weltsicht teilen“. So berichtete es die regierungsnahe russische Nachrichtenagentur Interfax.

In Washington löste die Meldung umgehend Prostest aus. Das Weiße Haus warnte, daß es eine derartige russische Präsenz in seiner unmittelbaren Nähe nicht tatenlos hinnähme. Es wurden sogar Erinnerungen an die Kuba-Krise 1962 bemüht, zumal erst jüngst in Moskauer Militärkreisen die Stationierung russischer Langstreckenbomber im karibischen Raum erwogen worden war.

Kaum jedoch hatte Hugo Chávez russischen Boden verlassen und seine Europatour fortgesetzt, die ihn noch nach Weißrußland, Portugal und Spanien führen sollte, war alles nicht mehr wahr. Nie habe er von russischen Stützpunkten und Waffenlieferungen in diesem Umfang gesprochen, ließ Chávez in Lissabon verlauten. Das sei alles Lüge, gegen ihn sei ein Medienkrieg nach den Methoden des NS-Propagandaministers Goebbels im Gang.

Urheber dieses Krieges könnte nach Lage der Dinge nur die Kreml-treue Interfax gewesen sein, die Attacke des Lateinamerikaners trifft also den eben noch hofierten russischen „Verbündeten“ selbst. Die Direktorin für politische Forschung am Lateinamerika-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, Marina Tschumakowa, warnte in der „Nesawissimaja Gaseta“: „Chávez wirbt für sich selbst, ohne zu berücksichtigen, daß dies außerhalb des richtigen Feldes geschieht.“ Soll heißen: Der Venezolaner betreibt Selbstdarstellung auf Kosten seines potentiellen Partners Rußland. Es gebe noch andere Staaten in Lateinamerika, mit denen Moskau zusammenarbeiten könne, ließ sie den hitzigen Präsidenten wissen. Indirekt stichelte Tschumakowa gegen Chávez‘ Unterstützung für die kolumbianischen Farc-Terroristen und stellte die grundsätzliche Frage, ob man an solche Regime überhaupt guten Gewissens Waffen liefern könne

Opfer von Chávez’ Wechselhaftigkeit wurden auch die beiden letzten Ziele seiner Reise, Spanien und Portugal. In Moskau noch polterte der Präsident gegen die „Lakaien“ der USA, womit nur die Nato-Mitglieder gemeint sein konnten, die sich an US-geführten Militäraktionen beteiligen, also unter anderem Spanien und Portugal. Beim Empfang durch den spanischen König Juan Carlos am 25. Juli in dessen Sommerresidenz auf Mallorca bezeichnete Chávez den Monarchen indes als „guten Freund“. Beim portugiesischen Ministerpräsidenten José Socrates hatte Chávez zuvor die „besonderen Beziehungen“ zwischen seinem Land und Portugal beschworen.

In Lissabon wie in Madrid wurde Chávez mit Zurückhaltung empfangen. Spanien fürchtet um die zahlreichen spanischen Investitionen, etwa in der Ölförderung des rohstoffreichen Venezuela, die man durch die Verstaatlichungspolitik der linken Chávez-Regierung bedroht sieht. Daher vermeidet Madrid trotz unübersehbarer Distanz zu Chávez jede Spitze.

König Juan Carlos war jedoch anzusehen, daß ihm der Besuch des grobschlächtigen Linkspopulisten einiges an Überwindung abverlangte.

Unvergessen ist die Szene, als der König den venezolanischen Präsidenten mit den Worten „Warum hältst du nicht die Klappe?“ in die Schranken wies: Chávez hatte auf dem iberoamerikanischen Gipfel in Santiago de Chile am 7. November 2007 die Rede des spanischen Premiers José Luis Rodríguez Zapatero so oft unflätig unterbrochen, bis der neben diesem sitzende Monarch den verdatterten Chávez brüsk zur Ordnung rief. Auf Mallorca beließ es Juan Carlos bei jovialen Höflichkeiten. Chávez’ kumpelhaftes Angebot, man könne doch gemeinsam an den Strand gehen, überging der König.

Die Unberechenbarkeit des Venezolaners läßt unterdessen selbst ideologisch verwandte Regierungen auf Distanz gehen. Erst im Frühjahr beendete der Linkskandidat Fernando Lugo in Paraguay mit seinem Sieg bei der Präsidentschaftswahl die 61jährige Herrschaft der bürgerlichen Colorado-Partei. Wie Evo Morales in Bolivien, Rafael Correa in Ecuador oder Daniel Ortega in Nicaragua steht der ehemalige Bischof und Befreiungstheologe den sozialistischen Vorstellungen eines Hugo Chávez eigentlich recht nahe. Doch dieser Tage ließ Lugo verlauten, daß er dem „konfrontativen Weg“ des Venezola-ners nicht folgen wolle.


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