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02.08.08 / Mord an Millionen / Der indische Autor Khushwant Singh über die Vertreibungen in Indien 1947

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Mord an Millionen
Der indische Autor Khushwant Singh über die Vertreibungen in Indien 1947

„Der Sommer des Jahres 1947 war nicht wie andere indische Sommer. Sogar das Wetter war in jenem Jahr in Indien anders … Mano Majra ist ein winziger Ort. Es gibt bloß drei Gebäude aus Stein. Eins davon ist das Haus des Geldverleihers Lala Ram Lal. Die anderen beiden sind der Sikh-Tempel und die Moschee … Der Rest des Dorfes besteht aus einer Traube ineinander verschachtelter Lehmhütten mit flachen Dächern und Höfen, die von niedrigen Mauern eingefriedet sind.“ In diesem Ort spielt die Tragödie, die der indische Autor Khushwant Singh in „Der Zug nach Pakistan“ schildert. Der Autor ist – wie die Figuren in seiner Geschichte – in einem Ort der späteren Grenzregion von Pakistan und Indien geboren. Sein Roman erschien bereits erstmals 1956 in Indien. Da Khushwant Singh aber zu den Großen in der indischen Literatur gehört, wird sein Werk jetzt auch in deutscher Sprache veröffentlicht. Und da der Kaschmirkonflikt bis heute nicht gelöst ist, ist sein Roman, der die Wurzeln dieses Konflikts, sprich die Vertreibungen nach dem Abzug der Briten im Jahr 1947, darstellt, bis heute relevant.

Mano Majra wird seit Generationen von Hindus, Sikhs und Moslems bewohnt. Die Züge, die auf den Bahnschienen nahe ihrem Ort vorbeifahren, bestimmen ihrer aller Alltag. Beschaulich schildert Khushwant Singh, wie die Menschen ihren Tagesablauf statt nach der Uhr anhand der Züge bestimmen. Doch eines Tages fahren die Züge nicht mehr nach Plan. Zudem passiert ein Verbrechen, und Fremde kommen in das Dorf. Doch den Friedensrichter Hukum Chand sorgt nicht der Mord am Geldverleiher, sondern die politischen Entwicklungen, von denen er annimmt, daß sie früher oder später auch das kleine Dorf an der neugezogenen Grenze nach Pakistan erreichen.

Das ehemals britische Indien erlebte 1947 nämlich einen Bevölkerungsaustausch, der in der Art und Weise einmalig ist. Moslems wurden in dem neugegründeten Staat Pakistan ausgesiedelt, Hindus und Sikhs auf das Gebiet Indiens begrenzt. Menschen, die seit Generationen nebeneinander lebten, wurden plötzlich zu Gegnern.

„Der Wind der Zerstörung weht über das Land. Mord und Totschlag ist alles, was wir hören“, klagen die Menschen. Und dann erreicht endlich wieder ein Zug das Dorf. Er kommt aus Pakistan und seine Fracht setzte die Menschen unter Schock. Tausende Sikhs und Hindus, Flüchtlinge, auf ihrem Transport nach Indien, befinden sich in dem Zug. Doch alle sind tot. Massakriert und gemeuchelt. Der Friedensrichter fürchtet einen Racheakt der Sikhs und Hindus an den Moslems im Dorf. Zwar verweisen einige Dorfältere auf die lange Freundschaft zu den Moslems im Ort, doch vor allem Aufrührer aus der Fremde versuchen Mano Majra aufzumischen. Der Friedensrichter handelt, läßt die Moslems aus dem Dorf in ein nahegelegenes Flüchtlingslager evakuieren, doch 50 Polizisten sind kein Schutz gegen einen nach Blut dürstenden Mob.

Khushwant Singh gelingt es, die sich zuspitzende Situation nachvollziehbar zu schildern, wenn auch mit einigen unnötigen Längen. Am Ende fährt ein Zug durch Mano Majra, in ihm Tausende Moslems auf dem Weg nach Pakistan. Unter ihnen auch die Moslems aus Mano Majra. Der Mob wartet schon neben den Schienen, doch es gibt auch Menschen in dem Dorf, die das Massaker an ihren Nachbarn verhindern wollen.     Bel

Khushwant Singh: „Der Zug nach Pakistan“, Insel, Frankfurt M. 2008, geb., 234 Seiten, 19,80 Euro


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