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02.08.08 / Das eigene Kind getötet / 35 NS-Zwangsarbeiter berichten über ihr Schicksal

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Das eigene Kind getötet
35 NS-Zwangsarbeiter berichten über ihr Schicksal

Endlich gehört zu werden, das eigene Schicksal publik zu machen und damit aus der Anonymität der Millionen Opfer des NS-Systems herausgehoben zu werden, das war das Anliegen einiger Betroffener, die in „Geraubte Leben – Zwangsarbeiter berichten“ zu Wort kommen. Viele waren auch dankbar, zu den 35 Autoren zu zählen, die von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ ausgewählt worden waren, um auf diesem Wege vielleicht an ihre verstorbenen Lieben zu erinnern. Mehrere Töchter berichten von dem Schicksal ihrer meist längst verstorbenen Mütter, da diese nicht mehr für sich selber sprechen können, das ihnen angetane Unrecht jedoch nicht in Vergessenheit geraten dürfe.

Über 1,6 Millionen ehemalige Zwangsarbeiter und ihre Rechtsnachfolger wurden von 2000 bis Mitte 2007 aus dem Fonds der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ mit insgesamt 4,37 Milliarden Euro entschädigt. Doch kann man dafür finanziell entschädigt werden, daß man jahrelang körperlich schwere Sklavenarbeit für das NS-Regime hat verrichten müssen und dabei Angehörige hat sterben sehen? In einem geschilderten Fall wird eine Frau sogar zur Mörderin … an ihrem eigenen Kind. Um nicht wie alle Schwangeren um sich herum getötet zu werden, verheimlicht eine Zwangsarbeiterin ihre Schwangerschaft und arbeitet bis zu ihrer Niederkunft genauso hart wie alle anderen Schicksalsgenossen. Im Dunkel der Nacht bringt sie ihr Kind zur Welt, doch da der Säugling im Arbeitslager keine Überlebenschance hat, sie sich auch nicht verraten will, wirft sie den Nachwuchs in einen Sack auf den im Lager befindlichen Leichenwagen. Welche Schuldgefühle wird diese Frau für den Rest ihres Lebens gehabt haben? Und wie wird sich die Tschechin Adolfina Sovova am 8. März 1944 gefühlt haben, als sie wußte, daß ihre Mutter nur einige hundert Meter von ihr entfernt in die Gaskammern geschickt wurde, während sie, gesund und kräftig, als Zwangsarbeiterin weiter leben durfte?

Die einzelnen meist nur wenige Seiten umfassenden Schicksalsberichte werden jeweils mit einem Foto des Betroffenen und einer Kurzvita aufgemacht. So erfährt der Leser, was aus den Menschen wurde, wo und ob sie heute leben. Den gebürtigen Slowenen Alois Starina zog es beispielsweise 1957 wieder zurück nach Offenbach, wo er noch gute Kontakte aus seiner Zeit als Zwangsarbeiter in einem Gartenbaubetrieb hatte.

Mit „Ich hatte mir ein anderes, besseres Leben vorgestellt“ beginnt das weitgehend unpolitische Buch „Geraubte Leben“. Abgebrochene Schulkarrieren, fehlende Ausbildung und körperliche Folgeschäden bestimmten für viele das Leben nach Kriegsende.        R. Bellano

Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (Hrsg.): „Geraubte Leben – Zwangsarbeiter berichten“, Böhlau, Köln 2008, geb., 355 Seiten, 22,90 Euro


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