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02.08.08 / Ganz Heide reist ins Mittelalter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31-08 vom 02. August 2008

Ganz Heide reist ins Mittelalter
von Günther Falbe

Historienfeste sind beliebt. Das geschichtsträchtige Deutschland bietet für solche Veranstaltungen reiche Pfründe, und sie werden auch genutzt, nicht zuletzt, weil sie den Fremdenverkehr beleben. Manche beruhen auf jahrhundertealter Tradition, andere sind erst in den letzten Jahrzehnten – im Besinnen auf die durch Kriege und Notjahre bewahrten Werte – entstanden und in kürzester Zeit zum festen Bestandteil des deutschen Festspielkalenders geworden. Dazu gehört der „Heider Marktfrieden“, der nicht, wie Unwissende glauben könnten, in einer Heideregion stattfindet, sondern in der Stadt Heide in Schleswig-Holstein. Die einst freie und unabhängige Bauernrepublik Dithmarschen bietet mit ihrer bis in das 13. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte ein so weites Feld an spektakulären Vorgängen, daß es auf der Hand lag, diese in ein „Historial“ umzusetzen. Man tat es vor zehn Jahren, und weil dies wohldurchdacht und historisch fundiert geschah, mit ständig wachsendem Erfolg, der in diesen Julitagen im 10. „Heider Marktfrieden“ gipfelte.

Auf dem Heider Marktplatz herrscht nach dem Frieden wieder Friede, das heißt, auf diesem größten deutschen Marktplatz – früher war dies der riesige Marktplatz im ostpreußischen Treuburg – ist wieder der reale Alltag eingekehrt. Denn so friedlich ging es bei dem  Volksfest, das traditionell in der zweiten Juliwoche stattfand, nun auch wieder nicht zu, weil der Marktplatz sich in eine Freilichtbühne verwandelt hatte, und das Theaterstück „Sag dem König Gute Nacht“ viel spektakulärer verlief, als der Titel vermuten läßt. Denn da kämpfen die Dithmarscher mit Bauernschläue gegen die übermächtigen Dänen, deren „Schwarze Garde“ Schrecken verbreitet, bis sich die Warnung „Wahr di Garr, de Bur de kemt!“ erfüllt hat: Die gepanzerten Dänen versinken in den Fluten, in die sie die Dithmarscher auf ihren schweren Pferden getrieben haben, die Bauernrepublik ist gerettet, der „Heider Marktfrieden“ wird seinem Namen gerecht. So geschehen anno 1500 – in Szene gesetzt 2008 nach dem Textbuch des Schriftstellers Heiner Egge.

Und die Heider haben erkannt, was das für sie und ihre Stadt bedeutet, denn die gesamte Bürgerschaft macht mit. Zum Teil als Akteure auf der Bühne oder rund um den Marktplatz als sichtbare Nachfahren. Die Zeitmaschine spult zurück: Das gesamte, mitten in der Stadt gelegene Areal hat sich in lebendiges Mittelalter verwandelt, es herrscht ein lebhaftes, bunten Treiben wie vor 500 Jahren, als der „Heider Marktfrieden“ für diesen Handelsplatz eine fundamentale Bedeutung hatte: Er garantierte einheimischen wie auswärtigen Kaufleuten, daß sie – geschützt vor Gewalt und Gefahr – hier ihren Geschäften nachgehen konnten. Die Heider von heute zeigen, wie ihre Vorfahren lebten, bieten in ihren alten Trachten als Bäcker, Fischer und Fleischhändler ihre Waren an, beweisen ihr Können an Töpferscheibe und Amboß, demonstrieren als Besenbinder, Zinngießer, Lederer oder Klöpplerin die alten Handwerkstechniken. Noch „echter“ wird das Szenarium durch die grunzenden, blökenden, gackernden und schnatternden Akteure – ein buntes Marktbild, zu dem die Gegenwart keinen Zutritt zu haben scheint.


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